Rouge 1989 Eau de Toilette

Yatagan
09.04.2016 - 09:33 Uhr
31
Top Rezension
7
Flakon
7
Sillage
6
Haltbarkeit
7.5
Duft

Die Spur führt nach Frankreich

Durch die Kommentare von Joe und aoe neugierig geworden, insbesondere durch Joes Hinweis, es handele sich um einen Kandidaten, der unreformuliert aus den 80ern in die Gegenwart gerettet worden sei, landete Scorpio Rouge auf meiner Merkliste.
Als ich dann vor einigen Tagen bei einem Urlaub in Süddeutschland feststellte, dass ich nur wenige Kilometer vom Deutschlandvertrieb dieses Duftes entfernt wohnte, war der Entschluss klar: Der Duft gehört in meine Sammlung.
Die Zentrale des Vertriebes liegt unmittelbar an der französischen Grenze; dort wo der Scorpio Rouge noch immer gut erhältlich ist.

Ein wenig abgeschreckt war ich allerdings durch den Vergleich mit Lapidus pour Homme. Lapidus gehört nicht gerade zu meinen bevorzugten Düften aus dieser Zeit, da er ein penetrant würzig-süßer Fougère mit synthetischen Untertönen und unerhörter Durchschlagkraft ist, der mich wegen seines gewaltigen Impacts nie überzeugen konnte. Aus meiner Sicht bündelt Lapidus pour Homme so ziemlich alles, was zurecht an Düften aus den 80ern kritisiert werden kann: übertriebene Wucht, penetrante Süße, disharmonische Vielfalt an Inhaltsstoffen. Das ist weit von den großen Klassikern dieser Zeit entfernt, die noch heute zu überzeugen vermögen.

Ein erster Test konnte mich allerdings schnell beruhigen. Scorpio Rouge startet mit einer klassisch-frischen Bergamotte-Lavendel-Note, die einige fruchtige Akzente enthält, die sicherlich einen synthetischen Ursprung haben, dabei aber den Auftakt weniger gleichförmig als bei anderen Herrendüften dieser Generation gestalten.

Gleich fällt auf, dass der Duft keine große Wucht entfaltet. Die Sillage ist, ganz anders als bei Lapidus pour Homme, dem er tatsächlich in seiner Grundstruktur sehr ähnlich ist, eher angenehm bescheiden. Das lässt sich natürlich mit einigen Sprühstößen mehr leicht ändern, kann aber jederzeit gut dosiert werden.

Dann entfaltet sich der typisch grüne Fougère-Akkord (Lavendel, Moos und Grünnoten: Cumarin), der auch in Lapidus die Grundlage des Duftes bildet, hier aber in seiner Schlagkraft deutlich gemäßigt ist. Das hat, neben der mittelprächtigen Aura, auch Auswirkungen auf die Haltbarkeit des Duftes. Die ist nämlich recht gering, was mir stets entgegen kommt, da ich Düfte bevorzuge, die nicht den ganzen Tag halten, bei denen also ein Wechsel auf einen anderen Duft am Abend nicht mit intensiver Reinigung verbunden sein muss.

Ausgesprochen gelungen sind hier auch die vom Hersteller versprochenen und von Joe und aoe bereits beschriebenen orientalischen Noten, die m.E. gerade im Vergleich mit vielen arabisch-orientalischen Düften der neueren Generation geradezu dezent daher wehen: erdig-ledrig, warm-würzig. Und immer wieder Holz., wenn auch sicherlich mit synthetischem Sidekick. Das macht den Duft jedoch universell einsetzbar: im Alltag, bei der Arbeit, für Freizeit und Abend.

Die holzig-harzige, etwas süßere Basis übertreibt es nicht mit klebriger Haftung, sondern zeigt sich maßvoll in ihrer Ausprägung. Damit leert man keine Großraumbüros oder S-Bahn-Abteile.

Das alles soll nun nicht bedeuten, dass wir es hier mit einem herausragenden Duft zu tun hätten. Der Clou liegt eher im Preis-Leistungs-Verhältnis. Derzeit kostet der Duft je nach Angebot zwischen 14,00 und 16,00 Euro. Hinzu kommen dann noch ein paar Euro Versandgebühr, so dass man mit kleinstem Budget einen soliden, nostalgischen, klug komponierten Duft erhält, der immerhin einiges, vielleicht sogar vieles hinter sich lässt, was in Drogerien und Kaufhäusern an Massenware angeboten wird.

Warum man dazu aber nach Frankreich fahren oder beim einzigen Deutschlandvertrieb, bescheiden zwischen Feinkostartikeln versteckt und erst auf den zweiten Blick zu finden, mühsam suchen muss, erschließt sich mir nicht. Der Duft hätte durchaus mehr Aufmerksamkeit verdient.
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