21.07.2015 - 12:07 Uhr
Meggi
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Squaredance in der Grundschule
„Oha, Antonio muss wieder ran!“ war mein Gedanke beim Test von Bowmakers. Ein ernstes Problem, schließlich war Antonio Stradivari bereits in meinem Duro-Kommi aufgetreten und ist nicht mehr der Jüngste. Wer hätte auch ahnen können, dass mir mal ein Duft unter die Nase kommt, der sich explizit auf Bogenmacher und Geigenbauer bezieht. Übrigens bis heute zwei unterschiedliche Disziplinen, obwohl sie gelegentlich von selber Hand ausgeübt werden.
Ins neunzehnte Jahrhundert möchte der Duft uns zurückversetzen, als in der Massachusetts Bay Colony anscheinend fleißige Instrumentenbauer am Werk waren. Deren Werkstätten mit ihren Gerüchen von Hölzern, Harzen und Lacken verschiedenster Rezepturen, als streng gehütete Geheimnisse vom Vater zum Sohn weitergegeben, möchte der Duft geruchlich zu neuem Leben erwecken.
Und das gelingt ihm mühelos. Selbst ohne die Geschichte drumherum hätte ich mich in eine nostalgische Schreinerwerkstatt, Möbel-Tischlerei oder Ähnliches versetzt gefühlt.
Nur kurz lässt zum Auftakt staubiges, beinahe muffiges Holz Schlimmes erahnen, so wie einen vielleicht beim Betreten einer derartigen Werkstatt der Geruch zunächst überfordert. Doch nach kaum fünf Minuten geht es los mit dem eigentlichen Thema: Das Holz, der Lack und das Kolophonium; jenes Koniferen-Harz zum Bestreichen der Pferdehaare, mit denen der Bogen bespannt ist, um die Saiten in Schwingung zu versetzen.
Helle, luftige Hölzer und der Schleifstaub davon mischen sich mit dunklen, mahagonifarbenen Noten. Charakterlich vermag der Duft durchaus an Duro zu erinnern, ist allerdings nicht holzig-umhüllend, sondern das Harz lässt ihn distanzierter wirken. Böse Nasen mögen gar eine Spur Schinken-Rauch entdecken, passenderweise um die Mittagszeit herum. Gegen Ende erinnert mich Bowmakers mit einer Anmutung von Weihrauch à la Cardinal tatsächlich ein bisschen an den Anfang von Odins 07 Tanoke. Freilich ist insgesamt wenig Duftentwicklung vorhanden, es wird lediglich im Laufe der Zeit milder, un-harziger. Die Haltbarkeit liegt bei locker neun, zehn Stunden und noch am Folgetag sind die Reste gut spürbar.
Alles schon gehabt, mögen die geneigten Riecher nun einwenden. Das mag im Großen und Ganzen stimmen, aber eine Herausforderung stellt der Duft trotzdem dar, weil sich fast durch den gesamten Verlauf die Idee der Holz-Verarbeitung zieht. Lack, womöglich ein Hauch von Lösungsmittel. Die in der Pyramide erwähnte Note „Freiluft-Akkord“ (im Original „outdoor accord“) verdient zwar begrifflich einen Originalitäts-Preis, indes: Wo isser denn? Wuchsa spricht profaner von Ozonischen Noten. Egal, inhaltlich kriege ich die Dinge ohnehin nicht zusammen, nach frischer Luft riecht es wirklich nicht.
Und so ist Bowmakers schlussendlich gewiss nicht leicht zu tragen und mit seiner überdies starken Sillage definitiv für die Fans der drastischeren Harz- und Holz-Düfte gemacht. Für die ist er eine dringende Test-Empfehlung und für mich ein Kauf-Kandidat.
PS: Apropos Stradivari - über die Qualität historischen nordamerikanischen Geigenbaus weiß ich natürlich kaum etwas. Es scheint, dass hier und dort begabte Leute am Werk waren, die gleichwohl angesichts der fehlenden Fachkenntnisse ihrer Käufer auch üble Fiedeln an den Mann brachten. Die Qualität selbst des epigonalen Cremona wurde jedenfalls in der Breite wohl eher nicht erreicht, behaupte ich mal in aller Vorsicht. Das hätte - um jetzt gehässig zu werden - zu Squaredance-Geschrammel sowieso nicht recht gepasst.
Einmal habe ich einen solchen Tanz live gesehen. Eine (vermutlich) VHS-Gruppe übte in der geräumigen Halle der Grundschule, an der meine Frau tätig ist. Zufällig war gleichzeitig draußen große Aufführung des schulischen Zirkus-Projekts und dessen Besucher verließen den Platz durch das Gebäude. So fand es sich, dass die ansonsten zweifellos in Abgeschiedenheit übenden Tänzer schlagartig von bestimmt zweihundert Zuschauern umringt wurden, die auf Nachzügler oder Abholung warteten oder einfach nur verweilten und zusahen. Eine bizarre Szenerie: Eine plärrende Musik-Kiste, daneben ein Typ mit tadellos amerikanischem Heiße-Kartoffel-im-Mund-Akzent, der rhythmisch Kommandos nuschelte, von denen ich einzig „…boys“ und „…girls“ verstanden habe und denen die rund zwanzig angesprochenen „boys“ und „girls“ (sämtlich im Rentenalter) sichtlich nervös Folge leisteten, weil plötzlich umstellt von massenhaft Publikum. Die guten Leute konnten einem leidtun, denn es gab vielfach Geschmunzele. Aber – zugegeben – diese Cowboy-Krawatten auf Holzfäller-Hemden mögen ja noch einigermaßen lokalkoloritmäßig-charmant sein. Doch eine Dame um die siebzig, die in einem knall-engen, knall-magentafarbenen Kostüm mit knall-rosafarbenem Tüll-Röckchen herumhüpft, das entfaltet sogar für den wohlwollendsten und empathischsten Betrachter eine unwiderstehliche Komik…
Ins neunzehnte Jahrhundert möchte der Duft uns zurückversetzen, als in der Massachusetts Bay Colony anscheinend fleißige Instrumentenbauer am Werk waren. Deren Werkstätten mit ihren Gerüchen von Hölzern, Harzen und Lacken verschiedenster Rezepturen, als streng gehütete Geheimnisse vom Vater zum Sohn weitergegeben, möchte der Duft geruchlich zu neuem Leben erwecken.
Und das gelingt ihm mühelos. Selbst ohne die Geschichte drumherum hätte ich mich in eine nostalgische Schreinerwerkstatt, Möbel-Tischlerei oder Ähnliches versetzt gefühlt.
Nur kurz lässt zum Auftakt staubiges, beinahe muffiges Holz Schlimmes erahnen, so wie einen vielleicht beim Betreten einer derartigen Werkstatt der Geruch zunächst überfordert. Doch nach kaum fünf Minuten geht es los mit dem eigentlichen Thema: Das Holz, der Lack und das Kolophonium; jenes Koniferen-Harz zum Bestreichen der Pferdehaare, mit denen der Bogen bespannt ist, um die Saiten in Schwingung zu versetzen.
Helle, luftige Hölzer und der Schleifstaub davon mischen sich mit dunklen, mahagonifarbenen Noten. Charakterlich vermag der Duft durchaus an Duro zu erinnern, ist allerdings nicht holzig-umhüllend, sondern das Harz lässt ihn distanzierter wirken. Böse Nasen mögen gar eine Spur Schinken-Rauch entdecken, passenderweise um die Mittagszeit herum. Gegen Ende erinnert mich Bowmakers mit einer Anmutung von Weihrauch à la Cardinal tatsächlich ein bisschen an den Anfang von Odins 07 Tanoke. Freilich ist insgesamt wenig Duftentwicklung vorhanden, es wird lediglich im Laufe der Zeit milder, un-harziger. Die Haltbarkeit liegt bei locker neun, zehn Stunden und noch am Folgetag sind die Reste gut spürbar.
Alles schon gehabt, mögen die geneigten Riecher nun einwenden. Das mag im Großen und Ganzen stimmen, aber eine Herausforderung stellt der Duft trotzdem dar, weil sich fast durch den gesamten Verlauf die Idee der Holz-Verarbeitung zieht. Lack, womöglich ein Hauch von Lösungsmittel. Die in der Pyramide erwähnte Note „Freiluft-Akkord“ (im Original „outdoor accord“) verdient zwar begrifflich einen Originalitäts-Preis, indes: Wo isser denn? Wuchsa spricht profaner von Ozonischen Noten. Egal, inhaltlich kriege ich die Dinge ohnehin nicht zusammen, nach frischer Luft riecht es wirklich nicht.
Und so ist Bowmakers schlussendlich gewiss nicht leicht zu tragen und mit seiner überdies starken Sillage definitiv für die Fans der drastischeren Harz- und Holz-Düfte gemacht. Für die ist er eine dringende Test-Empfehlung und für mich ein Kauf-Kandidat.
PS: Apropos Stradivari - über die Qualität historischen nordamerikanischen Geigenbaus weiß ich natürlich kaum etwas. Es scheint, dass hier und dort begabte Leute am Werk waren, die gleichwohl angesichts der fehlenden Fachkenntnisse ihrer Käufer auch üble Fiedeln an den Mann brachten. Die Qualität selbst des epigonalen Cremona wurde jedenfalls in der Breite wohl eher nicht erreicht, behaupte ich mal in aller Vorsicht. Das hätte - um jetzt gehässig zu werden - zu Squaredance-Geschrammel sowieso nicht recht gepasst.
Einmal habe ich einen solchen Tanz live gesehen. Eine (vermutlich) VHS-Gruppe übte in der geräumigen Halle der Grundschule, an der meine Frau tätig ist. Zufällig war gleichzeitig draußen große Aufführung des schulischen Zirkus-Projekts und dessen Besucher verließen den Platz durch das Gebäude. So fand es sich, dass die ansonsten zweifellos in Abgeschiedenheit übenden Tänzer schlagartig von bestimmt zweihundert Zuschauern umringt wurden, die auf Nachzügler oder Abholung warteten oder einfach nur verweilten und zusahen. Eine bizarre Szenerie: Eine plärrende Musik-Kiste, daneben ein Typ mit tadellos amerikanischem Heiße-Kartoffel-im-Mund-Akzent, der rhythmisch Kommandos nuschelte, von denen ich einzig „…boys“ und „…girls“ verstanden habe und denen die rund zwanzig angesprochenen „boys“ und „girls“ (sämtlich im Rentenalter) sichtlich nervös Folge leisteten, weil plötzlich umstellt von massenhaft Publikum. Die guten Leute konnten einem leidtun, denn es gab vielfach Geschmunzele. Aber – zugegeben – diese Cowboy-Krawatten auf Holzfäller-Hemden mögen ja noch einigermaßen lokalkoloritmäßig-charmant sein. Doch eine Dame um die siebzig, die in einem knall-engen, knall-magentafarbenen Kostüm mit knall-rosafarbenem Tüll-Röckchen herumhüpft, das entfaltet sogar für den wohlwollendsten und empathischsten Betrachter eine unwiderstehliche Komik…
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