Memoire de Daisen-in 2019

Valrahmeh
02.04.2021 - 12:48 Uhr
19
Top Rezension
2
Preis
2
Flakon
9
Sillage
10
Haltbarkeit
5
Duft

Der Tempel in der Flasche

Offensichtlich sollen die Düfte von Ella K Fernweh auslösen. Das ist in Corona-Zeiten ganz besonders fies, denn wer säße nicht gerne in der Ha Long Bucht beim Aperitif oder lauschte dem Schrei der Kalahari, was immer das ist. Ich war da nämlich mal, zumindest in der „miserable half“, also da, wo es trocken ist. Da schrie gar nichts, höchstens ein paar Nörgler in der Reisegruppe nach Wasser. Und vom Duft her würde ich auf Staub mit Sand tippen. Keine Ahnung, was Ella K alias Sonia Constant da gerochen hat. Vermutlich gar nichts, denn ihre Werbefachleute dürften sich diesen prätentiösen Kram vor dem Bildschirm ausgedacht haben. Aber hier geht’s ja um die Erinnerung an Daisen-In, also an einen wunderbar poetischen Tempel bei Kyoto. Der nach zarten Rosen duftet, so die Idee. Wenn man sich zehn Flaschen davon kaufte, hätte man immerhin schon den Gegenwert eines Tickets nach Kyoto, was bedeutend spannender wäre als Ellas teures Rosenwässerchen. Die Flasche sieht aus wie aus dem Drogeriemarkt, da hilft auch der schwere Verschluss nichts mehr. Parfümverschlüsse, die vom Gewicht her an merowingische Sargdeckel erinnern (Heeley, Different Company, etc) dürften allmählich doch out sein...
Und was ist drin? Der Duft ist eine zarte Rose, überall tragbar, durchaus frisch, sogar leicht bitter, was mich für den Duft einnimmt. Er schwebt angenehm im Raum, ist charmant und leichtfüßig. Kurz vor Gesichtswasser. Für Sommerkleider und Kostüme gleichermaßen geeignet, definitiv nicht für Jogginganzüge. Aber Daisen In hat nichts, was ihn von 100 anderen leichten Rosendüften unterschiede. Natürlich hält er lange, verändert sich nicht ins ranzig-blumige oder versackt auf der Haut seiner Trägerin. Nein, die Rose bleibt eine Rose bleibt eine Rose. Das hat seinen Preis für ein frisches, elegantes Rosenwasser ohne Alleinstellungsmerkmal. Dennoch: man kann damit nichts falsch machen, weder im Restaurant noch bei der Abendgesellschaft, noch bei Omas 80. Geburtstag noch bei seiner eigenen oder einer fremden Hochzeit. Man kann den Duft mit 18 und mit 80 tragen - und man kann sich damit zuschütten wie man will, er bleibt immer gleich zart. Vielleicht ist das sein Geheimnis: ein eingebauter Wumms-Reduzierer. Dieses Rezept könnte Ella/Sonia mal verraten. Es wäre ein Geschenk an geplagte Nasen, die an Angel, Samsara, Alien oder Amarige zugrunde gehen.
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