Private Blend

Soleil Brûlant 2021

Aura
05.01.2022 - 15:20 Uhr
23
Top Rezension
5
Preis
6
Sillage
7
Haltbarkeit
9
Duft

Ich bin kein Fussfetischist, aber...

Nein, sorry, der Absatz mit dem Fuss kommt später.
Mags der Marke, dem Namen des Duftes, dem Duft darselbst oder einer Kombination aus allem geschuldet sein (wer ist schon frei von assoziativen Marketing-Manipulationen): Soleil Brûlant gibt sich mir direkt als Sonnenduft zu erkennen und katapultiert mich nach Saint Tropez. Dort, wo die grossen Yachten in strahlendstem Full-HD-Glanz, im Glitzern der Wellen und unter der brennenden Sonne Südfrankreichs vor Anker schaukeln. Touristenströme in bequemen Sandalen quellen träge entlang des Hafens, aber für diese will Soleil Brûlant nicht scheinen.
Kennt ihr diese Menschen, die man auf den ersten Blick als Reiche erkennt, weil sie Designermode tragen, die sich nie in den Mainstream-Stores durchsetzen wird? Unförmige Kastenschnitte, wilder Textilienmix (höchster Qualität, versteht sich), kombiniert mit abenteuerlichen Schuhen und Status-Gehänge (Schmuck meine ich, ihr Ferkel). Und man denkt sich beim teils ungläubigen, teils faszinierten Abscannen jener Spezies: "Ich glaub, man muss so richtig viel Geld haben, um diesen Modestil zu verstehen..."
So geht es mir mit diesem Duft.
Müsste ich einen Duft zu einem dieser "Who cares? I'm rich, honey!“-Outfits empfehlen, so wäre es Soleil Brûlant. Er ist einfach très extravagante.
Wie immer hab ich den Duft zur Probe auf den Handrücken gesprüht und dann die Nase daran gehalten. Macht ihr doch auch so beim ersten Kennenlernen, oder? Doch das war der Fehler. Diese eine Note, die hier schon einige als kratzig, medizinisch, gekippt oder gar als verbrannten Reifen beschrieben haben... obwohl ich ihn nicht in den Duftnoten finde, macht der Begriff "Sellerie" durchaus Sinn, vielleicht ist es aber auch jener ominöse "Schwarze Honig". Und jawohl, davon, was auch immer es ist, hats zumindet im Auftakt definitiv zuviel drin. WENN, ja wenn man die Nase direkt darüber hält. Aber die vornehme Gesellschaft ist dafür zu distinguiert und wünscht nicht, dass man sie so nahe beschnüffelt. Hält man nämlich etwas Abstand, kippt das Ganze - fast erschreckend - in jenes Savoir-vivre, das man sich von Geld zumindest ein Stückweit tatsächlich kaufen kann.
Plötzlich rieche ich frisch gebohnerte Holzplanken, Sonnencrème (die gute, teure), Salz von der Meeresgischt, die auf See in die Leinenbluse ge... gegischt hat (habs im Duden nachgeschlagen, "gischen" gibts, ist ein schwaches Verb, aber immerhin), von der Sonne aufgeheizte Badetücher, einen Hauch Vetiver vom Aftershave des Yacht-Captains...
... und Leder. Und jetzt kommt der Teil mit dem Fuss. Das riecht ein wenig, wie wenn jemand mit sehr gepflegten, sonnengebräunten Füssen nach zwei Stunden die Lederschuhe auszieht. Keine Ahnung, woher ich das zu wissen glaube, ich schwöre bei meiner Nase.
Und ich bin froh, dass dieser jemand gepflegte Füsse hat. Gibt doch nix Grausligeres als wenn ein teuer gekleideter Mensch einen auf Etepetete macht und dann so verranzte Füsse hat. Naja, wie gesagt, der Soleil-Brûlant-Träger hat zum Glück gepflegte Füsse. Aber trotzdem will ich ja da auch nicht die Nase direkt dranhalten. Drum geniesst man Soleil Brûlant lieber mit etwas Abstand, dann wird er irgendwie doch richtig schön. Savoir-sentir!
Soleil Brûlant ist einer der herausforderndsten Düfte, die ich in letzter Zeit gerochen habe, aber es hat sich definitiv gelohnt, ihn mir zu erarbeiten... umsonst ist schliesslich nichts auf der Welt, honey!
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