L'Art & La Matière

Bois d'Arménie 2006

Apicius
17.08.2011 - 17:13 Uhr
32
Top Rezension
7.5
Flakon
2.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
8
Duft

Eine exquisite Praline

Eine bestimmte Sorte Papier, mit welchem man vielleicht die Böden eines Schranks bedeckt, soll für Bois d'Arménie verantwortlich gewesen sein - ein Kindheitseindruck von Sylvaine Delacourte, so las oder hörte ich irgendwo, die als Art Director bei Guerlain einen maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung neuer Düfte auszuüben scheint. Soweit die schöne Legende, die hier gesponnen wird.

Mit Bois d'Arménie schenkt uns Guerlain einen Duft, wie er so nur aus diesem Hause kommen kann – es ist die besondere Handhabung der Vanille, die in dieser Prägnanz nur Guerlain mit überzeugendem Ergebnis zustande bringt. Dass die Pyramide die Vanille gar nicht ausweist, steht dem nicht entgegen – gerade bei Guerlain sind die veröffentlichten Noten stets nur die halbe Wahrheit.

Die Vanille – oder das, was ich als solche identifiziere - wirkt hier unglaublich intensiv und tiefgründig– sie ist nicht von holziger Herbheit begleitet, wie etwa der Tonka-Komplex in Arsène Lupin Voyou, sondern von einer ganz anderen dunklen, tiefgründigen Holzigkeit begleitet. Das hat fast etwas Likörhaftes, ohne übermäßig süß zu sein, und fast ist es auch etwas rauchig. Diese Vanille kommt in ihrem klaren, nur wenig verstellten Ausdruck ziemlich an das wunderbare Spritueuse Double Vanille heran, ist aber dunkler.

Mit der Papiergeschichte streift Bois d'Armenie die Gruppe der Irisdüfte – neben Pudrigkeit ist es vor allem der Eindruck von altem, stockfleckigem Papier, den man manchem Irisduft nachsagen kann. Wie denken hier zu allererst an das bekannte Dior Homme. Hier gibt es eine Gemeinsamkeit, die jedoch nur im Ansatz erkennbar ist. Denn zum berühmten „Lippenstiftakkord“ entwickelt sich Bois d'Arménie aber nicht. Immerhin reicht das bisschen Iris im Kopf schon aus, um Bois d'Arménie besonders den Dior Homme Freunden empfehlen zu können.

Bois d'Arménie ist ein schwieriger, anspruchsvoller Duft. Die Prägnanz der vanilligen Anteile machte es wohl erforderlich, bei der Intensität zwei Gänge zurück zu schalten. So wird Bois d'Arménie ein schwieriger Testkandidat. Bei meinen ersten Begegnungen wirkte dieses Parfum auf mich ziemlich nichtssagend. Die Nase voll von anderem, habe ich es kaum wahrnehmen können. Bois d'Armenie erzeugt nur eine zarte Aura – das Kennenlernen erfordert also etwas Zeit und Konzentration.

Neben Vanille und Iris will sich mir keine weitere Note konkret enthüllen. Im Gegenteil – im Verlauf seiner Entwicklung zieht sich Bois d'Armenie immer mehr auf das Thema Vanille zurück, bis es schließlich nach nicht ganz einem Tag verblasst.

Welcher Vanille soll man nun den Vorzug geben? Dem ätherisch-klaren Spritueuse Double Vanille oder dem edlen, dunklen Bois d'Armenie? Solche Fragen sind natürlich nicht beantwortbar. Beide werden sie ihren Träger oder ihre Trägerin gleichermaßen erfreuen – vorausgesetzt allerdings, man kommt mit so viel Vanille klar.

Ich persönlich mag das nur manchmal, eben in Maßen. Man bedenke: ein Vanille-Eis ist in wenigen Minuten verzehrt – Bois d'Armenie hält dagegen viele Stunden. Trotz seiner Zurückhaltung denke ich, man tut gut daran, diesen schönen Duft mit Bedacht einzusetzen, ihn zu verzehren, wie eine teure, erstklassige Praline.

Bois d'Armenie gehört in die hinterste Reihe der Parfumsammlung, von wo es zu besonderen Anlässen hervorgeholt wird.
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