Diaghilev 2010 Parfum

DarkWinterCS
15.12.2020 - 05:16 Uhr
10
Top Rezension
9
Sillage
9
Haltbarkeit
8
Duft

Rojas Pinkes Hemd oder französisch-revolutionäre Perücke?

Parfüm - Kunst, Kunst - Parfüm oder Parfümkunst. So oft wird werden diese beiden verwendet, definitiv auch nicht zu Unrecht. Vor allem wenn man dann mal ein wenig im Forum unterwegs ist oder Antworten auf Kommentare oder Statements liest, kommen auch gerne mal die kritischen Stimmen hoch. Denn die von Roja Dove kreierten Düfte haben trotz ihrer Popularität ein gewisses Spaltungspotenzial.
Ich hatte bereits vor einiger Zeit mal meine Zuneigung gegenüber der Parfümkunst von Roja Dove geäußert. Das soll jetzt aber kein Fanboy-Kommentar werden. Denn ich sehe durchaus das Problem. Kann man die Preise der Düfte rechtfertigen ? Kritiker sagen hier gerne nein, weil die Düfte diese Preisgestaltung nicht erschnüffeln. Wenn man sich dann genauer mit den Parfüms und dem Mann dahinter beschäftigt und informiert, so kann man jedoch vernehmen, dass der Punkt „natürliche Materialien“ deutlich wichtiger ist, als bei anderen Marken der Preisklasse. Sicherlich wird mittlerweile auch der Markenname ordentlich bezahlt, die Kunst ist der Marke aber nicht abzusprechen. Es ist also eher die Frage, möchte man für einen möglichst hohen Anteil natürlicher Ingredienzien den stolzen Preis zahlen ?

Der zweite Punkt, der oft angestoßen wird, ist die Ausrichtung der Düfte. Denn Roja entwickelt und kreiert Düfte, die ihm selbst gefallen. Deshalb kommt diese klassische Ausrichtung oft durch, die eher an die Düfte vergangener Tage erinnern und mit ihrer enormen Gewalt und Opulenz jedes Fest im Frankreich des 18. Jahrhunderts bereichert hätten. Opulenz ist dann auch das passende Wort für die Beschreibung dieses Duftes.

Eine weitere Überleitung, die auf diesem Duft perfekt passt ist die Verbindung zur Kunst. Denn der Russe, nach dem Diaghilev benannt wurde hat die moderne Kunst Russlands entscheidend geprägt. Er hat Künstler mit Kunst zusammengeführt und unter anderem das russische Ballett gegründet. Man kann Roja für die Wahl dieses Namens also nur beglückwünschen.

Seit ich mich mit den Düften von Roja beschäftige stand Diaghilev bei mir in einer Art abgesperrten Raum. So oft habe ich den Duft in seinen YouTube-Auftritten vernommen und das Verlangen gehabt ihn mal zu testen. Ich stand mir aber immer wieder selbst im Weg, weil ich die Befürchtung hatte enttäuscht zu werden oder dass mir der Chypre-Ansatz nicht zusagt. Letztlich waren meine Sorgen wohl unbegründet.

Der Duft liegt jetzt seit einigen Tagen als Abfüllung bei mir und ich konnte bisher keinen Tag verbringen ohne einen Sprühstoß auf meinen Unterarm aufzutragen. Das sollte schon als positive Wertung vernommen werden. Allerdings ist der Duft für Liebhaber moderner Düfte eine gewisse Herausforderung. Sehr opulent, sehr klassisch und sehr aktiv in der Wahrnehmung. Bei mir hat es schon den zweiten Tag gebraucht um mich komplett auf den Duft einzulassen und ihn als das zu sehen, was er ausstrahlen möchte. Wenn man diese Art von Düften nicht gewohnt ist bzw. zum ersten selbst auf der eigenen Haut vernimmt, dann kann es schon die altertümlichen Assoziationen wecken. Eine Reise in vergangene Jahrhunderte, als parfümieren noch angesagter war als waschen.

Er löst auf jeden Fall etwas aus, gerade wenn man sich an ihn gewöhnt hat, wirkt er so erhaben, so spektakulär und elegant gleichzeitig. Eine Tiefe von unendlichen Ausmaßen, die einen verschlingen will und nicht mehr gehen lässt. So weich, rund und doch mit gewissen Kanten. Ich möchte ihn schon als Abfüllung nicht mehr missen. Auch Enigma und Fruity Aoud (von dem ich noch einen Restflakon suche) haben mich ähnlich begeistert, allerdings auf eine andere Art und Weise.
Da das Genre der Chypres neu für mich ist war ich entsprechend gespannt, was mich hier wohl erwarten würde. Man kann wirklich sagen, dass ich nicht enttäuscht wurde.

Der Duft startet aus einer Kombination aus leicht-zitrischer Frische, ein Hauch von Würze und einer tollen Blumigkeit, die an weiße Blüten und Veilchen erinnert. Blumigkeit ist für mich oft ein Ausschlusskriterium, der Duft versteht es aber die richtige Balance zu finden, damit diese nicht überfüllend ist. Diese Kopfnoten ziehen sich bei mir bis zu 1,5 Stunden. Er wirkt hier schon recht voluminös, stolz und erhaben.
Beginnt der Verlauf dann in die Richtung der Herznote, wird er etwas trockener, herber und süßlicher. Man merkt von Minute zu Minute, wie sich Gewürze, Harze und Vanille vermehren und den Duft in Höhen heben, die kaum vorstellbar sind. So weich, rund und voller Energie. Faszinierend ist gerade der fließende Übergang von dieser Blumigkeit in die Harzigkeit. Es duftet einfach atemberaubend schön und unvergleichlich.
Umgarnt wird das Ganze dann in den Zügen zur Basisnote mit Moschus, Eichenmoos, leichtem Holz und Würze. Dabei floriert die Moschusnote teilweise in die Kopf- und Herznote rein.

Auch im Bezug auf die Haltbarkeit und Sillage enttäuscht der Duft auf keine Spur. Ich habe den Duft morgens um 8 Uhr aufgesprüht und um 20 Uhr immer noch vernommen. Gerade die ersten fünf Stunden schweißt der Duft auch zusätzlich noch seine Duftnoten wild durch die Gegend, sodass man wirklich ganze Räume füllt und sein Statement setzt.

Was bleibt also ?

Eine tolle Erinnerung. Freude den Duft getestet zu haben und eine Abfüllung zu besitzen. Eventuell entschließe ich mal dazu Ausschau nach einem Restflakon zu halten. Denn diesen Duft möchte ich nicht mehr in meiner Sammlung missen. Denn man fühlt sich wirklich wie ein reicher Russe voller Opulenz.
5 Antworten