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Sehr hilfreiche Rezension
Ebenezers Marionettentheater
Irgendwo im Nirgendwo steht eine verfallene Villa im Wald. Vergessen, verwittert und schaurig. Gut getarnt, da vollkommen mit Efeu überwuchert und Brombeerranken umschlungen. Unter der Gaube brütet ein Uhu und im Dachgebälk wohnen Fledermäuse. Das kleine Mausohr (streng geschützt). Pünktlich wenn es dämmert schwärmen sie aus. Aber Uhu´s haben noch nie versucht sich eine davon zu schnappen. Wahrscheinlich gibt es ein stilles Abkommen, ein Nichtangriffspakt sozusagen. Die Villa hat sei Generationen niemand mehr betreten, schon wegen der Gruselgeschichten oder der schaurigen Geräusche die jedes Mal bei Vollmond herausdringen.
Ebenezer, der Besitzer der Villa und seine Frau Bambola -welche aber nie aussah wie eine Babypuppe sondern eher wie Teofania di Adamo für Arme - waren früher fahrende Puppenspieler und tourten mit ihren Marionetten durch Europa. Jetzt liegen beide in der verschütteten Gruft nebenan im verwilderten Garten. Ihre Aufführungen waren bizarr bis makaber, meistens nicht jugendfrei und erschreckten die Kinder. Das ist lange vorbei, aber in der Villa hängen noch alle handgeschnitzten Marionetten von Ebenezer. Auf allem liegt der Staub der Jahrzehnte, der den Geruch alter Puderquasten, Mastix und Schminke aufgesogen hat. Ebenezer hatte es gerade bei den Gesichtern zu einer erstaunlichen Perfektion gebracht. Da baumelt neben Nosferatu Pabst Pius IX, Königin Victoria neben Karl Marx, Casanova neben der Jungfrau von Orleans, Jack the Ripper neben Cleopatra, die Prinzessin auf der Erbse neben Wilhelm Conrad Röntgen (der in einer Aufführung die Erbse unter den 20 Matratzen mit Röntgenstrahlen suchen soll).
Warum komme ich gerade bei dieser Szenerie auf diese Geschichte? Ich hätte ja auch einfach ein Statement schreiben können : Der Duft riecht nach gezuckerter Kondensmilch, überreifen Zitrusfrüchten, schwülstigen, süßen Blumen, in Vanille marinierten Tonkabohnen, massenhaft rosa Theaterpuder und Moschuswolken ohne Ende. Aber so einfach ist das nicht, denn La Stanza ist viel facettenreicher. Außerdem liebe ich geheimnisvolle alte Häuser, die schon seit Jahren leer stehen und von denen ein subtiler Grusel ausgeht. Und genau das ist des Pudels Kern, denn von La Stanza geht eben jener subtile, aber auch irgendwie wohliger Grusel aus. Pabst Pius bannt Nosferatu mit dem Kreuz aus Sandelholz.
Königin Victoria diniert mit Karl-Marx ,der Tee wird mit viel gezuckerter Kondensmilch kredenzt und als Dessert reicht man (schon etwas matschige) Zitrusfrüchte. Casanova entjungfert die Jungfrau von Orleans indem er sie mit Wolken süßlichen Theaterpuders benebelt. Cleopatra vergiftet Jack the Ripper mit Schlangenbissen. Der doch recht dominante Moschusduft kommt nicht vom Moschustier, sondern von den Fledertieren, die im Dachgebälk hausen.
Der Duft an sich gefällt mir recht gut. Allerdings ist er mir einen Ticken zu süß und schrammt haarscharf an einem Gourmand vorbei. Immerhin bekomme ich keinen Jieper auf einen Bratheering wie bei manchen anderen Zuckerwässerchen.
Ein zartes Dingelchen ist er auch nicht, denn La Stanza hat eine ganz beachtliche Sillage und Haltbarkeit.
Vollbusiges Dolce Vita aus bella Italia.
7 Antworten


Danke für die schaurig schöne Geschichte.
Ich mag Fledermäuse ja irgendwie, unter dem Dach unserer Nachbarin wohnen unzählige und ich schaue ihnen gerne beim Ausschwärmen zu. 🦇
Der Duft ist wahrscheinlich nicht meiner, aber dein Kommentar ist herrlich.
Ich glaube beim Duft bin ich raus, der wäre mir sicher zu vollbusig-süß. Aber alte verwunschene Häuser sind reizvoll.