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Bin ich ein Museum?

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Bin ich ein Museum? vor 11 Jahren
Im Thread "Intertextualität" entsteht gerade eine spannende Diskussion, die mich sehr an einen Blog-Artikel von Louce erinnert, Sender zweiter Instanz.

Tragen Menschen Düfte, weil sie den Duft "schön" finden, oder weil sie sich mit dem Duft schön finden? Was ist "schön" und gibt es darüber hinaus vielleicht auch andere Motive einen Duft zu tragen? Vielleicht der Umwelt bewusst ein Signal zu übermitteln, dass über "heute fühle ich mich sexy, sportlich, etc." hinausgeht? Eignet sich ein Parfüm dafür überhaupt? Und welche Rolle spielt der Parfümeur dabei?
Re: Bin ich ein Museum? vor 11 Jahren
Dannyboy:
Tragen Menschen Düfte, weil sie den Duft "schön" finden, oder weil sie sich mit dem Duft schön finden?

Wieder mal scheint mir das eine Frage zu sein, die man nur individuell beantworten kann, weil die Motive von Mensch zu Mensch und von Kultur zu Kultur sehr unterschiedlich sein können.

Was mich angeht, ist es wohl der Wunsch, mich mit einem "schönen" (d.h. dem, was ich als schön empfinde) Duft selbst wohlzufühlen und von Anderen positiv (attraktiv, sympathisch, geschmackssicher usw.) wahrgenommen zu werden.

Was ist "schön" und gibt es darüber hinaus vielleicht auch andere Motive einen Duft zu tragen?

Über die Frage, was als "schön" gilt, könnten wir tage- oder seitenlang diskutieren. Wir alle sind beeinflusst von dem in unserem Kulturkreis vorherrschenden Schönheitsideal (was noch zu definieren wäre), haben aber durchaus individuelle Vorstellungen, die von der "Norm" abweichen können.
vor 11 Jahren
Dass Parfumkunst immer performativ wirken muss, also in Action, Anwendung, prozesshaft, unterscheidet sie von anderen Kunstformen.
Hmmm... aber wirklich? Unterscheidet es sie von allen?
Das Drama ist ebenso performativ funktionierend.
Wenn ein/e Autor/in ein Theaterstück schreibt, gibt es ja auch zwei Ebenen (Instanzen der Rezeption): Eine nicht-performative anhand des bloßen Textes und eine performative anhand einer Inszenierung.
Bei einem Theaterstück kommt auf der zweiten Ebene auch etwas hinzu, was der/die Künstlerin zwar möglich gemacht hat, aber nicht direkt beeinflusst, nämlich die Interpretation durch die Inszenierung (Regie, Bühnenbild, Schauspiel,...).
Bei Dramentexten würden wir ja nicht sagen, dass sie keine Kunst sind, weil sie für den praktischen Gebrauch gemacht sind.
Dieser praktische Gebrauch ist bei Parfum allerdings ein weniger künstlerischer, als bei einer Theaterinszenierung. Die Nutzenden nehmen den Duft ja nicht, um selbst Kunst zu schaffen, sondern einfach um gut zu riechen. Aber das bedeutet nicht im Umkehrschluss, dass Parfum deshalb kein Kunstwerk sein kann... sonst müssten wir vielen Opern z.B. diesen Status absprechen.

Im Vergleich mit der bildenden Kunst ("Bin ich ein Museum?"), ist der Unterschied größer, aber wenn man weiter denkt (Theater, Oper, Tanz, Performancekunst,...) erscheint er gar nicht mehr so deutlich.
vor 11 Jahren
@Jifat: Die spannende Frage dabei ist doch die, ob unser Bedürfnis nach Duft-Schönheit den künstlerischen Spielraum von Parfum einschränkt oder sogar negiert.
Also ist das Parfum (hypothetisch) ein Kunstwerk oder generell ein Werk von Design/Kunsthandwerk, weil die Benutzenden keinen Kunst-, sondern einen Schönheitsanspruch daran haben.

ähm.. es ist mir richtig peinlich, auf einen eigenen Blogartikel zu verweisen, nachdem Dannyboy das bereits im Eingangsposting getan hat, aber zum Begriff "Schönheit" ist dieser Text eventuell hilfreich (und sei es nur als Widerspruchsvorlage): Schönheit
Zuletzt bearbeitet von Louce am 26.01.2013, 12:47, insgesamt einmal bearbeitet
vor 11 Jahren
Louce:
Die Nutzenden nehmen den Duft ja nicht, um selbst Kunst zu schaffen, sondern einfach um gut zu riechen.

Es sei denn, sie machen sich selbst zum Kunstwerk oder zum Teil ihrer Kunst, oder? Ich möchte auch nicht ausschließen, dass es Leute gibt, die nicht nur gut riechen wollen. Oder die gar nicht gut riechen wollen, denen andere Aspekte wie Individualität mind. genauso wichtig, wenn nicht wichtiger sind.

Stichwort "Inszenierung": Kann man das nicht auch auf Musik übertragen? Auf die Art, wie Musik live umgesetzt wird, wo es ja auch den visuellen Aspekt gibt. Ebenso, wie beim Musikvideo, Plattencover, etc.
Zuletzt bearbeitet von Dannyboy am 26.01.2013, 12:53, insgesamt einmal bearbeitet
vor 11 Jahren
Louce:
Also ist das Parfum (hypothetisch) ein Kunstwerk oder generell ein Werk von Design/Kunsthandwerk, weil die Benutzenden keinen Kunst-, sondern einen Schönheitsanspruch daran haben.

Wieso nur die Tragenden?
vor 11 Jahren
@Dannyboy: Yep... vielleicht ist es viel zu kurz gegriffen, Duftnutzung zu reduzieren auf "gut riechen wollen". Zumindest kategorisch kann man das nicht. Wenn mein Liebster z.B. einen JCE-Duft auflegt, tut er das, weil dieser ihm gefällt, aber AUCH, weil er ihn begreifen will, weil er dessen Konzept bejaht, weil er dessen Aussage übernimmt, weil der Akt des Tragens für ihn etwas bedeutet, das über einen unreflektierten Genuss hinaus geht.
Es gibt auch reflektierten und reflektierenden Genuss.

Und yep... auch zur Musik gibt es deutliche Parallelen.
vor 11 Jahren
Baux:
Louce:
Also ist das Parfum (hypothetisch) ein Kunstwerk oder generell ein Werk von Design/Kunsthandwerk, weil die Benutzenden keinen Kunst-, sondern einen Schönheitsanspruch daran haben.

Wieso nur die Tragenden?

Bo, freilich gibt es viele, sehr viele (sicher die Mehrheit) von Parfumschaffenden, die keinerlei Kunstanspruch haben.
Aber es gibt auch andere.
vor 11 Jahren
In diesem Zusammenhang erwähnenswert ist, dass der o.g. JCE da differenziert. Einiges kreiert er als Künstler, anderes nicht. Nur seine Begründung fällt mir mal wieder nicht ein...
vor 11 Jahren
nochmal @Bo: Ich denke, wir müssen nicht dringend darüber diskutieren, ob z.B. "Desire Me" von Escada Kunst ist.
Aber sehr wohl, ob z.B. "Carnation" von Mona di Orio vielleicht Kunst sein könnte.
vor 11 Jahren
Louce:
Aber es gibt auch andere.

Sicher. Das ist aber keine Besonderheit von Parfum. Irgendwer bringt eine kreative Tätigkeit immer zur Kunst. Die Frage wäre noch, wann das passiert und wodurch.

Die Parallele zur Musik erschließt sich mir nicht wirklich. Meint ihr das Hören von Musik oder das Spielen? Ich finde etwa das Trinken von Wein/Whisky viel näher am Parfumtragen.
vor 11 Jahren
Baux:
Die Parallele zur Musik erschließt sich mir nicht wirklich. Meint ihr das Hören von Musik oder das Spielen? Ich finde etwa das Trinken von Wein/Whisky viel näher am Parfumtragen.

Das sage ich ja auch immer, obwohl viele Experten (z.B. Burr) das zum Teil vehement bestreiten (Parfum sei Kunst, Wein sei Natur). Dabei kommt es doch in beiden Fällen zu einer Vermengung von Kunst im Sinne der Schönen Künste und Kunst im Sinne von Kunsthandwerk. Richtig ist, dass kein Mensch besseren Wein machen kann als es die Natur zulässt. Das ist bei Parfum anders. Dennoch sehe ich beide Bereiche (Wein und Parfum) nicht so weit auseinander, insbesondere was die Rezeption angeht.
Zuletzt bearbeitet von Sisyphos am 26.01.2013, 13:58, insgesamt einmal bearbeitet
vor 11 Jahren
Baux:
Irgendwer bringt eine kreative Tätigkeit immer zur Kunst. Die Frage wäre noch, wann das passiert und wodurch.

Genau das findet doch u. a. hier statt.

Baux:
Die Parallele zur Musik erschließt sich mir nicht wirklich. Meint ihr das Hören von Musik oder das Spielen? Ich finde etwa das Trinken von Wein/Whisky viel näher am Parfumtragen.

Parallelen in dieser Hinsicht (s.o., es geht um das Performative).
Wenn Du ganz allgemeine Parallen ziehst, wird es (zumindest in der Form hier im Forum) schnell ungenau. Aber wenn ich das mit der generellen Parallele mal aufzugreifen versuche: Winzertum ist Kunsthandwerk. Es gibt sehr, sehr viele Aspekte der Parfumerie, die kunsthandwerklich sind. Aber zumindest ich glaube, das mit dem Sprung der Moderne (Beginn der synthetischen Parfumerie) die Möglichkeit entstanden ist, nicht kunsthandwerklich, sondern künstlerisch zu arbeiten. Und schon wieder verweise ich auf Blogartikel: Moderne I und Moderne II
vor 11 Jahren
Sisyphos:
Kunst im Sinne von Kunsthandwerk.

Achtung! Zwischen Kunsthandwerk und Kunst liegen Welten!
vor 11 Jahren
Louce:
Aber zumindest ich glaube, das mit dem Sprung der Moderne (Beginn der synthetischen Parfumerie) die Möglichkeit entstanden ist, nicht kunsthandwerklich, sondern künstlerisch zu arbeiten.

Das erschließt sich mir nicht. Kunst entsteht nicht durch technische Möglichkeiten oder besser gesagt, Kunst wird nicht durch technische Limitierungen verhindert. Von daher ist die Frage, wie Parfum wahrgenommen und getragen wird, nicht ganz falsch, denn der künstlerische Prozess, der anders sein will als Design (ich will nicht von darüber hinausgehen sprechen, weil das der Kunst einen absoluten Stellenwert zumisst, der nicht gerechtfertigt ist), entsteht aus einer Schaffenskonvention. Ich bin als Künstler also entweder frei oder man räumt mir meine Freiheit ein, weil man von mir eben Kunst erwartet und kein Designprodukt. Dass jemand Kunst schafft, obwohl die Regeln seines Schaffens klare Designparadigmen sind, ist da eher Projektion oder Verklärung.
vor 11 Jahren
Louce:
Sisyphos:
Kunst im Sinne von Kunsthandwerk.

Achtung! Zwischen Kunsthandwerk und Kunst liegen Welten!

Genau das sage ich ja: Kunst (Oberbegriff) im Sinne von Kunsthandwerk einerseits und im Sinne der Schönen Künste andererseits. Smile
vor 11 Jahren
Baux:
Kunst entsteht nicht durch technische Möglichkeiten oder besser gesagt, Kunst wird nicht durch technische Limitierungen verhindert.

Richtig, Kunst entsteht durch die Arbeit von Künstler/innen... aber deren Ausdrucksmöglichkeiten sind natürlich durch die zur Verfügung stehenden Mittel begrenzt und natürlich bedeutet eine z.B. technische Erweiterung des Mittel-Spektrums andere, neue Ausdrucksarten.
Eine solche Erweiterung eines Spektrums (und zwar unglaublich weit reichend) hat zur Jahrhundertwende 19/20 stattgefunden und möglich gemacht, dass sich Parfumeure/Parfumeurinnen überhaupt erst als Künstler/innen (im eigentlichen Sinne) verstehen konnten, bzw. dass Menschen mit künstlerischem Willen in der Parfumerie ein Betätigungsfeld fanden.
vor 11 Jahren
Louce:
Eine solche Erweiterung eines Spektrums (und zwar unglaublich weit reichend) hat zur Jahrhundertwende 19/20 stattgefunden und möglich gemacht, dass sich Parfumeure/Parfumeurinnen überhaupt erst als Künstler/innen (im eigentlichen Sinne) verstehen konnten, bzw. dass Menschen mit künstlerischem Willen in der Parfumerie ein Betätigungsfeld fanden.

Mal abgesehen davon, dass ich das nicht als schlüssig ansehe, aber mich nicht über die Geschichte der Parfumerie balgen möchte, war das schlicht nicht mein Punkt.
Re: Bin ich ein Museum? vor 11 Jahren
Dannyboy:
Tragen Menschen Düfte, weil sie den Duft "schön" finden, oder weil sie sich mit dem Duft schön finden? Was ist "schön" und gibt es darüber hinaus vielleicht auch andere Motive einen Duft zu tragen?

Ich denke das eine muss das andere nicht zwangsläufig ausschließen.
Re: Bin ich ein Museum? vor 11 Jahren
MariellaMmmh:
Dannyboy:
Tragen Menschen Düfte, weil sie den Duft "schön" finden, oder weil sie sich mit dem Duft schön finden? Was ist "schön" und gibt es darüber hinaus vielleicht auch andere Motive einen Duft zu tragen?

Ich denke das eine muss das andere nicht zwangsläufig ausschließen.

Wenn du dich auf die erste Frage beziehst, dann würde ich insofern widersprechen, als dass es schon eine andere Herangehensweise ist. Bin ich das Medium für den Duft oder ist der Duft ein Medium für mich sozusagen. Gerade unter Parfumos dürfte ersteres durchaus vorkommen. *g*
vor 11 Jahren
Hey! Parfumo hat ja doch nen Chat! *lol*
Re: Bin ich ein Museum? vor 11 Jahren
Lolita:
Hey! Parfumo hat ja doch nen Chat! *lol*

Laughing

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Dannyboy:
Wenn du dich auf die erste Frage beziehst, dann würde ich insofern widersprechen, als dass es schon eine andere Herangehensweise ist. Bin ich das Medium für den Duft oder ist der Duft ein Medium für mich sozusagen. Gerade unter Parfumos dürfte ersteres durchaus vorkommen. *g*

Ich bezog mich auf die erste Frage, aber, ich Dummerchen, habe falsch zitiert. *slapsthetypist*

Hm. So größenwahnsinnig mich für ein Medium zu halten war ich bis dato nicht. Würde auch die Matrix durcheinander bringen. Wink
Nee, Spaß beiseite: Ich verstehe Deinen Ansatz.
vor 11 Jahren
Zur Unterscheidung zum Design:
Wenn ein Anspruch an das Werk der Gebrauch ist, kann es nicht Kunst sein, sondern zählt automatisch zu Design?
Hmmm... das mit der immanenten Nutzungsbedingung ist ein gutes Argument, aber ich denke, man kann es nicht so einfach abhandeln. Die Parfumeure und Parfumeurinnen arbeiten entweder ganz nah an der Nutzbarkeit//Konsumptionsfähigkeit oder weiter entfernt davon... oder vollkommen losgelöst.
Ich glaube weiterhin nicht, dass ein Aspekt, der nicht dem gewohnten Kunstbegriff klar entspricht, die Sache entscheiden kann, sondern dass dem Charakter von Parfumerie am meisten entsprochen wird, wenn wir auch unterschiedliche (oder sich vielleicht widersprechende) Aspekte sammeln und betrachten.

@Bo: Ich würde Dich echt mal bitten, den Blogartikel zu lesen, den Danny im Eingansposting verlinkt hat. Am Ende komme ich exakt zu dem Schluss, dass dieser Aspekt die Parfumerie ein wenig mehr Richtung Design rückt.
vor 11 Jahren
Lu, ich habe das sogar gelesen. Mir sind jedoch manchmal einige Begriffe darin für mich zu wenig definiert oder ich sehe sie gar nicht als wesentlich an. Die Diskussion auf zwei Ebenen, Blog und Forum, ist daher etwas mühsam. Aber ich beziehe mich auch gerne auf deine Blogs, wenn es in der konkreten Diskussion hilfreich ist. Der oben verlinkte gibt auch sehr richtig die These wieder, dass Tragbarkeitsansprüche Designvorgaben liefern, die Kunst verhindern.

Ich hatte allerdings bisher den Eindruck, dass es in dieser Diskussion eben um die Parfums geht, wo sich der Hersteller mal einen Arsch um den Kunden kümmert oder annimmt, dass der Träger gerne ein Kunstobjekt wäre. Dass also keine Einschränkungen durch den Sender zweiter Instanz gegeben sind.

Dennoch bleibt für mich das Ästhetische die einfache und natürliche Ausrichtung des Parfumdesigns. Für Parfumkunst nimmst du die Schaffung von Ausdruck an, was genau mein Punkt ist, wenn ich die schöpferischen Paradigmen von Parfum erfrage. Für mich sind die allerallermeisten Parfums weiterhin reine Ästhetik, vielleicht auch Wirkungsästhetik. Was mich allerdings auch keineswegs stört, da ich Design für mindestens so großartig wie Kunst halte.
vor 11 Jahren
Baux:
die allerallermeisten Parfums (sind) weiterhin reine Ästhetik, vielleicht auch Wirkungsästhetik.

Unterschreib ich.

Und "Kunst" heißt nicht "gut", "wichtig" oder "wertvoll". Es gibt gute, miese, nötige, unnötige, schlaue und blöde Kunst. Der Begriff allein ist die Zuschreibung einer Qualität, kein Qualitätsurteil.
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