Nezdoux
07.04.2018 - 06:12 Uhr
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Isarflimmern

Als Schüler verbrachten wir unsere Freizeit an der Isar. Wochenends gerne auch über Nacht. Tagsüber hüpften wir nackig ins Wasser, schliefen, tiegerten zum Kiosk auf ein paar Weißbier oder hatten irgend ein wichtiges Thema am Start. Nachts brannte ein Feuer, Grillgut prasselte auf Stöcken oder dem Rost, es gab mehr Bier, Rauchwerk und meist hatte man jemanden, dessen Namen man kannte oder auch nicht, zum Kuscheln am Start. Das Feuer wärmte ja schließlich nur von vorn.

Irgendwann mussten wir auch wieder einmal nach Hause, luden unsere 7 Sachen aufs Radl und pedalten kopfschmerzgeplagt durch die glühend heiße Stadt. Das wohlgeordnete elterliche Heim bot einen widersprüchlichen Kontrast zum wilden Leben unter freiem Himmel. Eng, aber auch sauber mit einem flauschigen Federbett. Jetzt erst mal eine Dusche.

Das war der Moment, wo sich wie aus dem Nichts plötzlich der Odeur der vergangenen Tage deutlich manifestierte. Man hob sich olfaktorisch drastisch von seiner Umgebung ab: das fettige Löss des erkalteten Rauchs, speckig, wie ein ordentlich geräucherter Schinken, Asche im Haar, Kohle im Gesicht, durch und durch durchtränkt von den kräuterigen Rauchschwaden der zu frischen Weidenäste, die wir in den Isarauen für unser Feuer gesammelt hatten. Aber auch die Sonne im Gesicht, die Haare wild, die Erinnerung an das schützende Firmament voll glänzender Sterne über uns, die heißen Küsse in den Schwaden des Rauchs, die ernsthaften Gespräche über die tiefen Themen des Daseins zum philosophisch knisternden Feuer.

Genau so wie dieser Moment, kurz vor dem Aufdrehen der Dusche, riecht Terroni.

Aber will ich so riechen? Absichtlich? Ohne den tagelangen Räucherprozess am Fluss? Jetzt? Fast vier Jahrzehnte später? Zum Blazer im Job? Nein. Zum Outdooroutfit am Berg? Auch nicht. Zum Sonntagsspaziergang entlang der Isar? Niemals! Am Hals eines Mannes, der mit rauher Stimme von vergangenen Tagen erzählt, der Pläne macht für eine Kajaktour den Windungen irgendeines kanadischen Wildflusses entlang? Ja, warum eigentlich nicht?
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