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Sehr hilfreiche Rezension
„Mangelhafte Qualitätskontrolle“ sagt Linda
Der letzte Tag vor dem Urlaub ist meistens stressiger. An was Linda noch alles denken musste, bevor es an den Strand ging. Sie war Reinigungskraft bei Câline und mochte die Mitarbeiter. Aber noch lieber mochte sie die angenehmen Düfte, die ihr aus jedem Labor entgegenströmten. Entsorgte Reagenzgläser dufteten nach Rosen, Kaffee oder Vanille. Es gab wahrlich schlimmere Jobs.
Der Hunger trieb und da das gesamte Geschirr bereits in der laufenden Spülmaschine stand, holte sie sich eine Plastikschale aus dem Labor. Kokosmilch und ein paar Haselnüsse zum Einweichen. Zum Essen kam sie aufgrund des Aufgabenpensums nicht, da sich ein neuer Duft in der Produktion befand. Eine Kopie des beliebten Cheirosa '62 sollte es werden, „die Mädels werden es lieben“ jauchzte der Chef euphorisch. Süß, salzige Pistazie in Karamell getaucht. So sollte er riechen. Die kreativen Köpfe rauchten.
„Wenn ich nicht mehr gebraucht werde, verabschiede ich mich jetzt in den Urlaub.“, winkte Linda in die Runde.
„Nur wenn du verrätst, wohin deine Reise geht“, bekam sie zur Antwort. „In die französische Sonne“ zwinkerte sie.
Die Mitarbeiter zuckten zusammen und warfen sich verheißungsvolle Blicke zu.
Linda hatte keine Zeit für Interpretationen. Vielleicht hatten sie auch zu lange an den Tonkabohnen geschnüffelt. Die Nebenwirkungen einer Tätigkeit im Parfumlabor nehmen machmal seltsame Formen an.
Sie konnte noch nicht ahnen, dass der Erholungseffekt ihres einwöchigen Urlaubs schneller dahin war, als gedacht.
Was lag denn da in der Luft? Eine eigenartige Note, die sie nicht zuordnen konnte. War aber nicht weiter von Belang, denn alle wurden im Konferenzraum erwartet, um der Präsentation des neuen Câline beizuwohnen. Die CEOs und Geschäftsführer etlicher Drogerien schüttelten sich kräftig die Hände, in freudiger Erwartung auf das was nun vorgestellt werden würde. Linda ertappte sich dabei, tanzende Dollarzeichen in den Augen der Anwesenden erkannt zu haben.
Die Präsentation startete. „Soleil de France“ erschien als Deckblatt in Câline typischem Glasflakon mit kleinen eingefassten Röslein am Fuß. Sehr schön! Die Parfumeure schauten mit einem Lächeln zu Linda. Warte mal, war sie etwa die Inspirationsquelle gewesen? Bauchgepinselt freute sie sich auf den ersten Test. Könne sie bald einen Signatureduft ihr Eigen nennen?
Jeder Schritt der Herstellung wurde fotografisch dokumentiert und auf einer XXL Wand projiziert.
„… und hier sehen Sie die Kokosmilch, die für die Cremigkeit in der Kopfnote zuständig war…“
Moment mal… Linda rieb sich die Augen. War das etwa ihre Müslischale, die sie vor dem Urlaub vergessen hatte?
Ihr Herz hämmerte bis zum Hals. Die Bilder zeigten jedes Detail ihres Frühstücks, das wunderschön mit allen anderen Duftstoffen verarbeitet wurde. Niemand schien zu wissen, dass die gefüllte Schale fast eine Woche lang herumstand. Sie brauchte Sicherheit. Das konnte unmöglich sein. So stand sie leise auf und suchte das Labor auf. Etliche Müllsäcke warteten schon hübsch aufgereiht auf sie, denn eine Vertretung hatte sie nicht. Mit zitternden Fingern fand sie was sie suchte… eine seltsam verformte Müslischale. Das Kunststoff schien angeschmolzen gewesen zu sein. Da fiel es ihr siedend heiß ein: Sie hatte ihr Frühstück auf der Herdplatte stehen gelassen.
Die Übelkeit war nicht nur der aufsteigenden Angst geschuldet entdeckt zu werden, sondern auch dem beißenden Plastikgeruch, der sich mit den Resten verrotteter Kokosmilch verband.
Natürlich verriet sie niemandem davon und setzte sich nach diesem Schock wieder unauffällig in den Saal. Scheinbar schienen die Anwesenden einer Massenhypnose zum Opfer gefallen zu sein, als sie den hübschen Flakon herumreichten in einer dicken Duftwolke „aaahs“ und „ooohs“ ausstießen. Sie überwarfen sich selbst beim Brainstorming über ein kluges Marketing in den Sozialen Medien. Zur Krönung erhielt Linda den ersten Flakon als Namensgeberin. Unter tosendem Applaus wollte sie nur noch eins: sich übergeben.
So wie riecht denn nun die französische Sonne? Die Pyramide klingt nach einem Traum. Eine Alternative Cheirosa '62 ? Ha, kaufe ich natürlich! Youtuber produzierten schon Videos, bevor der dauernd ausverkaufte Duft überhaupt meine Drogerien erreichte. Meine Spannung stieg ins unermessliche, ich wollte ihn so sehr haben. Vor allem zu dem erschwinglichen Preis. Was solls, wenn die Haltbarkeit wie das bekannte Bodyspray ausfallen würde, dann kauf halt zwei Flaschen.
Als ich ihn endlich testen dufte, war ich voll freudiger Erwartung eines gourmandigen Sonnencremeduftes. Der Test war jedoch wie ein Bauchklatscher in ein Schwimmbad mit knöcheltiefem Wasser.
Eine strenge Note durchzieht die Kopfnote, die bis zum Drydown leider nicht verschwindet. Was ist das? Vergorene Kokosmilch? Geschmolzenes Plastik? Verdorbene Haselnüsse? Ich kann es nur als solches identifizieren. So etwas habe ich noch nie gerochen. Leider viel zu stechend penetrant, um es zu ignorieren. Im Hintergrund die süss salzige Pistazie. Die Herznote zeigt schon Ähnlichkeit zum Cheirosa '62 auf. Aber die Störnote bleibt. Im Drydown gibt sie nochmal richtig Gas. Die Haltbarkeit ist moderat, ich hätte sie mir in diesem Fall kürzer gewünscht.
Ich konnte nicht glauben, was ich da roch und ging zunächst von einem Defekt an meiner Nase aus, so viele Kunden können sich doch nicht täuschen. Mehrere Tests an unterschiedlichen Tagen in unterschiedlichen Filialen und Testern brachten aber exakt die gleichen Ergebnisse. Eine Kopie zum Cheirosa '62 Bodyspray oder dem Parfum Sol Cheirosa '62 ist es somit nicht.
Câline ich hätte euch gern mein Geld hinterhergetragen. Aber nicht für einen Plastikunfall. Ich schlage eine Reformulierung vor. Potential ist vorhanden, aber nächstes mal ohne geschmolzene Müslischale mit verdorbenen Zutaten. Die haben nix im Parfum zu suchen.
An der Stelle Liebe Grüsse von Linda. Sie kann nichts dafür.
Der Hunger trieb und da das gesamte Geschirr bereits in der laufenden Spülmaschine stand, holte sie sich eine Plastikschale aus dem Labor. Kokosmilch und ein paar Haselnüsse zum Einweichen. Zum Essen kam sie aufgrund des Aufgabenpensums nicht, da sich ein neuer Duft in der Produktion befand. Eine Kopie des beliebten Cheirosa '62 sollte es werden, „die Mädels werden es lieben“ jauchzte der Chef euphorisch. Süß, salzige Pistazie in Karamell getaucht. So sollte er riechen. Die kreativen Köpfe rauchten.
„Wenn ich nicht mehr gebraucht werde, verabschiede ich mich jetzt in den Urlaub.“, winkte Linda in die Runde.
„Nur wenn du verrätst, wohin deine Reise geht“, bekam sie zur Antwort. „In die französische Sonne“ zwinkerte sie.
Die Mitarbeiter zuckten zusammen und warfen sich verheißungsvolle Blicke zu.
Linda hatte keine Zeit für Interpretationen. Vielleicht hatten sie auch zu lange an den Tonkabohnen geschnüffelt. Die Nebenwirkungen einer Tätigkeit im Parfumlabor nehmen machmal seltsame Formen an.
Sie konnte noch nicht ahnen, dass der Erholungseffekt ihres einwöchigen Urlaubs schneller dahin war, als gedacht.
Was lag denn da in der Luft? Eine eigenartige Note, die sie nicht zuordnen konnte. War aber nicht weiter von Belang, denn alle wurden im Konferenzraum erwartet, um der Präsentation des neuen Câline beizuwohnen. Die CEOs und Geschäftsführer etlicher Drogerien schüttelten sich kräftig die Hände, in freudiger Erwartung auf das was nun vorgestellt werden würde. Linda ertappte sich dabei, tanzende Dollarzeichen in den Augen der Anwesenden erkannt zu haben.
Die Präsentation startete. „Soleil de France“ erschien als Deckblatt in Câline typischem Glasflakon mit kleinen eingefassten Röslein am Fuß. Sehr schön! Die Parfumeure schauten mit einem Lächeln zu Linda. Warte mal, war sie etwa die Inspirationsquelle gewesen? Bauchgepinselt freute sie sich auf den ersten Test. Könne sie bald einen Signatureduft ihr Eigen nennen?
Jeder Schritt der Herstellung wurde fotografisch dokumentiert und auf einer XXL Wand projiziert.
„… und hier sehen Sie die Kokosmilch, die für die Cremigkeit in der Kopfnote zuständig war…“
Moment mal… Linda rieb sich die Augen. War das etwa ihre Müslischale, die sie vor dem Urlaub vergessen hatte?
Ihr Herz hämmerte bis zum Hals. Die Bilder zeigten jedes Detail ihres Frühstücks, das wunderschön mit allen anderen Duftstoffen verarbeitet wurde. Niemand schien zu wissen, dass die gefüllte Schale fast eine Woche lang herumstand. Sie brauchte Sicherheit. Das konnte unmöglich sein. So stand sie leise auf und suchte das Labor auf. Etliche Müllsäcke warteten schon hübsch aufgereiht auf sie, denn eine Vertretung hatte sie nicht. Mit zitternden Fingern fand sie was sie suchte… eine seltsam verformte Müslischale. Das Kunststoff schien angeschmolzen gewesen zu sein. Da fiel es ihr siedend heiß ein: Sie hatte ihr Frühstück auf der Herdplatte stehen gelassen.
Die Übelkeit war nicht nur der aufsteigenden Angst geschuldet entdeckt zu werden, sondern auch dem beißenden Plastikgeruch, der sich mit den Resten verrotteter Kokosmilch verband.
Natürlich verriet sie niemandem davon und setzte sich nach diesem Schock wieder unauffällig in den Saal. Scheinbar schienen die Anwesenden einer Massenhypnose zum Opfer gefallen zu sein, als sie den hübschen Flakon herumreichten in einer dicken Duftwolke „aaahs“ und „ooohs“ ausstießen. Sie überwarfen sich selbst beim Brainstorming über ein kluges Marketing in den Sozialen Medien. Zur Krönung erhielt Linda den ersten Flakon als Namensgeberin. Unter tosendem Applaus wollte sie nur noch eins: sich übergeben.
So wie riecht denn nun die französische Sonne? Die Pyramide klingt nach einem Traum. Eine Alternative Cheirosa '62 ? Ha, kaufe ich natürlich! Youtuber produzierten schon Videos, bevor der dauernd ausverkaufte Duft überhaupt meine Drogerien erreichte. Meine Spannung stieg ins unermessliche, ich wollte ihn so sehr haben. Vor allem zu dem erschwinglichen Preis. Was solls, wenn die Haltbarkeit wie das bekannte Bodyspray ausfallen würde, dann kauf halt zwei Flaschen.
Als ich ihn endlich testen dufte, war ich voll freudiger Erwartung eines gourmandigen Sonnencremeduftes. Der Test war jedoch wie ein Bauchklatscher in ein Schwimmbad mit knöcheltiefem Wasser.
Eine strenge Note durchzieht die Kopfnote, die bis zum Drydown leider nicht verschwindet. Was ist das? Vergorene Kokosmilch? Geschmolzenes Plastik? Verdorbene Haselnüsse? Ich kann es nur als solches identifizieren. So etwas habe ich noch nie gerochen. Leider viel zu stechend penetrant, um es zu ignorieren. Im Hintergrund die süss salzige Pistazie. Die Herznote zeigt schon Ähnlichkeit zum Cheirosa '62 auf. Aber die Störnote bleibt. Im Drydown gibt sie nochmal richtig Gas. Die Haltbarkeit ist moderat, ich hätte sie mir in diesem Fall kürzer gewünscht.
Ich konnte nicht glauben, was ich da roch und ging zunächst von einem Defekt an meiner Nase aus, so viele Kunden können sich doch nicht täuschen. Mehrere Tests an unterschiedlichen Tagen in unterschiedlichen Filialen und Testern brachten aber exakt die gleichen Ergebnisse. Eine Kopie zum Cheirosa '62 Bodyspray oder dem Parfum Sol Cheirosa '62 ist es somit nicht.
Câline ich hätte euch gern mein Geld hinterhergetragen. Aber nicht für einen Plastikunfall. Ich schlage eine Reformulierung vor. Potential ist vorhanden, aber nächstes mal ohne geschmolzene Müslischale mit verdorbenen Zutaten. Die haben nix im Parfum zu suchen.
An der Stelle Liebe Grüsse von Linda. Sie kann nichts dafür.
16 Antworten


😂😂😂
Großartig!!!
Vielen Dank, dass du dir die Besprechung gegeben hast 😁