NiMaJazzEr

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1 - 5 von 14
NiMaJazzEr vor 11 Monaten 11 9
7
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
7.5
Duft
Lindenbaumkaleidoskop
Schritt für Schritt. Gemächliches Promenieren, die begradigte Allee entlang.
Alles flirrt, flimmert, leicht und träumerisch.
Geschwätzigkeit, verwaschene Wortfetzen, manch albernes Auflachen – Passenten in Gesellschaft. Und doch jeder für sich, ohne Eile, der Zeit enthoben.
Eifrig streichelt die Wärme pastelliger Lichtpunkte über Haar und Gesicht. Die tiefe Sonne bricht sich in den herzförmigen, sich sachte wiegenden Blättern; ein Lindenbaumkaleidoskop.
Am Rand bündelt eine Reihe Schaufenster sich reflektierendes Licht zu blendenden Strahlen. Der Blick gleitet ab – zu viel Überfluss. Zum Vergessen.
Selbstvergessenheit und Selbstverschwendung als Gegenkonzepte.
Der Absinth aus der Vornacht als frischherbe Erinnerung noch lebhaft in der Nase.
Exquisiter, lieblicher Lindenblütentee mit Bergamotte zum Frühstück reichte nicht, um Klarheit und Leichtigkeit im Kopf zu schaffen.
Schritt für Schritt – drückt Schwere aufs Gemüt, werden die Passanten als fremde Wesen bewusst, Unnahbarkeit eine innere Gewissheit.
Eingeschlafen auf der Parkbank.

Meine Gefühle gegenüber "Flâneur | 27 87 Perfumes" sind verworren und uneindeutig. Er gefällt mir eigentlich nicht wirklich, ganz subjektiv, aber er fasziniert mich. Und ich staune, wie erfolgreich er sein Konzept einlöst. Denn tatsächlich, impressionistische Stadtansichten mit Parkanlagen, dandyhafte Décadence-Kultur, betont langsame Schwelgereien, Ziellosigkeit an der warmen aber frischen Luft – solche Szenen streifen voller Klarheit an meinem inneren Auge vorbei. Mir fällt jene Bemerkung Walter Benjamins ein, in der das Flaneurgefühl für mich zu einem Höhepunkt kommt: „Um 1840 gehörte es vorübergehend zum guten Ton, Schildkröten in den Passagen spazieren zu führen. Der Flaneur liess sich gern sein Tempo von ihnen vorschreiben.“
Nun denn, Schildkröte rieche ich nicht, aber entschleunigende Eleganz wohnt den dominierenden Lindenblüten hier mindestens inne. Anfangs verzaubern mich diese sehr, frisch, luftig und spannend durch den absinthigen Beiklang. Habe ich so auch noch nirgends gerochen. Zum Problem wird die Schwere, die darauffolgt, mit Irisbutter und Mandel (grundsätzlich mag ich beides). Die Blumigkeit wird sehr viel süßer, die Gesamtwirkung recht cremig – für mich erdrückend. Das Zuviel an Langeweile, ein Übermaß an „Mußestunden“, so fühlt sich das an.
Dennoch: Der Duft scheint mir recht unterbewertet, angesichts seiner visuellen Kraft und Individualität. Diese Rezension hat er mir jedenfalls komplett ungeplant in Eile abgerungen. Ich möchte gerne loben, den Verlauf, die Eigenständigkeit, die Verbindung von natürlichen und urbanen Elementen. Und ich kann nicht so ganz loslassen von ihm. Könnte ich mit dieser Süße, wäre "Flâneur | 27 87 Perfumes" wohl ein Partner, in dem ich mich gänzlich verlieren würde.
9 Antworten
NiMaJazzEr vor 12 Monaten 19 7
9
Flakon
6
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Wachtraum
Tautropfen zittern in der frühmorgendlichen Stille auf feinen Spinnweben.
Es dämmert noch. Nur langsam rekonstruiert sich die Umgebung aus dem frischen Nebel heraus. Die weite, hügelige Wiese, die wilden Waldmeisterbüschel am Wegrand, der sich unregelmäßig den steilen Felshang hinabschlängelnde Bach.

Sowohl meine Augen als auch meine Gedanken wollen mir noch nicht gehorchen, schwanken zwischen Wachsein und Schlaf, zwischen Klarheit und Traum. Lakonisch drehe ich mich zu dir um. Wir dampfen, liegen nackt zu zweit auf dieser weichen Decke. Die kühle Luft streichelt uns wie zwei saubere Neugeborene.

Cargo de Nuit ist so etwas wie der zarte Atem eines transparenten, im Verschwinden begriffenen Geistes. Die bewusste Künstlichkeit eines gefühlten Traumes. Eine Negation klarer Konturen. Schwer zu Greifen.
Es beginnt sehr aldehydig, synthetisch im besten Sinne, und entwickelt sich mit poetischer Fragilität. Der Duft umschmeichelt einen mit dezent süßlicher Pudrigkeit, die in keiner Weise schwer oder klebrig wird, stattdessen mit bläulicher Frische belebt. Ein mandeliger Hauch scheint mir hierbei wunderbar hellen Moschus zu begleiten. Verfolgt von jungen Waldmeisterpflanzen und etwas Iris.

Das Irreale der Bilder, die Cargo de Nuit bei mir unmittelbar hervorruft, speist sich dabei vor allem aus den mineralischen Noten, die die Farben und Oberflächen verfremden, allem einen seltsamen, unbekannten, zwielichtigen Schein verleihen.
Ich habe zum Vergleich (und weil Cargo de Nuit aktuell nur schwer und teuer zu bekommen ist) "Luna Rossa Black | Prada" ausgetestet, auf dessen Ähnlichkeit hier wiederholt verwiesen wird und ja, es gibt deutliche Parallelen im Grundton. Aber speziell diese mineralische Einfärbung fehlt ihm leider doch (wie auch etwas die Moschus-Melancholie). Und es ist gerade diese geheimnisvolle Kühle verwoben mit hautwarmer Zärtlichkeit, die Cargo de Nuit so besonders macht.

Die Sillage ist dabei deutlich wahrnehmbar und dennoch subtil. Ein alltags- und arbeitstauglicher Duft, der nicht stört und auch nicht langweilt. Für mich funktioniert er aber auch am Abend als wohliger Schmeichler mit einer Aura rätselhafter Sexyness. Eine schwer fassbare, sich entziehende Sinnlichkeit, immer auf der Seite stilvollen Understatements. Immer etwas abwesend.
Anderswo.

Don’t wake me up.
Dream on and on and on…

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NiMaJazzEr vor 1 Jahr 1
7
Flakon
8
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
Zwischen Blumenboutique und provenzalischem Seifengeschäft
White Light verdient eine kleine Rezension. Das sei vorweggesagt, weil ich mich eigentlich nicht zur Zielgruppe zähle. Definitiv keine potenzielle Trägerin für diesen voluminös weißblühenden Duft bin. Sowas steht mir nicht, ist mir fremd, eine unangenehme Verkleidung. Nichts, was mich locken würde. Verirrte ich mich in eine Boutique für solch üppige florale Sträuße und Gestecke, würde mein Blick den Raum intuitiv danach abtasten, ob sich nicht doch in einer Ecke raffinierte kleine Kakteen verbergen.
Aber dennoch; die Probe war im Discovery-Set und von meiner Neugierde lasse ich mich grundsätzlich gerne treiben. Also direkt aufs Handgelenk damit.

Es folgt zwar keine Zäsur meiner Parfümorientierung, aber beeindruckt bin ich doch etwas. Womöglich fehlt mir die Erfahrung bei solchen Düften (seid lieb, ich teste offensiv noch nicht so lange herum), aber ich habe selten bei einer blumig-frischen Komposition die einzelnen Nuancen so klar und kräftig leuchtend herausgerochen.

Augenblicklich teleportiert es mich in die Fußgängerzone einer provenzalischen Altstadt an einem lauen Sommertag. Ein Blumenladen – ja, tatsächlich, in voller Pracht. Und aus dem winzigen Geschäft daneben entströmt die typische Lavendelseife, in all ihrer selbstbewussten Seifigkeit. Für die Frische sind vor allem sonnenreife Zitrusfrüchte verantwortlich.

Das ist unglaublich altmodisch, ohne Zurückhaltung. Klischee-Oma-Assoziationen in your face. Aber gerade für diese Direktheit kann ich Atl. Oblique hier sehr respektieren, während die ausgelösten Sommergefühle überaus real sind. Ob es am aktuell immer noch kalt-regnerischem Aprilwetter liegt? Egal, in jedem Fall wird hier nichts verwaschen oder verweichlicht. Es hält durchaus auch eine ganze Weile, wenn auch nicht mit der vollen Strahlkraft. Aus Lavendel- wird allmählich Orangenseife, während sich die weißen Blüten Stück für Stück verpudern.

Tragen würde ich das selbst trotzdem nicht – vielleicht jedoch empfehlen, an manch froh-freundliche Granny-Vintage-Gemüter.
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NiMaJazzEr vor 1 Jahr 13 5
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft
Heiligsprechung der Holzverarbeitung
Eine Suche findet ihre Erfüllung.
Bowmakers scheint die größtmögliche Einlösung eines Geruchsversprechens, auf die ich lange gehofft hatte. Die Verkörperung einer Erinnerung.
Kindheit und Nostalgie, ja, aber nicht um ihrer selbst willen, nicht wie irgendein zur Legende erklärter Lieblingskuchen, sondern aus Faszination, aus dem magischen Eindruck heraus, welchen er mir eingebrannt hat, dieser Duft.

Gleich nach dem Öffnen der Haustür begrüßte mich dieser regelmäßig sanft, treppab, aus dem Keller. Opas Rückzugsort, seine Holzwerkstatt, in der er sich, mit selbstkonstruiertem Werkzeug und Maschinen, den unterschiedlichen Schritten der Holzverarbeitung widmete. Aus dem Rohmaterial schuf er dekorative Zaunbretter, Schemel oder Kerzenständer. Manches praktisch, aus Notwendigkeit, anderes zweckdienlich, oder einfach nur schön. Alles aber mit viel Liebe und Perfektion ausgeführt, für die Ewigkeit.

Leise, fast tonlos, pfiff er versunken vor sich hin, während einzelne Stücke in Form geschliffen, montiert oder lackiert wurden. Durch die kleinen Fensternischen an der Decke drangen einzelne Strahlen Sonnenlichts, in denen der Staub der Sägespäne tanzte. Ich liebte es, diese feinen Holzpartikel, die alles im Raum benetzten, aufzupusten oder zusammenzuwischen, ließ diesen samtigen Holzpuder durch meine Finger rinnen. Manchmal half ich aufzukehren, doch empfand ich es nie als schmutzig, wie dieser Belag die vielen systematisch sortierten Dinge, ob Schrauben, Sägeblätter oder Farbtöpfe vereinnahmte.
Wer eine solche, traditionelle benutzte Holzwerkstatt im Haus hat, kennt den spezifischen Geruch mit Sicherheit; diese behagliche Verbindung von rohem, trockenem Holz, Spänen und etwas Harz mit Terpentin, Lack und pflegenden Wachsen. Bowmakers gibt diese Töne für mich unglaublich direkt und treffend wieder, ruft die einzelnen Nischen der Werkräume meines Opas in ihren Details lebendig wieder auf. Die meditative Konzentriertheit, die wohlige Wärme, aber auch die edle Anmut der fertigen, wertigen Gegenstände mit ihren individuellen Oberflächenmaserungen und Tönungen.

Der Fokus des Dufts liegt dabei auf den harzig-wächsernen Tönen, welche sich im Verlauf durchsetzen. Kolophonium – auch dieser Geruch ist mir aus der Kindheit bekannt – spielt auf jeden Fall eine tragende Rolle, ohne dass bei mir gleich imaginär die Geigen erklingen würde. Trotz der staubigen Trockenheit empfinde ich keine Muffigkeit. Vermutlich sind es das Moos und der „Luft“-Akkord, die der Komposition ein klein wenig grüne Frische einhauchen.

Während sich meine Gedanken ganz in jener Werkstatt einnisten, teilte mein Freund in Unkenntnis des Konzepts des Parfüms oder der Inhaltsstoffe im Übrigen direkte Assoziationen einer Messe in einer Holzkirche mit. Und tatsächlich, die Harmonie und innere Ruhe entfaltet nicht nur spirituelle Tiefe, sondern mutet durchaus sakral an. Weihrauch ist wohl keiner enthalten, vermutlich ist es das Kolophonium, das ein ähnliche andächtige Atmosphäre heraufbeschwört. Eine förmliche Heiligsprechung des verarbeiteten Holzes.

Obwohl dies für ein Parfüm, selbst für einen Holzduft, eine recht spezielle Beschreibung sein mag, finde ich Bowmakers durchaus gut tragbar. Er verleiht ein wohltuendes, warmes Gefühl und hält sich in seiner Außenwirkung zurück. Anstatt einer Heimwerkermontur oder Priestergewänder vermittelt sich eher zeitloses, etwas dekadentes Stilbewusstsein, durchaus mit Kante, aber ohne anzuecken. Bei mir bleibt dies hautnah relativ lange erhalten, so dass das Handgelenk den Tag über unwillkürlich wiederholt zur Nase gleitet, um der umgebenden Hektik mit den Träumereien aus jener Zauberwelt der Holzwerkstatt zu begegnen.
5 Antworten
NiMaJazzEr vor 1 Jahr 5 5
7
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
7
Duft
Rosig dampft der Zaubertrunk
Mit „Thuribulum“ wird gemeinhin das Weihrauchgefäß bezeichnet, wie es in der katholischen Kirche an einer Kette zur Verteilung des duftenden Rauchs geschwenkt wird. Meine ersten Assoziationen bei "Thurible (2020) | Rook Perfumes" siedelten sich eher in der paganen Gesellschaft einer archaischen Zauberin beim Brauen eines Liebestranks an, verborgen irgendwo nächtens in dunkler, feuchtgrüner Natur.
Das Leuchten der Glut unter ihrem rustikalen Kessel ist durchs Gebüsch wahrnehmbar. Der Dampf des mysteriösen Suds strömt verheißungsvoll entgegen, verschiedene Nuancen mit alchemischer Tiefenwirkung vermischend. Wo es raucht und funkt, dominieren für mich vor allem die Gewürznelken sowie Rose und vermitteln positive Absichten.

Ich empfinde das als spannend, jedoch bleibt die Wirkung aus, die Rezeptur will nicht aufgehen.
Mit Rosen tue ich mir grundsätzlich etwas schwer und so erschlägt sie mich hier leider, anstatt sich mit den anderen Zutaten harmonisch zu verbinden. Neben dem Weihrauch und Grünkrautigem kommen außerdem Erde, Harzigkeit und etwas Leder hinzu. Eine Mixtur, die durchaus eigensinnigen Ausdruck entfaltet. Mir bleibt sie jedoch lange zu schwülstig, bis sich der Nelken-Rosendampf irgendwann doch leicht verzieht und dem balsamisch-rauchigem, zahmeren Grundton Raum gewährt, welchen ich gerne wahrnehme, dem, wie das bei lauwarmem Punsch meist so der Fall ist, aber die Spannung fehlt.
Dennoch, die Rook-Parfüms bleiben interessant und vom Testen würde ich keinesfalls abhalten wollen.
5 Antworten
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