Eau de Gentiane Blanche 2009

Mosaik
11.04.2019 - 03:41 Uhr
20
Top Rezension
9
Flakon
4
Sillage
6
Haltbarkeit
9
Duft

Heiterer Frieden in klarer Luft

Eau de Gentiane Blanche erobert mich vom ersten Aufsprühen an. Als frischgrün-ätherisch-würziger Feingeist stellt er sich mir vor, mit leichter Krautigkeit kurz nach Beginn, die aber nicht kratzt, sondern sehr charmant ist, wenn sie auch für manche Nasen zunächst etwas fremd daherkommen mag, und der von einer feinen Blumennote begleitet wird. Völlig unbeschwert. Gutlaunig, eher still, freundlich, natürlich. Silbrigweicher Rauch. Ganz leicht schwingt auch der Eindruck eines dezent süßlich-würzigen, trockenholzigen Tons mit, der später deutlicher wird. Dieser verweilt auch am längsten und prominentesten und gibt dem Duft etwas Tiefe. Bei aller Geradlinigkeit, Einfachheit und Ehrlichkeit entwickelt er auch eine natürliche Eleganz.

Nach einem nahezu orchestralen Auftakt, bei dem sich alle Facetten auf einmal zu zeigen scheinen, ziehen sich die strahlenderen Noten erst einmal etwas zurück, und der Duft wird etwas dunkelgrüner und krautiger. Aber wie gesagt, alles bleibt in einem charmanten Rahmen. Ein frischer Wind sorgt für einen kleinen Wellengang auf diesem Alpensee, und mit der nächsten Welle werden wieder auch blumigere Nuancen herangespült, die dem Eau de Gentiane Blanche wieder eine hellere Erscheinung verleihen. Dieses Wellenspiel wiederholt sich in immer neuen Zusammenstellungen, bis zu den besagten feinwürzig-brauneren (braungrüneren) Eindrücken zum Ende hin.

Als vielseitig empfinde ich ihn, sowohl in seinen Facetten, als auch bezüglich der Tragegelegenheiten. Allerdings könnte sich so mancher potentielle Träger wegen der relativen Kurzlebigkeit von EdGB gegen ihn entscheiden. - Die selbst zu ihren Hochzeiten eher moderate Sillage zieht sich an mir bereits nach etwa 45 Minuten in Hautnähe zurück, allerdings mit gelegentlichen Wiffs, wie kleine Sonneneruptionen (oder etwas höheren Wellen, um beim Wasserbild von oben zu bleiben).

Aber in den folgenden restlichen etwa vier Stunden Lebenszeit, zu dessen Ende hin sich die Wahrnehmungspalette in Richtung einer etwas grobkörnigeren, rauchigeren Würzigkeit auf meiner Haut verschiebt, muss ich Nase und Aufsprühfläche schon sehr nahe aneinanderbringen, um mir die kleinen Riechsensationen zu verschaffen. Immerhin hat mich das positiv überrascht: Der schnelle Rückzug hätte mich eine kürzere Haltbarkeit vermuten lassen (war bei mir beim Nilgarten ganz krass kurz!).

Fazit: Ein heiterer, heller Frieden durchströmt mich beim Tragen dieses Duftes. Für mich ein wunderbares, bescheidenes Kleinod mit gelungener Balance und interessanten, schön miteinander verwobenen Facetten!

Vielen Dank an die Probenspenderin für ihre Eingebung und gute Tat!

Nebenbemerkung: Auf Papier: ähnlich, aber nicht so gut. Leicht säuerlich. Könnte bei mancher Haut problematisch sein. Würzig-holzige Tiefe entwickelt sich hier nicht so ausgeprägt (eigentlich kaum).

Noch eine Nebenbemerkung: Wenn ich von Holznoten spreche, behaupte ich nicht, dass hier Holzextrakte verwendet wurden, sondern es sind Anmutungen des Duftes in meiner Nase, die ich nicht anders beschreiben kann. Das gilt übrigens für die meisten von mir sogenannten ‚Noten’ und ‚Töne’.
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