L'Oiseau de Nuit 2008

3rdear
19.03.2015 - 05:10 Uhr
11
Sehr hilfreiche Rezension

Gourmand für eine Nacht

Was ich zu hoffen kaum gewagt hätte: dass sich mir einmal die Pforte zur Welt der Gourmands öffnen wird. L'Oiseau de Nuit, die Nachteule, war der passende Schlüssel dazu, ein Schlüssel, der eher eine Praline ist - aus dunkler Schokolade mit einer Artemisia-Creme-Füllung. Aufgesprüht, ist es sofort Abend, der Wald vom Scheinwerferlicht der untergehenden Sonne rotbraun beleuchtet, lange Schatten ragen in die Dunkelheit. Es duftet trocken-herb nach blühenden Gräsern, während mir im Mund das Stück Schokolade mit ihrem 50%-Kakao-Anteil auf der Zunge zergeht. Warum ausgerechnet 50 Prozent? Weil ich auch einen geringen Milch-Anteil erschmecke, einen süßen Schmelz, Bourbon-Vanille. Ist die Praline erst mal gelutscht, bleibt auf der Haut eine noch entfernt an Schokolade erinnernde ausgetrocknet-grasige Leder-Note. Die Sillage, die nun auf ein zivilisiertes Maß geschrumpft ist, bleibt vom dunkel-warmen Pralinen-Ton geprägt, dabei aber abstrakt genug, um unterschiedlichste Assoziationen bei den Mitmenschen hervorzurufen. L'Oiseau de Nuit passt eher in die dunkle Jahreszeit, hat mit seinem originellen Duft-Akkord großen Wiedererkennungswert. Er ist gerade so viel oder besser gesagt so wenig Gourmand, dass er mir nicht über wird und abgesehen von der gewaltigen Sillage kurz nach dem Aufsprühen gut kontrollierbar, schwindet mit der Zeit und ist bei Morgendämmerung verflogen.
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