Imagination 2021

Aglianico
09.06.2021 - 14:25 Uhr
15
Top Rezension
7
Preis
10
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft

Cavallier!

Magst du Tee?

Der Sommer durchströmt das Land, die Farben der Landkarte werden weniger intensiv, nordische Sommerdürre, weiß-hellgelbe Hoffnung, mit Hitze verschmolzen. In den Büros die Herren mit Schweißflecken unter den Achseln. Vielleicht ist‘s ja auch klimatisiert. Dann nach der Arbeit die Hitzewand.

Für diese Zeit, für diese Stunden eignet sich Imagination besonders gut. Fantasie, Einbildungskraft. Die Vorstellung von etwas Schön(er)em. Die Frische der imaginierten Hoffnungserfüllung.

Jacques Cavallier-Belletrud fährt weiter im Zug der anspruchsvollen Gefälligkeit. Jener Gefälligkeit, die nach der Entblindung einer Blindverkostung/-vernasung als „Mainstream“ und „dafür deutlich zu teuer“ tituliert und bewertet wird.

LV fährt ein klares Programm. Aufbau eines Duftportfolios mit hinreichender Trennschärfe und Abdeckung wichtiger Bereiche/Genres. Welche Referenzen (nicht mit Duftzwillingen zu verwechseln!) Pate standen, lässt sich vielleicht nicht 100%-ig zuordnen, aber ich könnte mir etwas vorstellen wie: Orage – Terre d‘Hermès, Afternoon Swim – Mandarino di Amalfi, Ombre Nomade – „yet another Oud“ usw. Und nun Imagination. Für mich primär ein Teeduft. Nicht ähnlich wie, aber im Kielwasser von Gucci p. H. II. Vielleicht ist jener im Verhältnis noch weniger süße Duft ja besagte Referenz.

In den ersten Minuten nehme ich die leicht staubige, aromatische, geglättete Zimtigkeit am meisten wahr, dann wird sie leiser, was ich gut finde. Im Auftakt reichen sich Hesperiden aus dem Labor und vielleicht der Natur die Hände, erfrischen, gefallen, ohne das gewohnte Terrain zu verlassen. Und überall Tee. Nishane-Tee rieche ich nicht. Entfernt ein bisschen Assam of India (Berdoues), aber nur ein bisschen. Für mich bisher der beste (Schwarz-)Teeduft, auch wenn ich mich in diesem Genre nicht so auskenne.

Gegenüber dem Afternoon Swim (der keineswegs ähnlich riecht und den ich freilich sehr mag) hat Imagination den Vorteil, mehr Allrounder zu sein, weniger reiner Schönejahreszeitduft. Gegenüber dem Meteoriten aus demselben Hause ertrinkt der Imagination nicht in einem seifig-sauberem Moschusbad. Seriös, aber mainstreamig, ja. Gefällig, frisch, understat-ig, rund, nicht mehr grün hinter den Ohren, aber ohne Alterswildwuchs in der Muschel. Fürs Büro, für einfach so, fürs Gutriechen, nicht unbedingt fürs Herz.

Die Haltbarkeit finde ich erstaunlich gut. Heute: 28 Grad Innentemperatur, sechs Stunden: immer noch wahrnehmbar. Sillage: dezent bis durchschnittlich, sagen zumindest andere. Abzüge gibt es dufttechnisch für die anfänglich mir zu dominante, wenngleich immer noch hintergründige Zimtigkeit. Ansonsten genau das, was ich mir erhofft hatte: einer für den Alltag, der mir gut gefällt und unkompliziert ist. Der Sommer wird in den Herbst hineinreichen.
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