Eau de Mandarine Ambrée 2013

Chnokfir
01.01.2021 - 07:19 Uhr
25
Top Rezension
10
Flakon
7
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9.5
Duft

Gute Laune in Tropfenform

Winterzeit ist Eintopfzeit! Stimmt zwar, passt aber nicht so ganz zum Thema...

Winterzeit ist aber auch Südfruchtzeit. Diese Weissheit kommt noch aus einer Zeit, in der man nicht an jedem beliebigen Tag des Jahres jede beliebige Frucht in jedem beliebigen Discounter kaufen konnte (die es damals noch nicht gab), weil Obst und Gemüse noch nicht jeden Tag fangfrisch aus allen Teilen der Welt nach Deutschland eingeflogen wurden. Damals hielten Zitrusfrüchte auch noch mehrere Tage und Wochen in der Obstschale und man konnte sie gefahrlos im Päckchen an die liebe Verwandtschaft in die Ostzone schicken, was damals mit der Post zwei bis drei Wochen dauerte, ohne das sie sofort vor sich hin gammelten. Damals wurde ich von dem Geschmack und dem süssen Duft von Mandarinen angefixt, die man heutzutage bedauerlicherweise kaum mehr findet, weil man überall fast nur noch Clementinen zu kaufen bekommt, eine Kreuzung aus Mandarinen und Bitterorangen, mit dem Wunsch, bei ihnen als Hybride die lästigen Kerne rauszukreuzen. Dabei ist leider das Aroma weitgehend auf der Strecke geblieben. Man besuche den gutsportierten Obstladen um die Ecke - soweit noch vorhanden - und mache eine Verkostung einer echten Mandarine im Vergleich zur Discounter-Clementine. Der Unterschied ist ähnlich eklatant wie zwischen Angus-Weiderind und Styropor. Vegetarier und Veganer ersetzen das Rind durch Tofu, der Unterschied dürfte aber immer noch ähnlich sein. Dies nur als kurze Warenkunde vorweg.

Wer mal an einem Hermès-Counter bei all den wundervoll illuminierten Flakons vorbei stromert, der bleibt mit den Augen sicherlich bei der einen oder anderen Farbe hängen. Bei mir ist es naturgemäss meist orange. Eine sehr intensive und doch natürliche Farbe, ein prächtiger Farbklecks für jede Parfumsammlung. Ich stehe auf diesen massiven und doch filigranen Hermes-Standard-Flakon, aber in dieser geradezu an klaren Bernstein erinnernden Farbe ist er schon besonders. Der schwarze Knauf passt gut dazu, lenkt aber auch nicht ab, der Zerstäuber verbreitet zuverlässig einen feinen Nebel. Insgesamt ein feines Package.

Mit dem ersten Schnüffler empfangen und umfangen einen auch sofort die Früchte. Je nach Tagesform und Laune riecht man zunächst mal mehr Passionsfrucht, mal mehr Mandarine. Doch diese beiden Früchte spielen, tanzen, umkreisen sich, mal führt der eine, mal die andere. Dabei ergänzen sie einander auf eine wundervolle Art und Weise mit ihrer natürlichen Frucht, mit ihrer Säure, mit ihrer Süsse, ihrer Saftigkeit. Insgesamt hält die Mandarine bei mir länger, die Maracuja klingt nach drei bis vier Stunden leicht aus. Nimmt deren Säure ab, macht sich ein warmer und weicher Akkord in der Basis breit, der die Mandarine glänzend unterstützt und unterfüttert, aber nie verdrängt.

An mir hält der Duft gute acht bis zehn Stunden, manchmal länger und bleibt die Zeit über auch sehr angenehm präsent. Da jedoch der Duftverlauf dank der wenigen Duftakkorde nur minimal ist, kann man insbesondere im Sommer jederzeit nachlegen, um das Geruchserlebnis wieder zu intensivieren, ohne dass sich die Akkorde jemals beissen würden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich "Eau de Mandarine Ambrée" auch vortrefflich zum Layern mit andere Hermès-Düften eignet. Ein Spritzer "Bel Ami" oder "Equipage" drüber und man hat einen etwas herberen und männlicheren Einschlag. Anders herum bietet ein Spritzer "Eau de Mandarine Ambrée" bei den Klassikern "Bel Ami" oder "Equipage" ein freundlicheres, sommerlicheres Gesicht. Diese Düfte beissen sich nicht, sondern können sich wunderbar ergänzen, wenn man sie sparsam layert. Insgesamt würde ich bei "Eau de Mandarine Ambrée" nicht von einem Damen- oder Herren-Duft reden wollen, es ist klar von jedem tragbar, weil es durch seine Frucht wie in der Aromatherapie generell unisex ist.

Überhaupt sehe ich "Eau de Mandarine Ambrée" weniger als Duft, sondern als stimmungsaufhellenden Begleiter, der einfach nur Gute Laune verbreitet. Ob im Büro oder in der Freizeit, dieser Duft passt immer und zu jeder Jahreszeit. Er wird auch nicht als störend empfunden, obwohl ich immer wieder baff erstaunte Blicke ernte, weil das Umfeld zunächst mal nach der Frucht Ausschau hält und erst mit der Zeit merkt, dass eben ich so dufte. Liegt vielleicht auch daran, dass die Duftakkorde zwar einerseits sehr intensiv sind, aber dabei immer einen absolut unverfälschten und vor allem natürlichen Charakter innehaben.

Wie gesagt, "Eau de Mandarine Ambrée" ist Gute Laune in Tropfenform, vielleicht nicht unbedingt für jeden ein Must-Have, aber ausführlich getestet sollte man ihn auf jeden Fall mal haben.

Übrigens, die Orange entstand aus der Kreuzung von Mandarine und Pampelmuse. Aber das nur am Rande ...
7 Antworten