Eau de Lavande 1892

Duftsucht
17.05.2019 - 02:10 Uhr
14
Top Rezension
5
Flakon
5
Sillage
6
Haltbarkeit
9
Duft

Duft mit literarischer Unsterblichkeit oder: Vienna in a bottle


Eine der nettesten Parfümerien, die ich kenne, ist in Wien: Am Graben liegt das „Duftg’wölb, wie es auf Wienerisch liebevoll genannt wird. Eines jener Überbleibsel aus k und k Zeiten, deren es in meiner Heimatstadt glücklicherweise noch einige gibt – wenn sie auch in erschreckendem Maß vom Aussterben bedroht sind.
Wer nicht weiß, wo J.B. Filz zu finden ist, wird mit ziemlicher Sicherheit daran vorbeilaufen, denn trotz der noblen Lage am Wiener „Graben“, ist der Eingang sehr dezent: Eine alte Glastüre, links und rechts davon ca. 20 cm „Auslage“. Und genau so schmal geht es in dem Geschäft weiter. Rechts parallel zur Wand und bis in die Tiefe des G’wölbs die „Budel“ der Verkäuferinnen, links gerade so viel Platz, dass ein Kunde neben dem anderen stehen kann. Aneinander Vorbeigehen ist tatsächlich eine Herausforderung in Sachen Höflichkeit und Rücksichtnahme. Und an den Wänden? Vom Boden bis zur Decke altmodische Holzkästen mit Glasschiebetüren, in denen eng an eng, ohne Rücksicht auf Präsentation ein wundervoller Duft neben dem anderen steht. Beim ersten Besuch ist man fast überfordert von der Überfülle, auf die das Auge trifft. Doch sofort ist kompetente Hilfe zur Stelle, die mit der unnachahmlichen Wiener Mischung aus Höflichkeit und persönlicher Vertrautheit zur Seite steht.
Viele Schätze wären in der liebevollen Auswahl zu heben, aber heute lasse ich all die Nischenparfüms, großen Namen und edlen Wässerchen links liegen, denn mein Blick fällt auf eine schlichte Glasflasche mit dem Namen J.B. Filz.
Wie jetzt, die Parfümerie hat ein eigenes Duftwässerchen mit dem schlichten Namen Eau de Lavande? Die sorgfältig gepflegte Dame hinter dem Tresen erklärt mir freundlich, dass das Lavendelwasser vom Haus erzeugt wird – und dass Heimito von Doderer es in „Die Strudlhofstiege oder Melzer und die Tiefe der Jahre“ erwähnte.

Okay, alles klar, noch bevor auch nur ein Duftmolekül meine Nase trifft, weiß ich, dass Eau de Lavande mich nachhause begleiten wird. Das ist kein Duft, das ist gelebte Geschichte, ein lebendiger Hauch der Vergangenheit und für mich als Germanistin und Historikerin vollkommen unwiderstehlich. Lavendel ist ohnedies eine meiner heimlichen Verschrobenheiten und dank der wundervollen Geschichte verzeihe ich dem Duft sofort, dass er nicht, wie erwartet, ein reines Lavendelwasser ist, sondern auch noch deutlich Rose in sich trägt. Eine frische Rose mit viel Blatt und wenig Schwere und kaum Würze oder Süße. Ein schlichter, genügsamer, charmanter Duft, der als morgendliche Erfrischung genauso passt wie als sanfter Einschlafduft oder als zarter Duft an einem heißen Sommertag in der Hängematte mit Kleid und Strohhut.
Die wunderbare Verkäuferin, die mein Interesse und meine echte Begeisterung über das anachronistische Duftwässerchen mit der literarischen Unsterblichkeit und das herrlich altmodische Ambiente spürt, gerät ins Plaudern und entpuppt sich als die sechste Generation der J.B. Filz-Dynastie, die schon seit 1809 in Sachen Duftwässerchen tätig ist. Ich schnuppere auch noch an dem zweiten Hausduft, dem „Wiener Lieblingswasser/Wiener Lieblingsduft“ und bedaure sehr, dass der Duft mit dem wundervollen Namen „Echt Pariser Damen-Conservations-Wasser“ nicht mehr erzeugt wird. Denn da bin ich mir ganz sicher: Diesem Namen könnte ich ganz sicher nicht widerstehen! Das „Wiener Lieblingswasser“, ein schlichter zitrisch-krautiger Sommererfrischer, wird von mir gleich für den nächsten Besuch vorgemerkt.
Die schlichten Flakons der eigenen Duftwässerchen werden übrigens ohne Umverpackung verkauft – wenn man den Duft verschenken will, kann man aber eine in einer Werkstatt für behinderte Menschen erzeugte hübsche lila Schachtel um 5 Euro dazu erwerben. Auch dieses Konzept passt perfekt zu dem sympathischen Wiener Duftg’wölb und seiner charmanten Eigentümerin.
Erworben habe ich mit Eau de Lavande ein nostalgisches Wässerchen, gewissermaßen eine olfaktorische Manifestation der unnachahmlichen Wiener Mischung aus Moderne und Rückwärtsgewandtheit, Larmoyanz und Optimismus, das Duftsiegel meiner Heimat,-Lieblings,-und Herzensstadt.
Und für mich ganz persönlich ein zarter Schutzschild gegen das Heimweh, das mich mitunter plötzlich und mit aller Heftigkeit überfällt.
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