Replica - Lipstick On 2015

Valrahmeh
03.10.2018 - 18:48 Uhr
28
Top Rezension
10
Flakon
5
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft

Nix ist mit Lippenstift

Ich liebe altes Zeug. Alte Bücher, alte Möbel, Handschriften, Hüte, Handschuhe und Fächer aus der Belle Epoque bis in die 50er Jahre. Bei alten Parfums bevorzuge ich allerdings nur die Original-Verpackung, denn ich hasse es, wenn mir ein öliger Tropfen umgekipptes Parfum auf die Finger tropft. Kürzlich fiel mir eine perfekt erhaltene, noch ungeöffnete Flasche Gin Fizz mitsamt Verpackung von 1960 auf dem Antiquitätenmarkt von Nizza in die Hände. Beim bloßen Betrachten der hellgelben Luftballons und der lustig verschnörkelten Schrift auf dem weißen Karton wehte mir die ganze duftige Leichtigkeit dieser Epoche entgegen, die ich nur aus Filmen kenne. Die junge Brigitte Bardot im bauschigen Sommerkleid in St Tropez, Grace Kelly im Mercedes Sportwagen auf der Grande Corniche, sie trägt ein rosa Top mit weißem Muster - oder Cécile, die junge, bösartige Hauptfigur aus "Bonjour Tristesse".
Doch zurück in die Neuzeit: Nach dem Urlaub fiel mir im Büro ausnahmslos alles, aber wirklich alles, sowas von auf die Nerven, ich brauchte Leichtigkeit, gute Laune und eine Belohnung - und bestellte mir kurzerhand blind in der Mittagspause im Internet "Lipstick on" von Margiela.
Der originelle Aufdruck "Chicago 1952" auf der Flasche hatte es mir angetan. Noch dazu "Replica"! Würde mir "Lipstick on" den Duft aus der Zeit der blonden Hitchcock-Heldinnen wiederbringen? Marnie? Oder Eve Kendall?

Ach je, nichts davon. "Lipstick" on eröffnet mit einer holzigen Rose, nicht übel, nicht zu süß, durchaus angenehm. Wie bei Guerlains "Kleinem Schwarzen", kommt bald nach der Rose aber dann ein sirupartiger Kirschlikör herausgekrochen, der sogar etwas mandelig-gourmandiges an sich hat.
Margiela, so geht das nicht!
Neiiiiin, schreit es in mir, genau das wollte ich nicht. Ich wollte kein pseudomodisches petite-robe-noir-Gedöns im Retro-Design, ich wollte einen alten, von mir aus auch klebrigen 50-er Jahre Kitsch-Duft. So eine Mischung aus Nierentisch, Tütenlampe und Marilyn Monroe mit pappig-roten Lippen in "Niagara". Und was mixt Margiela mir zusammen? Ein modernes Rosen-Kirschwasser.
Die Gegenprobe habe ich mit Lipstick Rose von Ralf Schwieger (Malle) gemacht. DAS ist ein klebriger, authentischer Lippenstift-Geruch! Darin sind Veilchen, Himbeere, weißer Moschus. Und er hält wie Pattex auf der Haut. Man kann ihn nach mehrmaligem Benutzen zwar nur noch schwer ertragen, aber Lipstick Rose ist ohne Zweifel ein gelungenes chemisches Experiment. Vor allem die Wachs-Note ist perfekt.
Nein, "Lipstick on" ist hingegen kein Parfum zum Träumen, mit dem man auf Zeitreise zu den schicken Blondinen der 50er gehen kann. Es ist modern und in der Gegenwart verankert. Wer einen ordentlichen Duft mit Rosen, Holz und Kirsch möchte, ist gut bedient, es ist absolut kein schlechtes Parfum. Aber weder mit 1952 noch mit "Lipstick" hat es irgendwas zu tun.
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