04.12.2014 - 14:32 Uhr
Meggi
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39
Wodka auf Um- und Abwegen
Um den Jahreswechsel 1990/1991 war ich auf Chor-Reise in Russland. Die erste Woche waren wir in Familien zu Gast und erlebten dort das Neujahrsfest. Zentrale Erkenntnis - zwar fast ein Vierteljahrhundert alt, ist aber bestimmt unverändert so: Mit Champagner & Co. hält sich ein wahrer, bodenständiger Russe bei diesem Fest nicht groß auf (sonst vermutlich ebenso wenig). Mein Gastvater und sein Bruder, der einen meiner Sanges-Kollegen beherbergte, hatten lange gebunkert, damit ja nicht der Stoff ausgehe. Auf dem Küchenbord harrte mithin eine ganze Buddel-Batterie der Entleerung. Rechnerisch kamen auf jede Person rund zwei Flaschen Wodka, wenn ich mich recht erinnere.
Nun mag man argumentieren, das sei doch bloß ungefähr die Menge, die sich laut zuverlässiger Quelle Boris Jelzin täglich reingezogen hatte. Überdies ließe sich eine damals kolportierte, angeblich echt russische Lebensweisheit heranziehen: Je dreckiger es Dir am nächsten Tag geht, desto besser war der Abend. Nun, mir jedenfalls war reichlich mulmig zumute. Womöglich mag sich zur Senkung der Durchschnittsmenge unsere Angelliese als edle Spenderin des Ambre-Russe-Pröbchens sozusagen rückwirkend zusammen mit ein paar Kumpels dazusetzen? Mit ordentlich ein paar Kumpels.
Es starteten Szenen wie aus einem schlechten Film: Martin und ich nippten möglichst nur und nutzten jede Unaufmerksamkeit der Gastgeber, um uns des übermäßig Ausgeschenkten extern zu entledigen – sprich: ab und zu ein kräftiger Guss in das Glas eines anderen oder in ein anderes Gefäß. Dessen ungeachtet stieg der Pegel angesichts des regelmäßigen kollektiven Zuprostens bedenklich an. Der Abend hätte böse enden können, wenn nicht mein kränkelnder Gastvater gegen zehn oder elf das Handtuch geworfen hätte und wir die Feier vorzeitig beendeten.
Ein, zwei Tage später war er wieder auf dem Damm; nichts Ernstes. Ich war da durchaus besorgt. Er war nämlich im Frühjahr 1986 zu einem Aufräum-Einsatz abkommandiert gewesen. Vom Ort des Geschehens hatte er in typisch sozialistischer Ahnungslosigkeit aus vielleicht hundert Metern Entfernung ein Foto aufgenommen - es zeigte das AKW Tschernobyl. Ich habe es nicht über mich gebracht, dazu was zu sagen.
Eines Neujahrsfestes würdig ist in der Tat der alkoholische Auftakt von AR, Champagner nehme ich nur ansatzweise wahr (wie sich das gehört; s. o.), im Gegenzug ist der Schnaps ziemlich stark. Zum Glück ist er in russischem Tempo entsorgt - wohin auch immer - und es eröffnet zügig der tragbare Teil des Duftes.
Obwohl der Hersteller ausdrücklich von ambre gris spricht, ist ein Amber-Eindruck unleugbar und als Amber-Duft wurde mir das Parfüm im Laden vorgestellt. Ich entscheide salomonisch, dass ich beides wahrnehme, zunächst vom ‚-er‘ definitiv mehr als vom ‚-ra‘. Die Vanille hat das Gewürz ganz gut im Griff – ich kann es kaum spüren. Zimt konnte lediglich meine Kollegin riechen. Das Leder hält sich eher nahe der Haut auf. Säuerlich ist es, aber sehr edel. Es hat wenig gemein mit Birkenteer.
Gleichwohl – trotz der ambratischen Vanille, wahlweise vanilligen Ambra – bleibt stets etwas Luftiges gewahrt, in dem eine ferne Idee von Alkohol mitschwingt. Fein finde ich das und werst-weit entfernt von jedweder Pampigkeit. Bei stärkerer Dosierung tritt neben dem Animalisch-Ambratisch-Ledrigen zugleich das Gewürz deutlicher hervor; der Duft lässt sich dann auch in der Projektion als markant bezeichnen.
Holz. Jep. Der Hersteller spricht von Birken- und Wacholderholz. Na gut. Erraten hätte ich zumindest das mit der Birke nicht, Wacholder geht in Ordnung, kräftiger als beispielsweise Zeder ist es schon. Erst nach rund neun bis zehn Stunden zieht sich der Duft auf die Haut zurück und wird zu einem Schleier von Amber mit einem winzigen Überbleibsel von Vanille und luftigem Holz.
Die Zurückhaltung des Duftes (bei behutsamer Handhabung) ist keine Schwäche, denn er hält in seiner Unaufdringlichkeit lange durch. Außerdem lässt er sich ja auf Wunsch vermittels höherer Dosierung ohne Weiteres verstärken. Kleiner Angostura-Tropfen im Wodka ist die leicht synthetische Anmutung. Der gut informierte Herr aus der nicht minder gut sortierten Parfümerie in Berlin hatte mich diesbezüglich vorgewarnt.
Fazit: Edel und originell, dabei universell tragbar, sobald der russische Neujahrs-Auftakt einmal überstanden ist. Im Hinblick auf die Wunschliste zögere ich. Härtester Liga-Konkurrent derzeit: Ambra Nera von Farmacia SS. Annunziata. Also: Erstmal ‘ne gute Achtzig mit Spielraum nach oben.
Nun mag man argumentieren, das sei doch bloß ungefähr die Menge, die sich laut zuverlässiger Quelle Boris Jelzin täglich reingezogen hatte. Überdies ließe sich eine damals kolportierte, angeblich echt russische Lebensweisheit heranziehen: Je dreckiger es Dir am nächsten Tag geht, desto besser war der Abend. Nun, mir jedenfalls war reichlich mulmig zumute. Womöglich mag sich zur Senkung der Durchschnittsmenge unsere Angelliese als edle Spenderin des Ambre-Russe-Pröbchens sozusagen rückwirkend zusammen mit ein paar Kumpels dazusetzen? Mit ordentlich ein paar Kumpels.
Es starteten Szenen wie aus einem schlechten Film: Martin und ich nippten möglichst nur und nutzten jede Unaufmerksamkeit der Gastgeber, um uns des übermäßig Ausgeschenkten extern zu entledigen – sprich: ab und zu ein kräftiger Guss in das Glas eines anderen oder in ein anderes Gefäß. Dessen ungeachtet stieg der Pegel angesichts des regelmäßigen kollektiven Zuprostens bedenklich an. Der Abend hätte böse enden können, wenn nicht mein kränkelnder Gastvater gegen zehn oder elf das Handtuch geworfen hätte und wir die Feier vorzeitig beendeten.
Ein, zwei Tage später war er wieder auf dem Damm; nichts Ernstes. Ich war da durchaus besorgt. Er war nämlich im Frühjahr 1986 zu einem Aufräum-Einsatz abkommandiert gewesen. Vom Ort des Geschehens hatte er in typisch sozialistischer Ahnungslosigkeit aus vielleicht hundert Metern Entfernung ein Foto aufgenommen - es zeigte das AKW Tschernobyl. Ich habe es nicht über mich gebracht, dazu was zu sagen.
Eines Neujahrsfestes würdig ist in der Tat der alkoholische Auftakt von AR, Champagner nehme ich nur ansatzweise wahr (wie sich das gehört; s. o.), im Gegenzug ist der Schnaps ziemlich stark. Zum Glück ist er in russischem Tempo entsorgt - wohin auch immer - und es eröffnet zügig der tragbare Teil des Duftes.
Obwohl der Hersteller ausdrücklich von ambre gris spricht, ist ein Amber-Eindruck unleugbar und als Amber-Duft wurde mir das Parfüm im Laden vorgestellt. Ich entscheide salomonisch, dass ich beides wahrnehme, zunächst vom ‚-er‘ definitiv mehr als vom ‚-ra‘. Die Vanille hat das Gewürz ganz gut im Griff – ich kann es kaum spüren. Zimt konnte lediglich meine Kollegin riechen. Das Leder hält sich eher nahe der Haut auf. Säuerlich ist es, aber sehr edel. Es hat wenig gemein mit Birkenteer.
Gleichwohl – trotz der ambratischen Vanille, wahlweise vanilligen Ambra – bleibt stets etwas Luftiges gewahrt, in dem eine ferne Idee von Alkohol mitschwingt. Fein finde ich das und werst-weit entfernt von jedweder Pampigkeit. Bei stärkerer Dosierung tritt neben dem Animalisch-Ambratisch-Ledrigen zugleich das Gewürz deutlicher hervor; der Duft lässt sich dann auch in der Projektion als markant bezeichnen.
Holz. Jep. Der Hersteller spricht von Birken- und Wacholderholz. Na gut. Erraten hätte ich zumindest das mit der Birke nicht, Wacholder geht in Ordnung, kräftiger als beispielsweise Zeder ist es schon. Erst nach rund neun bis zehn Stunden zieht sich der Duft auf die Haut zurück und wird zu einem Schleier von Amber mit einem winzigen Überbleibsel von Vanille und luftigem Holz.
Die Zurückhaltung des Duftes (bei behutsamer Handhabung) ist keine Schwäche, denn er hält in seiner Unaufdringlichkeit lange durch. Außerdem lässt er sich ja auf Wunsch vermittels höherer Dosierung ohne Weiteres verstärken. Kleiner Angostura-Tropfen im Wodka ist die leicht synthetische Anmutung. Der gut informierte Herr aus der nicht minder gut sortierten Parfümerie in Berlin hatte mich diesbezüglich vorgewarnt.
Fazit: Edel und originell, dabei universell tragbar, sobald der russische Neujahrs-Auftakt einmal überstanden ist. Im Hinblick auf die Wunschliste zögere ich. Härtester Liga-Konkurrent derzeit: Ambra Nera von Farmacia SS. Annunziata. Also: Erstmal ‘ne gute Achtzig mit Spielraum nach oben.
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