Quorum 1982 Eau de Toilette

1972
15.09.2019 - 13:09 Uhr
12
Top Rezension
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft

Archaische Riten

Orchestrieren wir das Eröffnungsfeuerwerk zur Feier des ganzheitlichen Mannes mit Strawinskys „Le sacre du printemps“ (Das Frühlingsopfer). Vergessen Sie das lyrische Vorspiel. Setzen Sie gleich bei den rhythmisch hämmernden, wild-aggressiven „Augures printaniers“, den Vorboten des Frühlings, ein:

Animalisches Zitrus-Leder trifft mit herber Blütenwürze auf die Haut.

Strawinsky sprach über sein Frühlingsopfer vom „alles umfassenden panischen Erwachen der universellen Kraft“. Es sind keine lieblichen, sondern martialisch gehämmerte „Vorboten“ zur Opferung der Jungfrau.

Kreiert wurde Quorum von einem gewissen Sebastian Gomez, der auf parfumo.de mit zwei Parfums vertreten und im übrigen unauffindbar ist. Seine beiden Kreationen stammen aus den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts. Gehen wir davon aus, dass dieser Mann der Vergangenheit spanischen Ursprungs war und schlagen wir den Bogen vom wilden Russen zum stolzen Spanier. Für mich hat dieses Quorum in der Tat und ganz klischeehaft etwas vom stolzen Spanier, ohne ihn - liegt es an Artemisia und Kreuzkümmel? - kann ich diesen Duft nicht denken.

Aristoteles klassifizierte den Menschen als zóon politikón oder latinisiert homo politicus. Der Mensch als soziales, politisches Wesen diszipliniert seine animalischen Aspekte in der Polisgemeinschaft, die Demokratie entsteht, archaische Riten werden zurückdrängt. Aus solchem antiken Menschenbild geht der moderne Mensch hervor, dessen Zivilisation durch demokratische Verfahren geregelt ist, wie etwa dem „Quorum“. Sein Zweck besteht darin, durch eine Anzahl abgegebener Stimmen die Bildung einer nicht repräsentativen Mehrheit zu verhindern. Eine angestrebte Änderung des Status quo wird nur umgesetzt, wenn das erforderliche Quorum erreicht wurde.

Einen gegen die Postmoderne archaisch auftrumpfenden Duft so sachlich zu betiteln mag befremden. In den frühen 80ern war ein männlicher Duft eben eine Selbstverständlichkeit, eine dramatische Überschrift kam daher niemandem in den Sinn. Seither hat man viele philosophisch-anthropologischen Selbstverständlichkeiten in Frage gestellt, wurden gekippt und sind bereits Geschichte. Ich möchte mir vorstellen, Sebastian Gomez und die Namensgeber des Quorum legten einen letzten reaktionären Einspruch für den archaischen Mann ein. Wie wir heute wissen, wurde das erforderliche Quorum nicht erreicht. Man proklamierte den homo sociologicus, das soziologische Wesen. Keine Opferung wird anberaumt, die Jungfrau lebt, der Stier wurde nicht aufgespießt, sondern gebändigt und eingeseift.

Folgen wir ein letztes Mal Strawinskys Frühlingsopfer mit den „Rondes printanières“ (Frühlingsreigen) in die Herznote und Basis. Dunkel, gar düster und getragen schreiten sie einher. Es ist ein männlicher Reigen. Mögen im Ballett die Jungfrauen tanzen, der Mann tanzt nicht. Mit Rilke lässt sich das Bild abrunden: Es ist „ein Tanz von Kraft um eine Mitte, in der betäubt ein großer Wille steht.“ Auch Rilke wusste, dem zivilisierten Wesen ist das Schicksal des homo inermis beschieden. Der wehrlose Mensch, ein Mängelwesen, schutzlos, instinktverlassen.

Der große Wille des ganzheitlichen Mannes ist weitgehend Geschichte, die uns mit Gomez' Quorum aus wilden Augen anblickt. Noch animalisch, obschon kultiviert, gebändigt, aber nicht gezähmt. Die Basis des Quorum klingt warm mit Amber, Leder, Moos sowie Tabak und feierlich mit einer Spur von Weihrauch aus.
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