Paris (Eau de Toilette) von Yves Saint Laurent

Paris 1983 Eau de Toilette

Pinkdawn
25.07.2018 - 13:42 Uhr
20
Hilfreiche Rezension
5Duft 8Haltbarkeit 8Sillage 9Flakon

Die modrige Süße verwelkter Rosen auf Trauerkränzen

Paris von YSL ist ein Duft, bei dem sich mir immer eine Frage stellt: Was hat die Hauptstadt der Franzosen - und natürlich im Besonderen der Französinnen – mit diesem Parfum von Yves Saint Laurent zu tun?
Ich kenne Paris. Nicht sehr gut. So, wie man die Stadt eben als Gast kennen lernt. Ich besuchte Paris im August, jenem Monat also, in dem die Einheimischen, wenn sie es sich leisten können, aus der Metropole flüchten und sie den Touristen überlassen.
Immerhin. In den Parks und Gärten blühte es – in den schönsten Farben des Sommers. Auch Rosen waren dabei. Im Jardin du Luxembourg, in den Tuilerien, im Jardin Anne-Frank und vor allem im Roseraie du Parc de Bagatelle.
Ich stelle mir vor, dass Yves Saint Laurent in den frühen 80er Jahren dort spazieren gegangen ist und sich von üppigen Damaszener Rosen, Teerosen oder blaßrosa Bourbonrosen, wie sie einst in Josephines Malmaison blühten, zu seinem Parfum inspirieren ließ.
Das ist natürlich eine naive Vorstellung. Ist doch die Parfümeurin des Dufts die Russin Sophia Grojsman, die Düfte wie Eternity, Beautiful und Trésor kreiert hat. Aber vielleicht ist ja sie in den Rosengärten von Paris gesessen und hat ihre Düfte genossen.
Paris gilt als „Rosenduft“. Das war auch der Grund, weshalb ich mich für dieses Eau de Toilette interessiert habe. Ich liebe Rosenduft.
Der charakteristische Flakon aus geschliffenem Glas mit seinem schwarz-pinken Verschluss hat mich sofort angesprochen.
Der Duft startet gleich nach dem Aufsprühen sehr süß, mir fast schon zu süß. Von der zitrischen Bergamotte merke ich wenig. Grüne Noten sind hingegen anfangs deutlich vorhanden. Auch Blüten mischen sehr bald mit. Die Rose ist von Anfang an präsent und bleibt es. In der Herznote beginnt der Duft etwas pudrig zu werden. Die heiteren Klänge von Grün und Bergamotte sind nun komplett verschwunden. Das EdT bietet keinerlei Frische mehr, nur eine schwere, fast an Honig erinnernde etwas stechende Süße, die zuletzt von Sandelholz noch verstärkt wird. Dazu werden auch Schwergewichte wie Amber und Moschus bis zum Abwinken aufgefahren.
Paris – ich meine das Parfum - hat mich seinerzeit überzeugt, was ich heute nicht mehr nachvollziehen kann. Ich habe mir den Eau de Toilette Spray gekauft und ihn gern in der Sommerzeit verwendet.
YSL nennt den Duft verführerisch. Er soll eleganten, fröhlichen Damen mit erlesenem Geschmack stehen. Beschrieben wird das Parfum als romantisch, sehr feminin und delikat.
Dass ich noch einen halb gefüllten Flakon davon besitze, hat natürlich seine Gründe. Irgendwie hat mir der Duft früher viel mehr zugesagt. Heute empfinde ich ihn als zu süß, zu schwer – selbst als Eau de Toilette – und auch, ja, irgendwie altmodisch.
Es ist das Dufterlebnis das man möglicherweise hat, wenn man eine alte Truhe auf dem Dachboden findet, sie öffnet und darin den vergilbten Brautschleier der Ururgroßmutter findet, in dem sich ein Parfum von anno dazumal festgesetzt hat.
Ich würde mir wünschen, dass die Rosen frischer duften, und der gesamte Duft leichter, spritziger und nicht gar so dunkel und streng wäre. Aber tatsächlich hat er eine samtige Schwere, die für mich fast etwas Melancholisches hat. Von der versprochenen Fröhlichkeit merke ich nichts. Ich kann mir bestenfalls vorstellen, dass eine attraktive, gepflegte Dame in Schwarz mit rot lackierten Fingernägeln ihn zum Begräbnis ihres Gatten trägt.
Ich mag pudrige Düfte. Aber hier begegnet mir eher staubiges Pathos als ein fröhlicher Rosenpuderduft.
Ich vermag heute nicht mehr erkennen, was mir einmal an diesem Duft so gefallen hat. Derzeit kann ich mich nicht mit ihm identifizieren und außer Begräbnissen wüsste ich kaum eine Gelegenheit, bei der ich ihn tragen würde.
Romantisch? Nein. Verführerisch? Schon gar nicht. Feminin? Bestenfalls, wenn es sich dabei um ältere Damen handelt. Man braucht schon eine gewisse Persönlichkeit, um diesen dominanten Duft zumindest abends tragen zu können, ohne von ihm erdrückt zu werden. Sillage und Haltbarkeit sind hier für ein Eau de Toilette fast unglaublich intensiv!
Mit der lebendigen Weltstadt an der Seine, der Stadt der Liebe und der Künstler hat dieser schwerblütige Duft meiner Meinung nach allerdings nichts zu tun. Sie hätte sich eine bessere bzw. passendere Kreation verdient. Etwas Leichtes, Blumiges, mit Charme und Esprit, raffiniert, aber anmutig und lieblich.
Doch Paris, der Duft, hat von all dem so überhaupt nichts.
In Wien haben wir eine Weiße Frau, die in der Hofburg umgeht. Angeblich handelt es sich um Kunigunde, die unglückliche Witwe Premysil Ottokars II., König von Böhmen, der 1278 in der Schlacht auf dem Marchfeld von Rudolf I. von Habsburg besiegt wurde und fiel. Rudolf stellte den Leichnam des glücklosen Königs übrigens danach 30 Wochen in Wien zur Schau.
Gern gesehen ist der ruhelose Geist der Königin nicht. Kündigt ihr Erscheinen doch sicheres Unheil an. Ich bin ihr zum Glück noch nie begegnet. Sollte ich es einmal, bin ich jedoch sicher, ihr Parfum sofort zu erkennen: dieser morbide Duft verwelkter Rosen auf Trauerkränzen, diese modrige, schwere Süße …
8 Antworten
WasserlilieWasserlilie vor 5 Jahren
Trefflicher kann man dieses Parfum nicht beschreiben, du sprichst mir aus der Seele. Für mich einer der unangenehmsten Düfte überhaupt, in der EdP Variante sogar noch schlimmer. Zum Glück ist er nicht (mehr) populär. Hoffe, ich muss den nie wieder irgendwo riechen!
BlauemausBlauemaus vor 7 Jahren
Ich finde den auch schrecklich altbacken.
LaPrimaveraLaPrimavera vor 7 Jahren
Unsere Nachbarin, eine betagte römische Baronessa, zog diesen Duft oft hinter sicher her (mittlerweile hat sie den Duft gewechselt - "Es geht nichts über die Guerlains", wie sie mir neulich gestand, als sie "Jardins de Bagatelle" an mir erschnüffelte). Ich kann meine lang zurückliegende Begeisterung für "Paris" heute auch nicht mehr nachvollziehen.
KleopatraKleopatra vor 7 Jahren
Ich hab diesen Duft auch als sehr stickig und altbacken empfunden und war sehr enttäuscht. Die limitierten Printemps-Varianten dufteten dann so, wie ich mir Paris eigentlich vorgestellt hatte: frühlingsfrisch und herrlich!
SonaSona vor 7 Jahren
Ein wunderbar geschriebener Kommentar! Mich erinnert der Duft an meine Zeit in Wien, dort lebte ich fast zehn Jahre lang im neunten Bezirk. In einem der Nachbarhäuser lebte eine ältere Dame, die ich ab und zu zufällig auf der Straße traf; ihr unverkennbares Rosenparfum war auch im Winter schon von Weitem wahrzunehmen. Ja, Paris wirkt inzwischen ein bisschen antiquiert, aber irgendwie mag ich die alten "Kracher", die nicht -wie heute so oft- an einen Obstsalat erinnern oder an ein Dessert.
madomado vor 7 Jahren
Interessanter und hilfreicher Kommentar. Wo du gerade bei Pariser Düften sind: schau dir mal „Made in Pigalle“ an - die treffen das Thema viel besser ;-) Hab auch schon einen Kommentar zu einem Duft aus der Reihe verfasst. Findest du bei mir auf der Seite
AlliageAlliage vor 7 Jahren
In den 1990ern trug ich den Duft gern im Frühling/Sommer. Er war fröhlich und spritzig. Davon ist heute leider nichts mehr übrig. Schade. Deine Überschrift sagt alles.
StanzeStanze vor 7 Jahren
Es könnte ja auch an der Hitze liegen. Ich hab gestern und heute Sachen getestet, von denen ich lieber die Finger hätte lassen sollen. Beide Parfums haben aber Supernoten auf Parfumo gekriegt. Bei 30°C geht wohl kaum noch was.