Eau d'Hermès 1951

Profumo
10.09.2010 - 14:52 Uhr
33
Top Rezension
7
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft

Ein perfektes 'Duft-Logo'

Ein Parfumkenner von Rang (nein, es war nicht Luca Turin, ich glaube es war Michael Edwards) soll einmal die Frage nach den seiner Ansicht nach besten Parfums wie folgt beantwortet haben: „Nehmen Sie einfach immer die Ersten!“. Nun, Eau d´Hermès ist so ein Erstes.

Zu Beginn der fünfziger Jahre trafen sich Emile Hermès, der damalige Patron der einstigen Sattlerwerkstätte, die mittlerweile zum Inbegriff luxuriöser Lederwaren geworden war, und Edmond Roudnitska, der junge, aufstrebende Parfumeur, der wenige Jahre zuvor mit Kreationen für Rochas, allen voran mit dem berühmten ‚Femme’ für Aufsehen sorgte. Gemeinsam konzipierten sie einen Duft, der die beiden für Hermès stehenden Begriffe Luxus und Leder in sich vereinen sollte: einen luxuriösen Lederduft, die olfaktorische Entsprechung des eigenen Selbstverständnisses. Nun gab es ja schon Lederdüfte der Extraklasse, einige – leider nicht alle – haben die Jahre seither überlebt: Knize Ten, Chanels und Pivers Cuir de Russie, Carons Tabac Blond und einige andere. So war die Konkurrenz beachtlich und es galt einen Duft zu schaffen der dieses Thema nicht nur anders interpretierte, sondern darüber hinaus mit den Produkten von Hermès assoziiert werden sollte, so wie Knize Ten für eine elegante Herrenmaßschneiderei stand, Chanels Cuir de Russie das dekadente Treiben russischer Exilaristokraten in Paris symbolisierte, und Carons Tabac Blond das Kultparfum aufgeklärter und emanzipierter Frauen war – für die es auch geschaffen wurde - die ihr Bedürfnis in aller Öffentlichkeit zu rauchen mit einem Parfum veredelt wissen wollten. Der neue Duft sollte also eigenständig genug sein sich von den anderen seiner Art abzuheben, bzw. abzugrenzen und zugleich so eng es irgend ging mit Hermès in Verbindung stehen.

Wie staunenswert, ja brillant Edmond Roudnitska diese Aufgabe löste, kann noch immer, bzw. seit einigen Jahren wieder, nachgeprüft werden: man sprühe etwas Eau d´Hermès auf den Handrücken, und sofort ist sie da, die Assoziation von Leder. Nicht von Clubsesseln und Budapester Lederschuhen (Knize Ten), nicht von Reitstiefeln die mit Birkenteer gegerbt wurden (CdR) und nicht von Lederhandschuhen an denen noch der Tabakgeruch einer gerauchten Zigarette haftet (Tabac Blond) – nein: es ist der Geruch einer frisch genähten Ledertasche der einem entgegenströmt sobald man diese öffnet; sei es eine (Hermès-) Handtasche, sei es ein (Hermès-) Koffer oder sei es auch ein neuer (Hermès-) Sattel: der Duft von hellem, gegerbtem Rindsleder. Es ist schon erstaunlich wie sehr Eau d´Hermès diese Assoziation geradezu erzwingt: das perfekte Duft-Logo des berühmten Lederwarenherstellers!

Dabei ist Eau d´Hermès natürlich viel mehr: ein komplexer und reichhaltiger, frisch-würziger Lederduft, der sich – laut des Herstellers - in sieben Akkorden entwickelt:

- Frische Zitrusnoten (Bergamotte, Petitgrain)
- Aromatische Kräuter (Salbei, Lavendel)
- Kräftige Gewürztöne (Koriander, Kardamom, Nelke, Zimt)
- Dezente Blüten (Jasmin, Geranium)
- Harmonisch abgerundeter Amber (Vanille, Tonka, Labdanum)
- Holzige Noten (Sandelholz, Zeder, Moos)
- Lederakkord (Birkenteer, Cumin)

Diese problemlos nachvollziehbare, will sagen: er-riechbare Reichhaltigkeit könnte die Vermutung nahe legen, es handle sich um einen ausgesprochen üppigen und eher schweren Duft wie es Knize Ten ist, oder in noch stärkeren Ausmaß Tabac Blond. Aber nein, Eau d`Hermès ist kein Schwergewicht: der Duft zeichnet sich bei aller Fülle durch eine erstaunliche Leichtigkeit, ja fast Transparenz aus, besitzt darüber hinaus keine übermäßige Abstrahlung, ist also eher dezent und bleibt dem Träger über Stunden vor allem als exquisiter Hautduft erhalten . Das mag manchen enttäuschen, ganz sicher jene, die kräftige und raumfüllende Parfums bevorzugen, aber es gibt meiner Ansicht nach Düfte, die so sublim sind, dass sich eine stärkere Konzentration geradezu verbietet. Zu ihnen zählt ganz sicher Eau d´Hermès, aber auch Guerlains Mouchoir de Monsieur oder Patricia de Nicolaïs New York. Allesamt Düfte von extremer Raffinesse, die in höherer Potenz Gefahr liefen ebenjene einzubüßen.

Zu erwähnen bleibt noch, dass Eau d´Hermès kein gefälliger Duft ist, ja dass die Geister sich an ihm scheiden und dass er – wie wenige - polarisiert. Dafür verantwortlich ist eine im Fond sich entfaltende, aber schon zu Beginn wahrnehmbare Cumin-Note. Seltsamerweise bringen so viele diese Note mit dem Geruch von Schweiß in Verbindung. Ich kann das nur bedingt nachvollziehen, denn ich selbst liebe Cumin, ich koche damit und ich mag dessen Geruch, sehr sogar. Anderen Cumin-haltigen Düften ergeht es in der Regel ähnlich: Vetyver von Patricia de Nicolaï zum Beispiel oder auch dem berühmtesten unter ihnen: Declaration von Cartier (wobei sich bei diesem die umstrittene Note so dezent entfaltet, dass sie kaum mehr wahrnehmbar ist – nimmt man Eau d´Hermès als Maßstab. Dennoch bleibt sie für viele identifizierbar und unerträglich).
Überhaupt, wer Declaration kennt – und mag! – sollte unbedingt Eau d´Hermès probieren, denn Jean-Claude Ellena hat mit Declaration eine Hommage an den berühmten Duft seines Lehrers Edmond Roudnitska geschaffen. Beide vereint die gleiche Frische, die ungeheure Würzigkeit und ein ähnlich nobler Charakter; wobei Eau d´Hermès ein gutes Stück aristokratischer bleibt, ja dekadenter, als das eher joviale, aber immer noch stilvolle Declaration. (Beide eint übrigens auch die Unmöglichkeit sie einem Geschlecht zuzuordnen!)
Jean-Claude Ellena war es auch, der auf die Frage welches Parfum er benutze, antwortete: gar keines. Außer zu ganz seltenen Anlässen, einer Hochzeit oder ähnlichem. Dann nehme er Eau d´Hermès.

Gibt es ein schöneres Kompliment an einen Duft als jenes, dass der wohl berühmteste unter den lebenden Parfumeuren ihn hin und wieder trägt, und nur ihn?
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