Épices Volées
Arsène Lupin Voyou
2010

FFL
08.11.2020 - 16:06 Uhr
10
Hilfreiche Rezension
8
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
7.5
Duft

Die Abstinenz der Guerlinade

Als ich neulich durch den Douglas Flagship Store in Frankfurt am Main schlenderte, blieb ich endlich mal beim Guerlain Exklusiv-Counter stehen. Die exklusiven Reihen von Guerlain, also L'Art et le Matiere (Unisex) sowie Les Parisiens (Herren) gibt es schließlich nur in exklusiven Boutiquen. Tja, da lohnt sich der Besuch bei Douglas. Ich ließ mir also alle 4 aktuellen Düfte von Les Parisiens (Derby, Arsene Lupin Voyou, Chamade Homme sowie Le Frenchy) auf die Haut sprühen und verglich einfach mal. Ich war überrascht, dass der Duft, der mir dabei am besten gefiel, ausgerechnet Yoyou war - von meinen Recherchen wusste ich bereits, dass dieser hier bei Parfumo am schlechtesten wegkommt.

Also erstmal eine Abfüllung mitgeben lassen und nochmal ausgiebig getestet. "Etwas schwach auf der Brust", "Guerlain-untypisch" und "Langweilig" las ich hier, solle er sein. Ja, das kann ich bestätigen. Ein besonders auffälliger Duft ist er nicht. Er ist weder raumfüllend, noch in irgendeiner Form extrem. Er ist nicht gourmandig, nicht boozy, nicht klassisch, ja was dann... einfach cremig-geschmeidig würzig-holzig. Braucht man sowas? Ich war mir immer noch nicht schlüssig.

Seine wahren Qualitäten zeigte er dann aber dann, wenn es darauf ankommt... im Alltag. Stichtwort Zahnarzt-Besuch. Manche werden jetzt denken: Auweia, Zahnarzt, bloß kein Parfüm auflegen! Ja, stimmt eigentlich, aber echte Parfum-Junkies gehen doch nie ohne Parfum raus! ;-)
Noch bevor ich Voyou kennenlernte, legte ich Ormonde Man auf, einen klassisch-grün-herben Männerduft, der hier durchaus als alltagstauglich, reserviert und office-tauglich beschrieben wird. Für den Zahnarzt war er dann aber doch too much. Während ich da lag, unter der Lampe auf der Zahnarztliege, mit Arzt und Assistentin über mir, nahm ich meine eigenen dunkelgrünen, krautigen "Whiff" wahr. Oje, dachte ich mir, hoffentlich stört es keinen... naja irgendwann sagte der Arzt dann "könnte jemand bitte das Fenster öffnen". Urghs... ich fühlte mich nun unwohl. Für den nächsten Zahnarztbesuch suche ich mir das langweiligste raus was ich habe, schwor ich mir selbst.

Dann kam der Douglas-Besuch und dann Voyou. Und dann der Folgetermin beim Zahnarzt. Diesmal keine negativen Lady Reactions, äh... Doctor Reactions. Test bestanden. Seitdem trag ich ihn immer öfters. Voyou begleitet einen still und heimlich, ist diebisch, wie Arsene Lupin, der Meisterdieb. Ein Meister der Verkleidungskunst... das heißt, er lungert gerne unter Jacken und Decken, und legt man diese ab, schlägt er zu mit einer angenehmen Brise. Dieser Whiff ist ganz Gentlemen-like und sogar verführerisch (wie der Roman-Protagonist), dank Sandelholz leicht süßlich, dank Zistrose aromatisch-harzig.

Voyou ist somit ein leichtfüßiger Immergeher. Ein Duft, den niemand unattraktiv finden wird, aber auch niemand zu attraktiv. Ein Duft für alle Fälle, der Nobrainer zum einfach vor die Tür gehen, wenn man nicht auf Parfüm verzichten will, obwohl man... eigentlich keins bräuchte. Einfach nur die Kombination aus leichter Frische mit dezenter Würzigkeit und angenehmer Holzigkeit. Die anfängliche Zitrus-Würze wandelt sich in eine Harz-Würze und wird dabei zu keiner Zeit aufdringlich oder stechend.

Die Guerlinade fehle, sagen manche. Ja. Wenn man Guerlinade definiert also das Vorhandensein einer Vanille-Iris-Kombination. Aber nicht wenn man sie definiert als die Genialität des Parfümeurs (hier: ein nettes Parfum zu kreieren, das keinem weh tut) und die Qualität der Rohstoffe. Danke Jean-Paul Guerlain.
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