Portraits

The Tragedy of Lord George 2016

Sharka
19.09.2018 - 09:55 Uhr
8
Sehr hilfreiche Rezension
9
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft

In einem englischen Hafen im späten 19. Jahrhundert ...

Nachdem ich die Penhaligon’s-Düfte gerade für mich entdeckt habe, insbesondere die „Portraits“-Reihe, musste ich natürlich auch diesen Herrenduft testen.

Im Proberöhrchen dümpelt eine Flüssigkeit von der Farbe kalt gepressten Olivenöls. Nach dem Auftragen ist ganz kurz etwas Undefinierbares, Alkoholisches wahrnehmbar, das sich aber bereits nach wenigen Sekunden von meiner Haut verabschiedet.

Jetzt wird es spannend: nach einigen Minuten rieche ich Teer und Tauwerk in der beißenden Sonne eines Hafens der viktorianischen Zeit. Vor meinem inneren Auge erscheinen von Meer und Wind gezeichnete Fregatten, die träge an ihren Anlegeplätzen dümpeln. Nur Möwengeschrei, leise knarrende Takelage und gluckerndes Wasser sind vernehmbar. Ansonsten ist es vollkommen still – die für britische Verhältnisse viel zu heiße Sonne hat alle Aktivitäten zum Erliegen gebracht.

Nanu, Lord George, Sie hier? Was der vornehm gekleidete, etwas blasse Kerl mit dem hohen Zylinder hier wohl will? Ein wichtiges Geschäft besiegeln? Gar ein Schiff kaufen oder Waren aus Indien begutachten, die er vor über einem Jahr geordert hat? Er hat ein halb volles Glas dabei, aus dem er immer wieder nervös eine rotgoldene Flüssigkeit nippt. Ts-ts-ts! Das ist aber nicht gerade die feine englische Art, Alkohol to go...

Was immer der sichtlich agitierte Lord vorhat – er muss sich offenkundig erst eine halbe Stunde Mut antrinken, bevor er mitsamt seinem hochprozentigen Getränk zwischen einem Stapel Säcke entschwindet, die dem Geruch von Teer und erhitzten Holzplanken noch eine leichte Pfeffernote hinzufügen. Oder ist es das Aftershave des Lords, das in der Hitze etwas penetranter ausfällt als sonst?

Sehr mysteriös! – und ein interessanter, nicht alltäglicher Duft, den ich mir gut an einem Mann vorstellen kann, der ebenso „sophisticated“ wie bodenständig ist. Tragen werde ich ihn selbst nicht, da er mir zu maskulin ist, aber ich weiß bereits, wem ich das Proberöhrchen vermache: meinem guten Freund J., der nicht nur der viktorianischen Zeit sehr zugetan ist, sondern auch als Matrose auf der Fregatte „Shtandart“ Gibraltar umsegelte. Kein anderer wird ihn so sehr zu schätzen wissen.
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