L'Art & La Matière

Bois d'Arménie 2006

Ormeli
29.05.2016 - 07:22 Uhr
29
Top Rezension
10
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft

Er weiß zu gefallen

Gern begab sich er sich auf Walz. Ein einfaches Leben war er gewohnt. Pfirsich, Honig und die Ruhe. Dennoch ließ er kein Richtfest aus - den auch für das Gesellige hatte er etwas übrig. Im Grunde ein Suchender, der nicht einmal den Hauch einer Idee hatte, was er finden wollte.

Kein Holz, das er nicht allein schon an den Fasern, der Maserung, dem Geruch erkannte. Wurde im Umkreis von ein paar Tagesmärschen, etwas gebaut, ein Dach ausgebessert oder eine Brücke erneuert war er ein gesuchter Handwerker, dem der Bauherr auch mal freie Hand ließ. Was sind schon Pläne und Skizzen? Phantasielos! Man muss das Holz verstehen. Wissen wie es atmet, wie es arbeitet. Wenn man einen Balken richtig einbaut trägt er seine Last ewig.

Eines Tages geschah etwas Seltsames. Ein Balken oder vielmehr ein Baumstamm hatte seinen wunderlichen Weg in die abgelegenen und weitgehend verkarsteten Höhen und Täler seiner armenischen Heimat gefunden. Das Holz – ja war es denn überhaupt ein Holz? So etwas hatte er noch nie gesehen. Steinhart, ungewöhnlich schwer und sobald man einen Span abschnitt, klebrig-harzig. Doch einen beinahe betörende Duft verströmend. Sowas hatte er immer finden wollen.

Die Rede ist von Guajakholz, einem sehr harten, harzreichen Laubholz, das in Armenien nicht wächst. Unser Baumeister hätte es mit einer Eisensäge bearbeiten müssen und sich dabei wohl tierisch über das zäh-klebrige Harz geärgert, das ihm das Sägeblatt total versaut hätte. Aber der aromatische, leicht vanillene, harzige Duft hätte ihn bestimmt versöhnt.

Mein aller erster Eindruck von Bois d´Arménie: Wirkt und duftet geheimnisvoll. Hautnah ist es anfangs gar nicht so schön. Sein Zauber entwickelt sich erst auf kurze Distanz. Bei meinem vierten oder fünften Test will er zum Beispiel nicht mal richtig in Fahrt kommen. Vielleicht war es zu kühl. Er dümpelte voll und dunkel vor sich hin – ich war schon fast enttäuscht. Doch nach gut ein bis zwei Stunde kam er mit umso größerer Wucht, so dass ich ihn selbst im zügigen gehen gut und deutlich wahrnehmen konnte.

Am Start ist Bois d’Arménie meistens gourmand-pudrig, fast erinnert es an zart herben Kakao, manchmal auch an hochwertiges Make Up, welches meine Frau gerne verwendet. Diese Sachen haben teilweise einen ähnlich pudrigen, karemellenen, schokohaften Anklang. Eine andere Assoziation ist herb süßer, dunkler, zähfließender Honig, umschlossen von zartem Karamell und ummantelt mit bitterer, tiefschwarzer Kakao-Schokolade. Dieser Eindruck, bei dem man allein schon vom Zuhören zunimmt hält jedoch nie lange vor. Auch wenn es sich vielleicht etwas danach anhört, ist es keine Duftpraline. Der Start ist oft sogar ruppig, sehr zurückhaltend, fast unprätentiös. Dazu kommt, dass er direkt auf der Haut leicht erdig und kantig erscheint.

Seine volle Wirkung erzielt Bois d’Arménie erst mit etwas Abstand, in der Projektion. Da steckt viel Kraft dahinter, die Haltbarkeit lässt mit über 8 Std. kaum zu wünschen übrig. Dabei wirkt der vollmundige Duft, durchaus leichter als er ist, was ihn gerade noch für kühlere Tage im Frühling oder Spätherbst interessant macht. Eindeutig etwas für die kalte Jahreszeit. Keine ausschließliche Geschlechterzuordnung, jedoch für meinen Geschmack eher feminine Aspekte in der Entwicklung. Die übrigens relativ geradlinig verläuft. Das Dunkle, geheimnisvolle, cremige Werk behält seinen Charakter über lange Strecken bei, was die Wiedererkennung steigert obwohl der Großteil meiner Mitmenschen dieses zauberhafte, vielschichtige Werk wohl nicht richtig zu würdigen wüssten.

Höre ich Armenien, denke ich an Pfirsich vielleicht an Honig. Zerklüftetes Bergland und karge Höhen aber nicht an Gujak oder Kopavia. Das ist wohl dem Traum und der Phantasie des Guerlain geschuldet. Ich persönlich sehe im Guajakholzd und später, an der Basis, mit dem Kopaiva, welche ebenfalls mit einem exzellenten Aroma glänzt, den zentralen Bestandteil, das Herz und die Seele dieses Duftes. Beides harzreiche Laubhölzer, die in den Subtropen beheimatet sind. Also nichts, was im herausfordernden Klima Armeniens zurecht käme.

Gelegentlich sind am Start sogar dezent wirkende und leichtflüchtige zitrische Eindrücke zu erkennen. Diese lugen auch nach gut zwei Stunden und sogar - mit leichtem Grapefruitcharakter - in der Basis noch mal kurz durch. Ob sich Iris da gegen die übermächtige Konkurrenz durchmogelt?

Nach rund vier Stunden beginnt, nach und nach, ein behutsamer Wandel. Bois d´Arménie wird weicher und nun zwischendurch auch auf der Haut schöner. Sein vanillener Charakterzug tritt jetzt in Erscheinung. Wobei es sich um eine dunkle Vanillenote handelt, die kaum süße aufweist. Bis zum Ende ist eine komplette Wandlung vollzogen und es duftet am Handgelenk zeitweise sogar ein kleinwenig ätherisch – technisch. Nicht so wie in der Schlosserei dennoch schmort da hautnah etwas still und heimlich vor sich hin.

Eigentlich sollte dieser zauberhafte Duft nicht zerpflückt und analysiert werden. Einzelnen Noten lassen sich kaum herauspicken. Alles ist zu einem harmonischen Gesamteindruck verschmolzen. Sowas ist kaum nachzuahmen und hätte ich es nicht gewusst, hätte ich wahrscheinlich nicht auf Guerlain getippt. Schon öfter hatte ich Düfte, die mehrere, teilweise sehr unterschiedliche Eindrücke kombinieren, aber kaum einem gelingt es, sie so stimmig, so harmonisch miteinander zu verknüpfen.

Zusammenfassend ist Bois d´Arménie ein schwer zu beschreibender Duft, der vor allem in der Projektion ein vielschichtiges, cremig-weiches, teils kakaohaft, karemellig duftende, teils vanillen-herbes Bild zeichnet. Gute Silage, vorzügliche Haltbarkeit. Es macht richtig Spaß diesen sehr gepflegten, stilvollen Duft zu tragen. Mein Pröbchen habe ich von Claudine erhalten, die mir damit eine große Freude bereitet hat. Und ich freue mich schon richtig darauf weitere Vertreter aus dieser Reihe unter die Nase zu nehmen, denn wenn auch kaum in Worte zu fassen, sie wissen zu gefallen, diese Guerlains.
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