SebastianM
01.04.2021 - 06:01 Uhr
12
Top Rezension
6
Sillage
7
Haltbarkeit
8.5
Duft

Eine Freundschaft in Briefen

Das wird keine sehr differenzierte Rezension, eher eine kleine Bildgeschichte. Aber ich muss hier unbedingt eine Lanze brechen für diesen so unterschätzten Duft! Dieses Parfum ist für mich ein sehr überzeugender Orangenblüten-Leder-Duft. Das Leder ist leicht rauchig, wie es sich gebührt für einen Duft, der nach George Sand heißt. Dazu kommt eine leichte Staubigkeit und Süße. Ich assoziiere ein Arbeitszimmer in Zentralfrankreich, dessen offenes Fenster auf einen Garten hinausgeht. Man sieht den Staub in der Luft tanzen, durch das Fenster zieht ein Hauch süßen Blütenduftes und vermischt sich mit dem Geruch der alten Bücher und des Mobiliars. Man trinkt erstmal einen Kaffee, öffnet die Tabakschatulle, dann geht man an die Arbeit. Danach erholt man sich auf dem Diwan, Perubalsam und Myrrhe ergeben ein weiterhin ganz leicht süßes, weiches und holziges Ende. Man entspannt sich und geht in Gedanken noch einmal den eben geschriebenen Brief an Flaubert durch.

Der Gesamteindruck erinnert ein wenig an "L'Eau Scandaleuse", ebenfalls ein Neroli-Leder-Duft. Letzterer ist noch raffinierter, die Zutaten sind von höherer Qualität, der Duft ist dunkler und dichter. Aber auch "George" braucht sich in puncto Qualität nicht zu verstecken und ist erheblich billiger. Ich sehe keinen Grund, beide zu besitzen. Als Alltagsduft ist er wegen der Abwesenheit von Animalik auf jeden Fall tauglicher. Die Haltbarkeit finde ich genau richtig für einen Arbeitstag, die Sillage nach kräftigem Beginn angenehm zurückhaltend.
7 Antworten
MaKrMaKr vor 4 Jahren
Die Bildergeschichte passt sehr gut. Eine Ähnlichkeit zu L'Eau Scandaleuse hat sich mir glücklicherweise nicht aufgedrängt, der hat mich in die Flucht geschlagen :)
KovexKovex vor 4 Jahren
Diese Marke läuft leider etwas unter dem Radar. Schön, dass Du ihn mal ein bisschen ans Licht geholt hast :)
NikEyNikEy vor 4 Jahren
Klang für mich super am Anfang. Bis zum LEau Scandaleuse Vergleich. Das war für mich einer der schlimmsten Düfte...
Melisse2Melisse2 vor 4 Jahren
1
In dem Arbeitszimmer in Zentralfrankreich wäre ich auch gerne. Jedenfalls werde ich mir gleich mal L'Eau Scandaleuse angucken.
TtfortwoTtfortwo vor 4 Jahren
Mmmmm, ich sehe (und rieche) es vor mir und wäre jetzt unheimlich gerne dort. Der Steinfußboden unter meinen Füßen ist noch recht kalt (es ist noch nicht lange her, da trieb der Wind draußen noch Schnee vor sich her), aber durchs geöffnete Fenster strömt Frühsommerluft in den Raum. Die Familie unserer französischen Freunde bewohnt seit Generationen ein Bauernhaus gegenüber des Ortes Les Mées, umgeben von Ölbäumen und mit Blick auf die Durance und die Felsformationen gegenüber.
TtfortwoTtfortwo vor 4 Jahren
1
In einigen Kübeln stehen vor den Fenstern ein paar vernachlässigte Zitronenbäumchen, verknorrt, verkahlt, aber Jahr für Jahr blühen und fruchten sie unverdrossen. Im Herbst werden sie in eine riesige Scheune geschoben, in die fast kein Licht dringt, da verlieren sie ebenso zuverlässig alle Blätter, wie sie sie im Frühjahr wieder treiben. Die Heizkosten für das alte Haus sind enorm und alle Jahre wieder berät der Familienrat darüber, den steinernen Kasten endlich zu verkaufen,
TtfortwoTtfortwo vor 4 Jahren
aber keiner bringt es übers Herz, für „Ja“ zu stimmen.