Olfactories - Cargo de Nuit 2015

NiMaJazzEr
19.05.2023 - 16:13 Uhr
19
9
Flakon
6
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft

Wachtraum

Tautropfen zittern in der frühmorgendlichen Stille auf feinen Spinnweben.
Es dämmert noch. Nur langsam rekonstruiert sich die Umgebung aus dem frischen Nebel heraus. Die weite, hügelige Wiese, die wilden Waldmeisterbüschel am Wegrand, der sich unregelmäßig den steilen Felshang hinabschlängelnde Bach.

Sowohl meine Augen als auch meine Gedanken wollen mir noch nicht gehorchen, schwanken zwischen Wachsein und Schlaf, zwischen Klarheit und Traum. Lakonisch drehe ich mich zu dir um. Wir dampfen, liegen nackt zu zweit auf dieser weichen Decke. Die kühle Luft streichelt uns wie zwei saubere Neugeborene.

Cargo de Nuit ist so etwas wie der zarte Atem eines transparenten, im Verschwinden begriffenen Geistes. Die bewusste Künstlichkeit eines gefühlten Traumes. Eine Negation klarer Konturen. Schwer zu Greifen.
Es beginnt sehr aldehydig, synthetisch im besten Sinne, und entwickelt sich mit poetischer Fragilität. Der Duft umschmeichelt einen mit dezent süßlicher Pudrigkeit, die in keiner Weise schwer oder klebrig wird, stattdessen mit bläulicher Frische belebt. Ein mandeliger Hauch scheint mir hierbei wunderbar hellen Moschus zu begleiten. Verfolgt von jungen Waldmeisterpflanzen und etwas Iris.

Das Irreale der Bilder, die Cargo de Nuit bei mir unmittelbar hervorruft, speist sich dabei vor allem aus den mineralischen Noten, die die Farben und Oberflächen verfremden, allem einen seltsamen, unbekannten, zwielichtigen Schein verleihen.
Ich habe zum Vergleich (und weil Cargo de Nuit aktuell nur schwer und teuer zu bekommen ist) Luna Rossa Black ausgetestet, auf dessen Ähnlichkeit hier wiederholt verwiesen wird und ja, es gibt deutliche Parallelen im Grundton. Aber speziell diese mineralische Einfärbung fehlt ihm leider doch (wie auch etwas die Moschus-Melancholie). Und es ist gerade diese geheimnisvolle Kühle verwoben mit hautwarmer Zärtlichkeit, die Cargo de Nuit so besonders macht.

Die Sillage ist dabei deutlich wahrnehmbar und dennoch subtil. Ein alltags- und arbeitstauglicher Duft, der nicht stört und auch nicht langweilt. Für mich funktioniert er aber auch am Abend als wohliger Schmeichler mit einer Aura rätselhafter Sexyness. Eine schwer fassbare, sich entziehende Sinnlichkeit, immer auf der Seite stilvollen Understatements. Immer etwas abwesend.
Anderswo.

Don’t wake me up.
Dream on and on and on…

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