Noir de Noir (Eau de Parfum) von Tom Ford

Noir de Noir 2007 Eau de Parfum

DerDefcon
02.08.2019 - 13:42 Uhr
17
Hilfreiche Rezension
8.5Duft 10Haltbarkeit 8Sillage 9Flakon

Seelenernte.

Mephisto klopfte an die Tür des Faust, mitten in der Nacht, wohl die Nacht der Nächte - kein Mond, keine Sterne, bloße Finsternis.
Das Ziel des Mephisto ist Faust selbst. Das Abschließen einer Wette kam dem gefallenen Engel bereits in den Sinn, doch er hatte eine bessere Idee, die Seele des Fausts für sich zu vereinnahmen.
Kaum dessen Räumlichkeiten betreten, überreichte Mephisto eine Rose, so schwarz wie die Nacht, so mytisch wie der Überbringer selbst, ohne jede Lieblichkeit, ohne jede Süße, wohl stammend aus den finsteren Gefilden, welche der Seelenfänger als sein ansonsten natürliches Habitat betrachtet, sofern er nicht auf der Jagd nach jenem ist, was er heute von seinem Gastgeber zu erkaufen versucht.

Mephisto, listig und schlau wie er ist, beließ es natürlich nicht bei seiner schwarzen Rose, denn jene wurde von ihm mit einer aromatischen, dichten, etwas bitteren Würze verzaubert. Diese Würze ließ Faust wie gefesselt an der Rose riechen, die immer mehr und mehr ihre Dornen in dessen Sinneswelt stach, von ihm Besitz zu nehmen versuchte. Für Faust war diese Würze etwas Neues, etwas Unbekanntes, wohl stammend aus fernen Ländereien, was der mysteriöse Besucher nun mit luxuriösen, süßen Leckereien ergänzte. Die nächtliche Rose, kalt, schwer und seelengierend, zeigte sich daraufhin von einer lieblichen Seite, schmeichelte dem Faust, umwarb ihn.

Mephisto hatte sein Vorhaben fast vollendet, doch etwas fehlte, denn Faust erkannte die List, erkannte den Plan. Mephistos Jagd nach dieser einen Seele schien in Gefahr und so spielte er seinen letzten Trumpf aus. Er ließ Faust die Vertrautheit erriechen, die ihm beim Wandern durch die heimischen Wälder immer wieder überkam. Über Fausts Seele entschieden so am Ende ein wenig moosiges Grün, ein kleines bisschen Holz, das noch schöner als das der Buchen, Kiefern und Fichten war - nämlich etwas süßlich, vielleicht auch mit einer dezenten Note von Rauch - dazu ein etwas krautiges Aroma - Faust konnte es nicht so ganz zuordnen, doch schmälerte dies keinesfalls sein Verlangen - und dazu noch die diabolische Geheimwaffe des Mephisto - die Vanille.

Die einst so schwarze Rose wirkte nun gar nicht mehr so bedrohlich. Sie wirkte leidenschaftlich, ihre Art eher liebevoll und so kam es, dass Faust seine Skepsis ablegte und sich dem süßlichen Dornengewächs annahm. Sie war nun auch gar nicht mehr so gierend nach seiner Seele, so zumindest sein Gefühl.

Mephisto hatte sein Ziel erreicht. Der Kampf um Fausts Seele war entschieden. Eine Wette, wie die, von der einst ein großer deutscher Dichter schrieb, war nicht von Nöten. Fausts Gefühl, eine in sich gewandelte Rose vor sich zu haben, war lediglich eine Illusion, erschaffen vom gefallenen Engel, der diabolische Kunstgriffe vollzog, um Faust für seine Rose zu gewinnen. Die Illusion war perfekt. Faust meinte, es nun mit einer ihm wohlwollenden Rose zu tun zu haben, doch war diese noch immer finsterer, mystischer Natur, jedoch ummantelt von Mephistos teuflisch verführerischen Mitbringseln. Faust verfiel ihr und das für eine lange lange Zeit.
7 Antworten
ExUserExUser vor 6 Jahren
Richtig toll. Pokal hast du mehr als verdient.
ExUserExUser vor 6 Jahren
Hab mich nie an das Buch gewagt, dafür aber an das Parfüm. Toller Kommentar. :)
Helena1411Helena1411 vor 6 Jahren
Wunderbare Neu-Interpretation eines großartigen Klassikers! Und nun muss es wohl heißen: „Das also ist der Rose Kern!“
ExUserExUser vor 6 Jahren
1
Naja. Mit Absätzen wäre das vielleicht einfacher zu lesen. So fand ich es anstregend.
FlirtyFlowerFlirtyFlower vor 6 Jahren
Grandios. Geschichten, bitte mehr Geschichten! Pokal
SchatzSucherSchatzSucher vor 6 Jahren
Mir gefällt deine Interpretation von Faust auch wesentlich besser als das sehr schwere Original. Und der Duft ist wunderbar.
MezzanineMezzanine vor 6 Jahren
Seelenrente, ich hab Seelenrente gelesen! ;-)