Peau d'Espagne 1901

Chizza
23.01.2022 - 14:39 Uhr
27
Top Rezension
7
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
7
Duft

Mildes, altehrwürdiges Leder

Es war noch früh am Morgen als Kommissar Wensker sich aus seinem Bett aufgrund des Handys respektive eines Anrufes quälte. Ein sonderbarer Fall, eine anonyme Anruferin hatte in der Zentrale den Verlust der spanischen Haut beklagt und man müsse nur der Nase folgen. Wenskers erste Idee war daher alle besoffenen Spanier festnehmen zu lassen. Man bedeutete ihm dann allerdings, es würde um olfaktorische Kunst gehen. Wensker insistierte daraufhin, dass er schon oft im einzigen Museum In Aicha vorm Wald war und da waren lediglich geschnitzte Pfeifen aufgestellt, keine Gemälde.
„Olfaktorisch, Wensker. Es handelt sich um Duftkunst. Jemand hat ein Parfum gestohlen.“
„Ok, ist das so selten?“
„Nein, für 110 Euro bekommt man den ganzen Flakon und der von der Gabi Hinteregger war nur noch halb voll.“
„Ja gut, haben wir keinen besseren Fall?“
„Nein.“

„Gut, nehmen wir eine Duftprobe, freundlicherweise entwendet aus dem Duftrepertoire von F. V. Cologne. So wissen wir, wonach wir suchen müssen.“
Die ersten Minuten des Duftes startete dieser zitrisch herb, dabei aber direkt auf dem Grün-ledrigen Unterton, welcher von der Birke evoziert wird. Es ist damit auch nicht dieser grasig-grüne Ton, dieser bittergrüne Duft sondern tatsächlich die Zitrik abmildernd und moderat. Schon bald schält sich eine Nuance heraus, welche ich am ehesten mit Birkensaft beschreiben wollen würde. Bereits hier zeigen sich erste Verwandtschaften - wenngleich entfernt - mit Knize, Bel Ami und Konsorten; nur deutlich harmloser. Das liegt vielleicht an dem Umstand dass es sich nicht um Birkenteer handelt.

„Riecht wie mein Rasierwasser“, erwähnte der altgediente Schubert.
„Äh…“
„Ich war noch nicht fertig: was ich selten benutze, es ist leer.“
„…“
„Jetzt unterbrecht mich nicht, ich wollte noch sagen: seit langer Zeit leer.“
„Jetzt kommt mir aber eine Idee, Kollegen. Kollege Staller, äh, Haller ist doch allergisch gegen Birken. Jedes Mal im Frühjahr sieht der gute Mann aus als wäre er in einer Opiumhöhle gewesen. Also müssen wir herausfinden, wo der Schurke ist, Haller hinschicken und neben wem er niest, der ist der Übeltäter. Ist ja Birkenholz drin, kein Birkenteer.“
„Super Idee, Chef! Wir haben den Tipp erhalten dass der Gauner in unser Einkaufszentrum rein ist und das seitdem abgesperrt. Es hatte nur der Laden Laos4Less auf, insofern könnten wir da mal vorfühlen.“
„Dann auf, auf!“

Kaum im Laden, verströmte dieser einen Duft, welcher gemäßigt im Lokal waberte. Die anfänglich kräftigen Noten gingen in einen primär holzigen Geruch über, welcher jedoch eher stilisiert wirkte. Bekömmliche Süße, dennoch paradoxerweise auch herb, was beides dem Weissdorn zugeschriebene Charakteristika sind. Das wird ergänzt durch das Veilchen, eher grün, minimal krautig. Hier hätte es mehr sein dürfen um Peau d'Espagne mehr Tiefgang und Ausdauer zu verleihen. Dennoch erinnert mich das Parfum an Lederschuhe auf welche gerade Wachs aufgetragen worden ist. Kein Bienenwachs sondern in Sprayform.

So dachte auch Kommissar Wensker und daher fokussierte er seine kriminalistischen Bemühungen auf Personen in anderen, nicht ledrigen Schuhwerken. Leider war Laos4Less wohl eine Art Dorfparadies für die alternative Szene, hier besonders stereotypisch gehalten. Niemand trug Lederschuhe hergestellt für den Büroarbeitstag.
„Ok, wie viel Leute sind denn hier im Laden?“
„Vier plus der Besitzer. Beginnen wir unseren Schnuppertest?“
„Klar, ich hab mir das überlegt. Wir lassen einen Polizeihund das übernehmen. Ist mir sicherer als wenn Haller halb verkatert rumläuft und wir auf seine empfindliche Nase hoffen. Hinterher schlägt das gar nicht an.“
„Es ist Sonntag, unser Benno geht da immer mit dem neuen Chef aus München Wurstsemmeln essen. Haller muss es machen. Schau, er guckt Schon ganz traurig.“
„Solange er nicht mit dem Schwänzchen wedelt. Also gut, schnuppern Sie schon an allen fünf. Von denen könnte es jeder sein und am liebsten würde ich sie sowieso alle inhaftieren.“

Haller musste sich beeilen da Peau d'Espagne zügig blass wurde. Trotz intensiver Versuche gelang es nicht, den Täter ausfindig zu machen. Fast wollte man gehen, da fand man doch eine Duftspur zum Tiergeschäft „Rama“ gegenüber. Der Laden war dunkel, da geschlossen doch im Schaufenster war der mittlerweile leere Flakon Peau d'Espagne zu sehen sowie eine flüchtende Katze.
„Eine Siam-Katze. Jetzt ist es mir klar“, sagte Wensker.
„…..“
„Der Fall ist gelöst, Freunde. Laos4Less sollte in Verruf gebracht werden. Mit ein bisschen googeln erschließen sich die plakativen Hinweise. Ich geh erst mal frühstücken. Schreiben Sie den Bericht, Schubert und vergessen Sie nicht, ein paar finale Zeilen zum Parfum einzutippen.“

So stand dann dort: was stark begann, verlor sich in Harmlosigkeit. Die Birke ist eben kein Birkenteer wenn es um die Illusion von Ledergeruch geht. Dennoch ist Peau d'Espagne gelungen, erst herb, später krautig und grün-ledrig, dabei weiter spritzig. Man muss immer das Alter bedenken. Aber auch heute wäre dies noch eine unkonventionelle Veröffentlichung, welche im Abgang diese Grundkomposition eines Knize in sich trägt, jedenfalls grob, nicht bis ins Detail.
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