loewenherz
27.06.2015 - 05:10 Uhr
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Top Rezension
7Duft 2.5Haltbarkeit 2.5Sillage 7.5Flakon

Nordwestpassage

Einer der sagenumwobensten Seewege unserer Erde (sofern Seewege heute überhaupt noch sagenumwoben sein können) ist die Nordwestpassage, die nördliche Umfahrung Amerikas. Es handelt sich dabei nicht um eine einzige Route, sondern ein System von Wasserstraßen durch den kanadisch-arktischen Archipel, die Randmeere des Nordpolarmeers und entlang der Nordküste Alaskas. Zahlreiche Seefahrer scheiterten beim Versuch ihrer Befahrung, viele von ihnen gelten bis heute als verschollen, verloren gegangen im grauen Eis des Nordens. Entsprechend galt die Nordwestpassage jahrhundertelang als eine eher theoretische Option, da auch nach ihrer ersten erfolgreichen Querung die Befahrbarkeit schlecht kalkulierbar und überaus gefährlich blieb.

Aus dem Fokus der Menschen jedoch geriet sie nie - verkürzt sie doch die Strecke zwischen Europa und Fernost deutlich - und umgeht sie dabei Nadelöhre wie den Suezkanal und von Piraterie geplagte Gewässer wie das Horn von Afrika oder die Straße von Malakka. In der jüngeren Vergangenheit zeigt sich nun, dass die Nordwestpassage immer länger eisfrei und damit wirtschaftlich nutzbar ist - und den Handel treibenden Völkern des Westens dabei freundlicher erscheint als ihre östliche Entsprechung, die inzwischen ebenfalls befahrbare Nordostpassage entlang der Nordküste Russlands. Ihre Erschließung wird durch den Ausbau ihrer Häfen seitdem deutlich vorangetrieben - und Kanada und die USA streiten sich um die Rechte ihrer Nutzung. Kurz gesagt: die Nordwestpassage erwacht.

Engelwurz und der namengebende Wacholder - die deutlich wahrnehmbaren Kerningredienzen von Penhaligons' Juniper Sling - sind mehr als die meisten anderen bekannten Duftakkorde geeignet, unfrische Kühle und Distanziertheit zu transportieren - und dabei etwas Graues, etwas Gedecktes und Diffuses - allesamt Assoziationen, die zu denen der einleitend beschriebenen Nordwestpassage passen. Hölzer und dunkle Gewürze unterlegen die merkwürdig stumme Kühle mit etwas Kratzigem (das Leben an Deck eines Eisbrechers oder auch eines Handelsschiffes ist kein Ponyhof) und arbeiten die dem Wacholder immanente Bitterkeit heraus - ohne diesem Duft Lautstärke zu verleihen oder Leidenschaft. Es ist etwas Leises in Juniper Sing - gleich dem lautlosen Gleiten eines Schiffes entlang endlos aufgetürmten Eises - nur manchmal unterbrochen von etwas Scharfem (und ja: Störendem), wenn der Bug an einer Scholle entlangschrammt.

Fazit: kein gefälliger Duft und keiner, der spontan für sich einnehmen will oder kann. Es fehlt ihm alles Spielerische, alles Tändelnde - und es fehlt ihm etwas auch an Charme. Es gibt Engelwurz-Wacholder-Düfte, die das Graue und das Nasse schöner interpretieren und ausdrucksvoller - Malles Angeliques Sous La Pluie oder Bois d'Orage fallen mir da ein. Dennoch kein uninteressanter Duft - und in seinem Arrangement durchaus besonders.
5 Antworten
JodieJodie vor 10 Jahren
Hebt sich vom Frische-Duft-Einerlei angenehm ab.
BlauemausBlauemaus vor 10 Jahren
Interessanter Kommi, danke! Bekommst 'nen Pokal dafür!
BlauemausBlauemaus vor 10 Jahren
Interessanter Kommi, danke! Bekommst 'nen Pokal dafür!
DOCBEDOCBE vor 10 Jahren
Wenn man die Kommentare so liest, scheint er ja schon zu polarisieren?! Egal, mit deinem Kommentar hast du mich neugierig gemacht.
DaveGahan101DaveGahan101 vor 10 Jahren
Finde ich auch sehr gefällig...und im Sommer ganz easy zu tragen;-)!