Encre Noire 2006 Eau de Toilette

Primel
08.06.2022 - 14:17 Uhr
25
Top Rezension
10
Preis
10
Flakon
7
Sillage
9
Haltbarkeit
10
Duft

Kein Duft für den Sensenmann

Dieses Eau de Toilette ist offenbar eine ideale Projektionsfläche für die verschiedensten Empfindungen: beispielsweise dufte es « böse“, „nach Tod“, „kalt“, „wie ein Nadelwald“ und so weiter und so fort. Mir fällt zu diesem Duft spontan ein Gedicht von Ludwig Uhland ein, welches ich sehr mag:

Frühlingsruhe

O legt mich nicht ins dunkle Grab
Nicht unter die grüne Erd hinab
Will ich begraben sein,
lieg‘ ich ins tiefe Gras hinein
In Gras und Blumen lieg‘ ich gern
wenn eine Flöte tönt von fern
und wenn hoch obenhin
die hellen Frühlingswolken ziehn

EN ist kein Duft für Unbeschwerte, die wie bunte Schmetterlinge von Blüte zu Blüte flattern und das Leben mit all seinen Annehmlichkeiten auskosten wollen. EN strahlt eine ruhige Ernsthaftigkeit aus, ich empfinde ihn aber keinesfalls als „böse“. Seine Emotionslosigkeit wird als Kälte interpretiert, passt aber vortrefflich zu zentrierten und zielstrebigen Menschen, welche sich auf das Wesentliche konzentrieren wollen, wobei dieses in weltlichen Vergnügungen schlussendlich nicht zu finden ist. Nicht nach Tannenwald, vor allem nach Thuja und auch leicht nach Zedern duftend erinnert mich EN ein wenig an „Féminité du Bois“ von Serge Lutens, wenn auch ganz entfernt. Dunkelgrün, würzig, erdig und zugleich frisch verkörpert EN einen irgendwie „ästhetischen Tod“. Leiden und Qual, Geruch nach Krankheit, Verfall und Verwesung, ja sogar die Trauer sind vorbei. Nun beginnt die Ewigkeit und tiefer Frieden. Nicht zuletzt verkörpern die immergrünen Friedhofsbäume die Hoffnung auf ewiges Leben. Das vermeintlich „Böse“ rührt vermutlich vom giftigen Duft der Thuja her, aber ansonsten tödliche Gifte bergen auch die Chance auf Heilung. Thuja ist entzündungshemmend bei Rheuma, Eibe (ein weiterer Immergrüner) wird oftmals bei Krebserkrankungen eingesetzt.

EN ist für mich kein typischer Männerduft, sondern ausdrücklich von allen Geschlechtern tragbar, fehlt diesem doch aggressive Männlichkeit als auch zarte Weiblichkeit (oder auch umgekehrt, um nicht in irgendwelche Klischees zu verfallen ;)

Fazit: Ein Duft der „über den Dingen steht“ und einfach unglaublich cool ist!
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