20.09.2023 - 04:23 Uhr
Intersport
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Detour XV: Eaux de Gloire …
Wer Eau de Gloire Cologne sagt muss auch Eau de Gloire sagen, oder umkehrt, könnte es so im Parfum d'Empire HQ heissen? Aber eins nach dem anderen – Eau de Gloire (2003) war Marc-Antoine Corticchiato's Auftakt mit Parfum d'Empire. Den Duft gab es lange als Eau de Toilette bevor es zusammen mit dem Grossteil des Programms als Eau de Parfum (2014) angeboten wurde; zum 10-jährigen Firmenjubiläum gab es eine als Cologne pour l'Hiver ausgewiesene Jahrgangs-Edition, und jetzt, 2023, zum 20-jährigen eben Eau de Gloire Cologne. Ursprünglich sollte diese Version noch im 'Napoleon Jahr' 2022 erscheinen, passt aber im Jahr drauf auch gut.
Eau de Gloire - einen Unterschied von der Eau de Toilette und der Eau de Parfum Version konnte ich nie ausmachen - ist mitunter die klassischste Arbeit Corticchiato's und zählte dabei nie zu meinen Favoriten, bzw. nur teilweise, fast halbe-halbe, je nach Perspektive: 50% von Eau de Gloire - die erste Hälfte sozusagen - ist ganz nach meinem Gusto, die verbleibenden 50%, also der Ausklang, drydown, usw. weniger bzw. mir etwas zu verstaubt. Der erste Teil besteht aus einem entspannt in Abendsonne strahlenden, mediterranen Gestrüpp-Akkord; zutiefst aromatisch, komplex und vielstimmig, Zitrussprenkel, Immortellen hier mit leichten Anis und Tee-artigen Schattierungen, Lavendel, Rosmarin, Cistrosenextrakt, kräuterlästig, erfrischend wie beruhigend, alles in allem einladend, ein sehr ausgewogener und perfekt verblendeter Macchia Querschnitt. Zum reinlegen. So weit so gut: nur wandelt sich diese Szene mehr und mehr in ein ausgewachsenes Leder-Chypre das an Hermès' Bel Ami (1986) erinnert. An sich nichts Verwerfliches, zählt Bel Ami zu den Hits der 80'er Jahren, vor allem als es noch in dem atemberaubend schönen Braunglas-Cocktail-Shaker samt Bakelit-artigen Verschluss und, farblich passend, gemusterter Kartonage angeboten wurde - eine der stimmigsten Präsentationen dieser Dekade, doch nie so ganz meins.
Zugegeben, diese Dualität passt zu Eau de Gloire, ein Duft der auch Corticchiato's Vater gewidmet sein soll, stellvertretend für alle Korsen (und Korsinnen, wobei hier ursprünglich eher das Eau Suave (2005) angedacht war?!), die im 20. JhD auswandern mussten um soziale Sicherheit anderswo zu finden - eine komplexe Geschichte v.a. nach dem ersten Weltkrieg wurde Korsika, dessen Identität und Ausbau jeglicher Infrastruktur von Paris konsequent vernachlässigt. Die Referenz zu einem Leder-Chypre passt vielleicht zu diesen Generationen, genau wie der Eindruck einer Landschaft, ganz im Sinne des Bonaparte'schen Bon Mots die Insel vom Schiff aus schon weit früher riechen zu können, bevor diese am Horizont erscheint - eine Szene die es sogar in einen Asterix Band geschafft hat.
Hier kommt nun Eau de Gloire Cologne in Spiel und die Kraft der Verdünnung. Nicht dass Eau de Gloire Cologne lediglich eine leichtere Variante von Eau de Gloire ist, nein, ich vermute hier eher eine Rekonstruktion, ein re-engineering, bei dem manche Bestandteile ersetzt bzw. erneuert wurden. Es würde mich auch nicht wundern wenn hier, wie bei den letzten Parfum d'Empire Veröffentlichungen, wieder auf eigens beauftragte Destillate der Familie Acquarone gesetzt wird.
Ähnlich wie der Vorgänger, spielt auch das Cologne mit Dualität: hier eine eigenwillig bittere, durch Myrte leicht aromatisierte Zitrusnote, zeitweise mit orangefarbenen Einschlag: Corticchiato kann ja Zitrisches, augenblicklich kommen Iskander (2006), Yuzu Fou (2008) und Azemour Les Orangers (2011) in den Sinn, oder aktueller, das raffiniert klare Helios di Corsica (2018). Die andere Hälfte des Colognes besteht weitgehend aus einem upgrade des besagten güldenen Macchia Akkords. Dieser wird nun auch von Seiten der Marke explizit als solcher betitelt, und nicht wie davor, noch als Auflistung etwaiger Komponenten. Gewiss, der Parfumeur hat sich über die Jahre zurecht einen Namen als Macchia Experte gemacht, obendrein sind diese karg-üppigen Destination auch mehr und mehr 'en vogue' - bei Parfums wie anderswo. Eau de Gloire ist gerade aber auch spannend, da es viele hausinterne Tendenzen vorgegriffen hat. Auch wenn mein favorisierter Macchia Akkord wohl in dem gar nicht so klingenden Fougère Bengale (2007) versteckt ist, die Sequenz von Eau de Gloire, über Fougère Bengale zu Tabac Tabou (2015) sind Stationen dieser Entwicklung, bevor mit Corsica Furiosa (2014) und allen Veröffentlichungen die in der Héritage Corse Reihe untergekommen sind, darauf weitläufig zurückführen. Wie ein Prisma brach Héritage Corse das mediterrane Licht in ein Spektrum akribischer Studien dieser Terroirs, und das mit vielgestaltigeren Facetten als nur braun-golden.
Eau de Gloire Cologne schliesst hier an, die Bel Ami'schen melancholischen Ausläufer sind jetzt weit gedimmt, aber nicht ganz verschwunden, die hesperidischen Aspekte ziehen sich bis tief in den (kurzen) Verlauf - und es scheint als ob die leichtere Bauweise, welche auch rein formal mit der Cologne Konzentration einhergeht, den Eindruck eines sommerlichen Abends inmitten aromatischen Gestrüpp geradezu intensiviert. Fragt man Parfumeur:innen warum es so schwer ist reale Orte, vor allem die unter freiem Himmel als Düfte abzubilden, hört man immer wieder wie mikroskopsich klein, bzw. gering die Ratios von messbaren Duftmolekülen zu umgebenden Volumina Luft, Raum, Atmosphäre sind. Weniger ist hier quasi mehr. Abgesehen von dem herrlichen Zitrusstart, ist es vielleicht das was Eau de Gloire Cologne auszeichnet, seine Verdünnung, das Verweilen im Angedeuteten, und die neue Interpretation eines geflüsterten Macchia Akkords. Wer mehr Aromatik und 'Parfum' samt Leder-Chypre Verweisen sucht, sollte getrost zum alten Eau de Gloire greifen, die Leichtbau Fassung ist nicht minder spannend, verschieden genug, und in seiner feineren, modernisierten Auflösung obendrein sympathisch. Bonne Anniversaire!
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