Parfums-Jardins

Un Jardin sur le Nil 2005

Stefanu155
30.04.2023 - 13:21 Uhr
19
7
Preis
8
Flakon
7
Sillage
6
Haltbarkeit
8
Duft

Zu schade für mich

Seit geraumer Zeit umgebe ich mich mit einer wachsenden Schar von Duftsklaven und -sklavinnen, an denen ich gnadenlos und in wechselnden Dosierungen Düfte ausprobiere, die mir das Schicksal im Laufe der Zeit in die Hände spielt und spielte. Natürlich sind sich diese bedauernswerten Geschöpfe über ihren eigentlichen Status samt und sonders im Unklaren und bringen ihre jämmerlichen Tage in dem Glauben hin, die von mir verabreichten Düfte tragen zu "dürfen" und schreiben mir als Großzügigkeit und Gönnerhaftigkeit zu, was von meiner Seite her letztlich eiskalte Berechnung ist und ein Bedürfnis nach Empirie darstellt, das zur Not über Leichen geht...
Glücklich führen also diese meine Diener und Dienerinnen Versuchsreihen aus und verkennen ihre Lage als willenlose Spielbälle meiner naso-sophischen, teilweise sogar sado-nasochistischen Launen.
Allein für die dazu nötige Logistik und psychologische Manipulation gebührte mir schon höchste Bewunderung, doch mein ungebrochener Narzissmus ist zum Glück vom Lob der Welt nicht abhängig, sondern nährt sich ganz aus sich selbst. Das aber nur am Rande.
Ich nutze den glücklichen Moment, da meine innere Sonne ihre ganze Strahlkraft entfaltet, um ein paar erhebende Worte zu diesem von mir konsequent nicht getragenen Duft fallen zu lassen. Kann man erhebende Worte fallen lassen? Letztlich unerheblich, vergessen wir das. (Das "Wir" ist natürlich ein pluralis majestatis und die Art und Weise, mit der ich am häufigsten und liebsten Dialoge mit meinem Ego führe!)
Ein Kritikpunkt gleich zu Beginn: Nachdem ich den Duft in unterschiedlichsten Konzentrationen und Mengen meinen Untergebenen appliziert habe, wobei ich gerade bei den weiblichen tendenziell zur Übertreibung und Überschreitung der gesellschaftlich akzeptierten Grenzen neige, kann ich sagen, dass er, wie manches aus dem Hause Ellena, zu kurzlebig ist, als dass man diesen Sachverhalt einfach stillschweigend übergehen könnte. Schon nach dem Ablauf einer Stunde ist eine gewisse Indezenz und Nähe am Subjekt vonnöten, um den Duft noch wahrnehmen zu können. Hautnah hält er lange, aber sehr blass... blass, aber noch immer mit einer Ahnung der sauerfrischen, anfänglichen Freundlichkeit. Doch entfaltet er gerade in seinem Beginn diese schlichte feinherbe, zitrusartige Frische, die mit einer gewissen Raffinesse lediglich kokettiert, indem sie diese mit einer wachsigen Blätternote unterlegt: Hartlaub, bei dem man mit dem Fingernagel in die Oberfläche ritzt...
Mich verleitet das dazu, die mir Untergebenen und mir Hörigen immer wieder damit zu bestäuben, um sie dann in weiteren und engeren Kreisen um mich herum laufen zu lassen. Dadurch versetze ich mich in die Lage, den Duft in allen seinen Facetten auf mich einwirken lassen zu können. Hierbei sind mir starke personale und individuelle Abweichungen bei den einzelnen Lakaien aufgefallen. Da mir auch ursprüngliche Bewohner*innen des Niltales unterstehen, konnte ich es mir nicht verkneifen, den Duft auf seinen Titel hin an diesen zu testen. Dies führte jedoch zu keinen statistisch auffälligen Abweichungen vom Durchschnitt. Die allgemein kühle, erfrischende und frühlingshafte Wirkung erscheint bei allen Versuchspersonen gleichermaßen. Auch die Kombination mit bestimmten Ernährungsweisen (grüne Mango...) konnte dem Duft keine spezifischen Eigenarten entlocken, führte allerdings bei einigen Wenigen zu Verdauungsproblemen... Das ist nicht verwunderlich, denn die zum Einsatz kommenden Mangofrüchte waren in der Tat sehr grün und sauer! Wenn die Personen mich nicht zu schnell, nicht zu nah und mit nur wenig Schweißentwicklung umrunden, wird die deutliche Frische durch sehr angenehme, tatsächlich gartenhafte Bitternoten aufgefangen und abgeschwächt, bekommt dadurch aber den Hauch einer körperhaften Sinnlichkeit, die es mir schwer macht, mich ständig nur bewegungsarm auf meinem Diwan zu fläzen. Natürlich erliege ich nicht der albernen und ungehörigen Verlockung, mir selbst den Duft aufzusprühen und einen Spaziergang in meinen ausgedehnten Gärten zu machen. Ich muss es nicht wiederholen: Ich lasse tragen und ich lasse spazieren, bestenfalls tragen mich irgendwelche Blödmänner auf meiner Sänfte den Subalternen hinterher, damit ich mir meine Notizen machen kann, um den flüchtigen Eindrücken auf den Sandwegen und im Schatten des Laubes mit Worten gerecht zu werden. Gehört natürlich alles mir, das ganze Zeug. Angesichts der momentanen Allgemeinlage und einer zunehmenden Kritik an meiner Lebensführung (was mir hin- und wieder zugetragen wird) wird das auch nicht leichter. Die mir eigene Brillanz und erbliche Genialität werden selbst gelegentlich launisch und zunehmend unzuverlässig... Nun, ich will mich nicht von der Herbheit des schönen Duftes zu bitteren Gedanken verleiten lassen, sondern tauche wieder ganz in den Genuss des unwiederholbaren Augenblicks ein, immer begierig, den Reiz zu erhöhen, denn schon merke ich, wie das Arom in der Fülle der umweltbedingten Dufteinflüsse unterzugehen droht. Also zwinkere ich schelmisch und freundlich-arglos in die bewegte Runde, verteile nochmals nicht wenige Duftproben in dieselbe und harre erwartungsfroh meiner neuerlichen Erhebung.
Ferdinand, Sophie, Alina, kommt doch mal schnell her!
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