Encre Noire 2006 Eau de Toilette

Federduft
30.10.2020 - 13:16 Uhr
13
Top Rezension
8
Flakon
8
Haltbarkeit
9
Duft

°°°°° Federnlesen° Encre Noir Eau de Toilette

Kühl und trüb ist es heute. Ein noch unentschlossener Oktobermorgen der, wenn der Dunst sich zu Hochnebel verpuppt, so bleiben sich aber auch in einen dieser leuchtenden Spätherbsttage entfalten kann.
Die meisten Sträucher und Bäume haben sich ihrer kupfer-und bernsteinfarbenen Tracht bereits entledigt und das schäbige Laub bedeckt die Wiese mit einem braungesprekelten Flickenteppich.
Aus dem Fenster meiner (Hexen-)Küche im Tiefpaterre habe ich einen wunderbaren Blick aus der Maulwurfsperspektive in unseren Garten.
Ich trage Encre Noir und beobachte die klugen Schwarzen (Corvus corone) und Schwarzweißen (Pica pica) beim Verstecken und Verzehren einer Ration Erdnüße. Vor noch zu wenigen Jahren beschloß ich diese Vögeln nicht mehr als bloße Nesträuber und Störenfriede, sondern sie wie auch die anderen Singvögel in unserem Garten zu behandeln.
Sie werden nicht mehr vertrieben, können sich an den Futterstellen bedienen und sich an Zwetschgen und Äpfeln gütlich tun. Es gibt Nüsse für sie, überzählige (oder gar extra) gekochte Eier und gelegentlich auch mal einen Hühnerkragen und -bürzel.
Meine Betrachtungsweise hat sich verändert und ich habe dafür wunderschöne, faszinierende Geschöpfe entdeckt. „Jetzt erzählt die schon wieder was von ihren Vögeln, na, wenn die nicht eine Meise hat“ wird mancher, durchaus nicht unberechtigt, denken.
Ich trage Encre Noir:
Die Duftnoten sind monothematisch.
Zypresse, Vetiver, Cashmeran.
Rauchig, dunkel, schwarz.
Das Gefieder einer Rabenkrähe ist monochrom.
Ohne erkennbare Zeichnung, selbst vom geneigteren Betrachter bestenfalls als biederer Frack tituliert.
Trist, dunkel, schwarz.
Schenkt man den so finster anmutenden Gesellen nur ein wenig mehr als beiläufige Aufmerksamkeit kann dies überaus erhellend wirken.
Ein unverhoffter Sonnenstrahl läßt das eben noch stumpfe Federkleid, mit Akzenten in tiefem Violett und glänzendem Grüngold, im Blau des Damasznerstahls changieren .
Schwarzmalerei in den schillernsten Farben. °°
Ich trage Encre Noir.
Es ist illuminierend in welche Spektren Vetiver gebrochen wird.
Bergamotte flammt auf, krautig-grüne, noch taufeuchte Zitronenmonarde.
Flirrender Rauch verholzter Salbeistängel, achtlos auf das loderne Gartenfeuer geworfen.
Die resinoide Klebrigkeit einer frisch zwischen den Fingern zerriebenen Wacholderbeere und die weiche Würze gut getrockneten Lärchenholzes. Jenes Tabakaroma welches dem Schnupftuch meines Großvaters anhaftete. Ein Glanzlicht bitteren Kakaos wahrgenommen in manchem Patchouli.
Die Kühle langer Schatten an einem sonnigen Spätherbsttag.
Ein Schimmer Graphit beim Anspitzen eines guten Bleistifts und das spröde Vanillin eines jahrzehnte alten Buches. °°°
All diese Refraktionen streut dieses Parfum und breitet sich wie irisierende schwarze Schwingen vor mir aus.
Das Eau de Toilette wurde auf meiner Haut, meinem leidgeprüften Lieblingssweater und stilecht auf einer Krähenfeder (selbstverständlich eine Mauserfeder eines freilebenen Vogels) getestet. Auf meiner Haut war die Entwicklung des Duftes am schnell-und kurzlebigsten, wobei die rauchigen Töne die tragenden waren. Auf Stoff war die Haltbarkeit deutlich besser und die erdigen, patchouliverwandten Komponenten dominierten. Auf der Feder brillierten die Zitrus-und Harzreflexe, der Verlauf war insgesamt moderater und ausdauernder. Kein hakenschlagender Verlauf der Entwicklung, mehr
das gleichmäßige Auf und Ab großer Flügel. Faszinierend finde ich wie schillernd er trotz der nach Lesart dunklen Basis wirkt. Encre Noir ist ein Duft der, genau wie Krähenvögel, polarisert. Die Schönheit liegt, wie immer, im Auge (bzw. in der Nase) des Betrachters.
Zur Geschlechtszuordnung: Auch Rabendamen tragen Schwarz!
° ein Buch von Johanna Romberg
°° entlehnt von Helmut Peters
°°° hier spricht wohl die Chimäre des Cashmeran zu mir
°°°°°Kommentar ohne aussagekräftige, zu einer Test-oder Kaufentscheidung führenden, Duftbeschreibung
4 Antworten