05.02.2022 - 13:16 Uhr
FvSpee
323 Rezensionen
FvSpee
Analyse Top Rezension
39
Zitronat-Oboe
Das parfumistische Werk von Marc-Antoine Corticchiato ist angenehm übersichtlich strukturiert. Er ist (im Alleingang) für die beiden Marken "Parfum d'Empire" und "La Parfumerie Moderne" verantwortlich, beide quasi seine Eigenmarken. Innerhalb dieser Marken ist nie ein anderer Parfumeur tätig geworden, und außerhalb der Marken hat der korsisch-marokkoanische Meister nur zwei, drei Düfte ins Leben gerufen.
Freunden minimalistischer Aufgeräumtheit und heiter-apollinischer Gefüge geht das Herz weiter auf, wenn der Blick darauf fällt, dass beide Marken, Parfum d'Empire und La Parfumerie Moderne, durch schlichte Einheitsflakons und ruhiges Etikettendesign imponieren. Und, dass alle Eigennamen der Parfums beider Marken angenehm unverschroben sind. Sie bestehen jeweils aus ein bis drei wohlgesetzten, klassischen Worten wie 'Années Folles', 'Fougère Bengale' oder 'Le Cri' und enthalten keine wirren Buchstaben-Zahlen-Kombinationen oder Wortkettenungetümen à la 'Sexy Messy Just Rolled out of the Bed'.
Ich besitze zwei Düfte dieses (übrigens ziemlich attraktiven, soweit ich berufen bin, hier Urteile abzugeben) Parfumeurs, nämlich 'Belles Rives' (von LPM) und das preisgekrönte 'Azemour les Orangers' (von PdE). Weitere, wie 'Musc Tonkin' finde ich hochspannend, und ich kenne nicht mal alle Werke des Autors, was dafür spricht, dass mir seine charakteristische Handschrift zusagt.
'Iskander' wird auf der Internetseite des Herstellers als "Zitruschypre an der Grenze zwischen West und Ost" tituliert, womit dann auch der Name des Duftes erklärt sein dürfte. Denn der Duft wird wohl eher nicht nach der russischen Mittelstreckenrakete Iskander benannt sein, die von der Kaliningrader Oblast auf Westeuropa gerichtet ist, sondern ganz klassisch nach dem Helden des Altertums, der wir kein anderer als Grenzgänger zwischen und als (kriegerischer) Verschmelzer von Ost und West gilt, nämlich eben Iskander, der kein anderer ist als Alexander (der Große von Makedonien), dessen Name im Arabischen und anderen Sprachen des Ostens so lautet: Alexandria in Ägypten ist al-Iskandariyya, und Alexander/Iskander war zur Zeit der Kreuzzüge gemeinsamer Held der muslimischen und der christlichen Ritter.
Was das spezifisch ost-westliche an diesem Duft ist, mögen andere erklären, aber er gefällt mir sehr gut. Man kann, um eine erste Idee davon zu gewinnen, als komplex, aber dennoch vollkommen ausgewogen, zum echten klassischen Parfum ausgebautes, traditionell zitrisches Cologne begreifen, aber in einer bitter-schweren Richtung.
Iskander beginnt sofort ziemlich wuchtig, fast massig und opulent. Es ist elegant und ausgewogen, aber auch ein bisschen dumpf-abgründig, kühl, aber paradoxerweise zugleich schwül, und der Kopf sagt zwar, dass die bitterherben Akkorde zitrischer Art sind, das Herz meint aber so etwas wie schwere Blumenbuketts zu ahnen.
Im weiteren Verlauf wird Iskander grüner und krautiger und zugleich heiterer (es klart auf), ohne dass sich der satt-feuchte Gesamteindruck veränderte, und ohne dass die dominierende bittere Zitrik verschwände. Mit den Vorkommentatoren wie Mörderbiene und NikEy stimme ich überein, dass in dieser Phase auch eine markante (angenehme) salzige Note zu verspüren ist, welche sich aus der Duftpyramide nicht zwanglos erklären lässt.
Auch im Drydown des Duftes bleibt die unverwüstliche (jetzt dunkel-kristalline) Zitrik präsent, die nun glühwürmchenhaft von allerlei drolligen Duftassoziationen (bei mir Vanille und süße Tabakvarietäten) umspielt wird. Die Basis enthält Tonkin-Moschus, offenbar eine präferierte Zutat Corticchiatos, nach der auch ein Duft von ihm benannt ist.
Für mich besteht eine frappante Verwandtschaft des hier rezensierten sehr schönen Duftes zu einem anderen (für mich vollkommen schönen) Werk Corticchiatos, nämlich zu Azemour les Orangers. Beide haben die herbbitere Zitrik mit unverkennbar salzigem und krautigem Einschlag gemein, denen eine unorthodoxe, künstlerisch ziemlich gewagte, aber vollkommen zwanglos passende Basis untergezogen ist; bei Iskander sind keine Blumen angegeben, man meint aber welche zu spüren; bei Azemour ist reichlich Floralität deklariert, man verspürt sie aber kaum.
Iskander kommt mir ein wenig wie der - noch mit Erde und unreinem Gestein verbundene - Rohdiamant vor, aus dem der Autor fünf Jahre später den perfekt glänzenden und leuchtenden Brillant Azemour les Orangers schliff, oder wie eine Oboen- oder Kontrabassvariation in Moll, wenn das hellere Azemour ein Klavier- oder Hornkonzert in strahlendem H-Dur auf dasselbe Thema ist.
Sowohl das zuletzt vor fast sieben Jahren hier rezensierte Parfüm, als auch der Parfümeur dahinter seien zur näheren Beschäftigung herzlich anempfohlen!
Freunden minimalistischer Aufgeräumtheit und heiter-apollinischer Gefüge geht das Herz weiter auf, wenn der Blick darauf fällt, dass beide Marken, Parfum d'Empire und La Parfumerie Moderne, durch schlichte Einheitsflakons und ruhiges Etikettendesign imponieren. Und, dass alle Eigennamen der Parfums beider Marken angenehm unverschroben sind. Sie bestehen jeweils aus ein bis drei wohlgesetzten, klassischen Worten wie 'Années Folles', 'Fougère Bengale' oder 'Le Cri' und enthalten keine wirren Buchstaben-Zahlen-Kombinationen oder Wortkettenungetümen à la 'Sexy Messy Just Rolled out of the Bed'.
Ich besitze zwei Düfte dieses (übrigens ziemlich attraktiven, soweit ich berufen bin, hier Urteile abzugeben) Parfumeurs, nämlich 'Belles Rives' (von LPM) und das preisgekrönte 'Azemour les Orangers' (von PdE). Weitere, wie 'Musc Tonkin' finde ich hochspannend, und ich kenne nicht mal alle Werke des Autors, was dafür spricht, dass mir seine charakteristische Handschrift zusagt.
'Iskander' wird auf der Internetseite des Herstellers als "Zitruschypre an der Grenze zwischen West und Ost" tituliert, womit dann auch der Name des Duftes erklärt sein dürfte. Denn der Duft wird wohl eher nicht nach der russischen Mittelstreckenrakete Iskander benannt sein, die von der Kaliningrader Oblast auf Westeuropa gerichtet ist, sondern ganz klassisch nach dem Helden des Altertums, der wir kein anderer als Grenzgänger zwischen und als (kriegerischer) Verschmelzer von Ost und West gilt, nämlich eben Iskander, der kein anderer ist als Alexander (der Große von Makedonien), dessen Name im Arabischen und anderen Sprachen des Ostens so lautet: Alexandria in Ägypten ist al-Iskandariyya, und Alexander/Iskander war zur Zeit der Kreuzzüge gemeinsamer Held der muslimischen und der christlichen Ritter.
Was das spezifisch ost-westliche an diesem Duft ist, mögen andere erklären, aber er gefällt mir sehr gut. Man kann, um eine erste Idee davon zu gewinnen, als komplex, aber dennoch vollkommen ausgewogen, zum echten klassischen Parfum ausgebautes, traditionell zitrisches Cologne begreifen, aber in einer bitter-schweren Richtung.
Iskander beginnt sofort ziemlich wuchtig, fast massig und opulent. Es ist elegant und ausgewogen, aber auch ein bisschen dumpf-abgründig, kühl, aber paradoxerweise zugleich schwül, und der Kopf sagt zwar, dass die bitterherben Akkorde zitrischer Art sind, das Herz meint aber so etwas wie schwere Blumenbuketts zu ahnen.
Im weiteren Verlauf wird Iskander grüner und krautiger und zugleich heiterer (es klart auf), ohne dass sich der satt-feuchte Gesamteindruck veränderte, und ohne dass die dominierende bittere Zitrik verschwände. Mit den Vorkommentatoren wie Mörderbiene und NikEy stimme ich überein, dass in dieser Phase auch eine markante (angenehme) salzige Note zu verspüren ist, welche sich aus der Duftpyramide nicht zwanglos erklären lässt.
Auch im Drydown des Duftes bleibt die unverwüstliche (jetzt dunkel-kristalline) Zitrik präsent, die nun glühwürmchenhaft von allerlei drolligen Duftassoziationen (bei mir Vanille und süße Tabakvarietäten) umspielt wird. Die Basis enthält Tonkin-Moschus, offenbar eine präferierte Zutat Corticchiatos, nach der auch ein Duft von ihm benannt ist.
Für mich besteht eine frappante Verwandtschaft des hier rezensierten sehr schönen Duftes zu einem anderen (für mich vollkommen schönen) Werk Corticchiatos, nämlich zu Azemour les Orangers. Beide haben die herbbitere Zitrik mit unverkennbar salzigem und krautigem Einschlag gemein, denen eine unorthodoxe, künstlerisch ziemlich gewagte, aber vollkommen zwanglos passende Basis untergezogen ist; bei Iskander sind keine Blumen angegeben, man meint aber welche zu spüren; bei Azemour ist reichlich Floralität deklariert, man verspürt sie aber kaum.
Iskander kommt mir ein wenig wie der - noch mit Erde und unreinem Gestein verbundene - Rohdiamant vor, aus dem der Autor fünf Jahre später den perfekt glänzenden und leuchtenden Brillant Azemour les Orangers schliff, oder wie eine Oboen- oder Kontrabassvariation in Moll, wenn das hellere Azemour ein Klavier- oder Hornkonzert in strahlendem H-Dur auf dasselbe Thema ist.
Sowohl das zuletzt vor fast sieben Jahren hier rezensierte Parfüm, als auch der Parfümeur dahinter seien zur näheren Beschäftigung herzlich anempfohlen!
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