26.04.2023 - 13:14 Uhr
loewenherz
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Queue d'écrivissage en sauce Poupoule-Courouse
Manch einer aus meiner oder einer meiner noch vorhergehenden Generation mag sich noch an jene ikonische Szene in Loriots erstem Spielfilm Ödipussi erinnern, in der Paul Winkelmann, Inhaber eines Geschäfts für Dekoration und Raumausstattung, und Dr. Margarethe Tietze, Diplompsychologin in eigener Praxis - beide mit starker Mutterfigur und weithin ungepflückt - in einem eleganten italienischen Hotelrestaurant ein romantisches Tête-à-tête versuchen. Dies scheitert an gleich mehrerem, zunächst jedoch ganz banal an der Bestellung - 'Wir hätten gerne eine große Portion Spaghetti Carbonara und einmal Tagliatelle Funghi!' - da 'französische Woche' ist. Bei der 'Poitrine de Beau Voyage' - auch bekannt als 'Suprême chevreux à la soubris gratinat' - ist man noch unentschlossen. Und die 'Mousse Rabelais à la Laysanne' - vom hochnäsigen Ober etwas gequält erläutert als 'Queue d'écrivissage en sauce Poupoule-Courouse' bzw. auf erneute Rückfrage auch als 'Timbalette volaille aux fines herbes avec pomerolle dauphinoisette du crème à la Louis Quatorze' (ich weiß, dass es viele dieser Wörter im Französischen gar nicht gibt, und ich bin sicher, Herr von Bülow wusste es auch) sieht später dann 'sehr übersichtlich' aus.
Ich war - und bin im Grunde immer noch - ein großer Anhänger des Duftschaffens des Herrn Ford aus Texas. Ich besitze etliche seiner Düfte und verwende sie häufig und gerne. Diese langjährige Begeisterung fußt auf den ersten Generationen seines Œuvres: Altvordere wie Noir de Noir und Tuscan Leather sowie verschüttete Kleinode wie Moss Breches und London, dramatische und getragene oder fast theatralisch anmutende Düfte, denen ich immer die Aura von etwas latent Versehrtem angedichtet habe. Es folgten die Jardin Noir-, die Atelier d'Orient- und die 'grüne' Serie, alle miteinander schöne und ehrbare Nachfolger jener frühen Düfte. Nun ist schon lange kein neuer Tom Ford mehr zu meiner Sammlung hinzugekommen - Vanille Fatale war der letzte, bei dem ich in Versuchung war - und wird es absehbar auch nicht. Die blauen Sommerdüfte - inspiriert von den Gestaden Italiens - fand ich noch leichtfüßig-passabel, doch spätestens seit den sogenannten Fougères - die neuen 'schlüpfrigen' Fruchtdüfte mal großzügig völlig außen vor - ist im Hause Ford auch französische Woche: 'Fougère Platine', 'Tubéreuse Nue', 'Soleil Neige' und jetzt 'Soleil Brûlant' - und kaum weniger anstrengend und konstruiert wie damals jene bei Ödipussi.
All diese jüngeren französisch benannten Private Blends - und es ist mir klar, dass französische bzw. französisch klingende Namen auf dem amerikanischen Markt eine andere Wirkung haben als in Europa - sind - ähnlich den Loriotschen Tellergerichten - ein wenig overprocessed, konstruiert und manieriert. Die Schwelle von 'anstrengend' zu 'aufregend' ist fließend, weiß ich - doch gerade Weißblüher, wie sie hier in Soleil Brûlant verwendet werden, erfordern ein ruhiges und auch ein souveränes Händchen. Das hatte man bei Tom Ford jahrelang - wie auch die ruhige Selbstsicherheit, auch fordernde Akkorde spannend und interessant zu orchestrieren. Doch wenn das Anstrengende zum Selbstzweck wird, geht das Spielerische gleichzeitig verloren, der Charme, die Raffinesse... So ist Soleil Brûlant ein schwerer Duft im Sinne von 'gewichtig' ebenso wie schwierig - süß und getragen, doch ohne jenen legendären 'Sadcore', den ich bei den älteren Private Blends so mochte und noch immer mag. Schlecht ist er nicht - doch es fehlt ihm jenseits von weißen Blüten und von schwarzem Honig das Versehrte, das Gefallene, das Private Blends so aufregend und besonders macht, fehlt Schwermütigkeit in seiner Schwere, fehlt trotz des 'viel von allem' viel.
Fazit: 'Queue d'écrivissage en sauce Poupoule-Courouse' in einem goldfarbenen Nouveau Riche-Flakon. Und dabei hätte ich viel lieber eine große Portion Spaghetti Carbonara - gelupfter Silbercloche und gequirltem Spiegel aus Trüffeljus und Demiglace zum Trotz!
Ich war - und bin im Grunde immer noch - ein großer Anhänger des Duftschaffens des Herrn Ford aus Texas. Ich besitze etliche seiner Düfte und verwende sie häufig und gerne. Diese langjährige Begeisterung fußt auf den ersten Generationen seines Œuvres: Altvordere wie Noir de Noir und Tuscan Leather sowie verschüttete Kleinode wie Moss Breches und London, dramatische und getragene oder fast theatralisch anmutende Düfte, denen ich immer die Aura von etwas latent Versehrtem angedichtet habe. Es folgten die Jardin Noir-, die Atelier d'Orient- und die 'grüne' Serie, alle miteinander schöne und ehrbare Nachfolger jener frühen Düfte. Nun ist schon lange kein neuer Tom Ford mehr zu meiner Sammlung hinzugekommen - Vanille Fatale war der letzte, bei dem ich in Versuchung war - und wird es absehbar auch nicht. Die blauen Sommerdüfte - inspiriert von den Gestaden Italiens - fand ich noch leichtfüßig-passabel, doch spätestens seit den sogenannten Fougères - die neuen 'schlüpfrigen' Fruchtdüfte mal großzügig völlig außen vor - ist im Hause Ford auch französische Woche: 'Fougère Platine', 'Tubéreuse Nue', 'Soleil Neige' und jetzt 'Soleil Brûlant' - und kaum weniger anstrengend und konstruiert wie damals jene bei Ödipussi.
All diese jüngeren französisch benannten Private Blends - und es ist mir klar, dass französische bzw. französisch klingende Namen auf dem amerikanischen Markt eine andere Wirkung haben als in Europa - sind - ähnlich den Loriotschen Tellergerichten - ein wenig overprocessed, konstruiert und manieriert. Die Schwelle von 'anstrengend' zu 'aufregend' ist fließend, weiß ich - doch gerade Weißblüher, wie sie hier in Soleil Brûlant verwendet werden, erfordern ein ruhiges und auch ein souveränes Händchen. Das hatte man bei Tom Ford jahrelang - wie auch die ruhige Selbstsicherheit, auch fordernde Akkorde spannend und interessant zu orchestrieren. Doch wenn das Anstrengende zum Selbstzweck wird, geht das Spielerische gleichzeitig verloren, der Charme, die Raffinesse... So ist Soleil Brûlant ein schwerer Duft im Sinne von 'gewichtig' ebenso wie schwierig - süß und getragen, doch ohne jenen legendären 'Sadcore', den ich bei den älteren Private Blends so mochte und noch immer mag. Schlecht ist er nicht - doch es fehlt ihm jenseits von weißen Blüten und von schwarzem Honig das Versehrte, das Gefallene, das Private Blends so aufregend und besonders macht, fehlt Schwermütigkeit in seiner Schwere, fehlt trotz des 'viel von allem' viel.
Fazit: 'Queue d'écrivissage en sauce Poupoule-Courouse' in einem goldfarbenen Nouveau Riche-Flakon. Und dabei hätte ich viel lieber eine große Portion Spaghetti Carbonara - gelupfter Silbercloche und gequirltem Spiegel aus Trüffeljus und Demiglace zum Trotz!
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