Palindrome II Santi Burgas 2017
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Top Rezension
'Coromandel' im Leder-Outfit
Patchouli-Liebhaber aufgepasst – dies ist ein Patchouli-Duft der besonderen Art!
Der zur Familie der Lippenblütler gehörende sogenannte Halbstrauch spielt ja in so manchen Parfums eine nicht ganz unwichtige Rolle, besser gesagt, in ganz vielen. Häufig ist Patchouli in den Basisnoten zu finden, meist im Zusammenspiel mit harzigen, sowie bitter-moosigen Noten und daher auch integraler Bestandteil fast jeden Chypre-Duftes, zumindest klassischer Bauart.
Manchmal drängt es aber auch in den Vordergrund, besonders seit die Hippie-Bewegung in der zweiten Hälfte der 60er Jahre die rohen Patchouli-Öle für sich entdeckte.
Die großen Parfum-Häuser reagierten recht schnell und aus dem schon so lange verwendeten, aber immer in zweiter oder gar dritter Reihe verharrenden Patchouli, wurde plötzlich in Düften wie ‚Gentleman’ von Givenchy oder ‚Aromatics Elixier’ von Clinique der Protagonist schlechthin.
Einige Jahre später durfte dieses so charakteristisch trocken-aromatisch-holzig duftende Blatt auch in orientalischem Umfeld reüssieren: Etros ‚Patchouly’ oder Mazzolaris gleichnamiger Duft seien stellvertretend für die vielen Patchouli-Soliflore genannt, die seit den 70er/80er Jahre fast jede umfangreichere Duft-Reihe diverser Hersteller zieren. Auch die ganz großen Häuser ließen sich schließlich nicht lumpen und kamen vor nicht allzu langer Zeit mit zwei vermeintlichen High-End-Patchoulis um die Ecke: Chanels ‚Coromandel’ und Diors ‚Patchouli Imperial’.
Der komplexe Duft dieses im asiatischen Raum beheimateten Halbstrauches scheint also auch nach so vielen Jahren, und allem Oud-Hype zum Trotz, eine offenbar dauerhafte Inspirationsquelle zu sein, die immer wieder neuartige Kreationen hervorbringt.
Santi Burgas ‚Palindrom II’ ist nun mal wieder so ein Patchouli-zentriertes Werk, das ich in gewisser Weise als neuartig empfinde, obwohl es doch nahezu alle bekannten Facetten des Patchoulis durchdekliniert: die holzigen, aromatischen, trocken-staubigen, fast knarzigen Nuancen ebenso wie die weichen und pudrigen – alles da.
Aber eben doch viel mehr.
Als liefe ein (Nasen-)Film in meinem Kopf ab: von weitem sehe/rieche ich die gruftig-erdigen Patchouli-Öle längst vergangener Kindertage (nebst den dazugehörigen Bildern) und je näher ich meinem mit ‚Palindrom II’ bedufteten Arm komme, desto deutlicher verwandelt sich der dunkel-muffige Grundton in Chanels seidig-schokoladiges Patchouli-Konfekt dieser Tage. Entferne ich meine Nase wieder ein Stück von meinem Arm, nehme ich das Knarzige, Ungehobelte wieder war, das viele ja auch so schrecklich finden. Direkt an meinem Arm aber duftet das Patchouli dagegen überaus feingliedrig und zivilisiert – ganz ‚Coromandel’-like eben, akzentuiert von feiner Würze und dezenter Süße.
Aber, Rodrigo Flores-Roux wäre nicht er selbst, hätte er diesem, seinem Werk nicht etwas mitgegeben, was er offenbar sehr schätzt - eine deutliche, aber für mein Empfinden recht dezente Animalik, und vor allem: Leder.
Rodrigo Flores-Roux liebt Leder. Nicht nur den Duft von Leder, in all seinen Schattierungen, er trägt es auch gerne.
Diesem Patchouli-Duft hat er einen leise animalischen Leder-Akkord zugrunde gelegt, der zwar keine Dominanz entwickelt – das Patchouli ist und bleibt das Zentrum des Duftes – ihm aber einen überaus erotischen Kick verleiht.
Vielleicht muss man einen gewissen Leder-Fetisch haben (den habe ich ;-) ...) um diese Kombination genießen zu können - facettenreiches Patchouli, Leder und Animalik sind wahrlich nicht jedermanns/frau Sache.
Doch gibt es durchaus deftigere Varianten, zumindest in Sachen Leder und Animalik, die selbst mir als hartgesottenem Leder-Liebhaber zu weit gehen: Montales ‚Oud Cuir d’Arabie’ wäre so ein Beispiel.
Nein, glücklicherweise ist ‚Palindrom II’ weit entfernt von solch derben Ziegenbock-Dünsten.: keine offensive Animalik, sondern vielmehr eine sinnlich-erotische Aura, zumindest für mich. Empfindlicher Nasen werden mir da vielleicht nicht ganz folgen können, aber – wie gesagt – auch ich liebe Leder, mit (fast) all seinen tierischen Ausdünstungen.
Dieser sinnliche Twist macht ‚Palindrom II’ zu einem ganz besonderen Patchouli-Duft für mich – einer mit derartig erotischen Vibes ist mir nämlich noch nie untergekommen. Und wollte ich einen vergleichbar erotisch-sinnlichen Duft finden, fiele mir zuerst ‚Musc Ravageur’ ein - obwohl in keiner Weise ähnlich duftend, empfinde ich ihn in der Basis ähnlich süchtig-machend erotisch.
Was noch zu berichten bleibt: ‚Palindrom II’ hat eine gute Ausdauer und nach anfänglich lautem Auftakt eine eher moderate Projektion. Die Entwicklung des Duftes verläuft dabei von scharf/hell-würzig über dunkel-würzig bis holzig-ledrig, ohne dramatische Wendungen und perfekt verblendet.
Der tiefschwarze, runde Flakon mit dem großen dunklen Holzdeckel (aus nachhaltiger europäischer Forstwirtschaft ist auf der Kartonage zu lesen – hört, hört, auch hier hält die Sustainability/Nachhaltigkeit Einzug!) passt wunderbar zum Inhalt, dem ich, müsste ich eine passende Farbe zur Beschreibung des Duftes wählen, nur das Label ‚Schwarz’ aufdrücken könnte.
Ach ja, der Leder-tragende, schnauzbärtige mexikanische Parfümeur trägt angeblich selbst diesen Duft:
„Rodrigo Flores-Roux was the most animated and excited when speaking to me about Santi Burgas Palindrome II, the scent he wears most often himself.“, weiß Michelyn Camen von ‚ÇaFleurBon’ zu berichten.
Ich finde, das passt.
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