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Intertextualität

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Intertextualität vor 12 Jahren
Ich hatte einen Blog-Artikel begonnen, merkte dann aber, dass ich zu wenig Stoff habe, um da weiter zu denken, demnach eröffne ich einen Forumsthread hierzu.

Gestern, als ich was Namenserklärendes zu "Muscs Koublaï Khän" schrieb, drängte sich mir die spannende Frage auf, ob "Musc Nomade" eine Antwort darauf sein könnte.
Also Kublai Khan, das Sinnbild des Sesshaftwerdens an sich: Herrscher einer nomadischen Kultur, der ein riesiges Reich erobert und dort eine Kaiserdynastie gründet. In der extrem festen, statischen Position des Kaisers war ein ungeheurer Reichtum, eine Übermacht und eine Überpracht möglich und nötig... alles entstanden aus einem natürlichen, tier- und erdverbundenen Lebensstil. Der Name des Parfums ist meiner Meinung nach extrem gut gewählt.
"Musc Nomade" ist dagegen das Beharren auf dem nomadischen Konzept. Dieser Moschusduft strebt nicht nach Ausbreitung, strebt nicht fette Macht und Pracht an, sondern bleibt beweglich und vermeidet starke Bodenhaftung.

Aber ist der Titel Musc Nomade mit einem Bezug zum anderen Parfumnamen Muscs Koublaï Khän gewählt?
Gibt es da eine kleine, augenzwinkernde Hommage von AG? Sie macht einen puren Moschusduft, der als Gegenentwurf eines anderen, durchaus berühmten Moschusduftes funktioniert... ist das bewusst und mit direktem Bezug gemacht oder Zufall?

Daraus kam die Frage nach der Intertextualität in der Parfumerie.
JEDE Kunstform hat eine, warum ausgerechnet die Parfumerie nicht?

Bewusstest Zitat, Hommage, Wiederaufgreifen als Ehrung oder als kritische Auseinandersetzung ... wo gibt es das zu riechen?
Was unterscheidet ein Zitat geruchlich vom Plagiat?
Wodurch wird eine Offenlegung des Rekurses auf ein bestehendes Werk deutlich?

Das sind die halben Gedanken und Fragen, die ich mal ins Forum werfen will.
Fallen Euch noch Beispiele des Zitats ein? Nicht eventuelle, Vielleicht-Zitate, die Euch so vorkommen könnten, sondern eben bewusste. Wo wird explizit (evtl. auch mit dem Namen) auf ein Original verwiesen?
Wie explizit geht das überhaupt?
Und ist meine Kubai-Khan-Nomaden-Idee unsinnig oder tragfähig?
Zuletzt bearbeitet von Louce am 10.01.2012, 10:58, insgesamt einmal bearbeitet
vor 12 Jahren
"Bendelrious" von Etat Libre kann sich nur auf Henri Bendel beziehen, welcher Lederwaren und Parfums unter seinem Namen herausgebracht hat. Bendelirious roch genau nach dieser Mischung von Handtaschen+Beautysalon .....(aber leider nur eine Vermutung)
vor 12 Jahren
*g* "Bendelirious" wurde im Auftrag des Bendel-Kaufhauses gemacht, insofern ist Deine Vermutung ganz klar ein Treffer.
Hier ist durch die Kunden-Auftragsituation ein klarer Bezug. Zitiert werden Bilder, Assoziationen, Gefühle, die mit dem Konzept "Bendel" konnotiert sind.
Keine wirkliche Parfumintertextualität (also nicht Zitat eines Parfums durch ein Parfum), aber immerhin ein Zitat.
Danke ET!
vor 12 Jahren
Ohne die Muscs Kublaï Khan und Nomade zu kennen, finde ich deine Idee spannend und nachvollziehbar. Selbst wenn die Schöpfer der Düfte sich vielleicht nicht mit Kublaï Khan als Sinnbild der Sesshaft-Werdung auseinandergesetzt haben sollten, sondern nur auf das Bild, das Samuel Coleridge in seinem Gedicht Khubla Khan von ihm und seinem Palast in Xanadu gezeichnet hat, bleibt ja der Kontrast zwischen dem Nomaden, der mit leichtem Gepäck frei umherzieht zum massiven Palast mit angehäuften Reichtümern und zum erobernden Mongolenherrscher.

Du meinst jetzt allerdings nicht Intertextualität zwischen anderen Kunstformen (wie Lyrik/Literatur, Musik, Malerei etc.) und Parfumeurskunst, sondern zwischen Parfums untereinander, oder?
vor 12 Jahren
Nein, nicht interdisziplinäre Intertextualität, sondern schon Intertextualität innerhalb einer Kunstform (also zwischen Parfum und Parfum).
Das Coleridge-Gedicht passt sehr, sehr gut zu dieser Vermutung des intertextuellen Bezuges zwischen den 2 Düften und dürfte sehr populär für die Bildung des Kublai-Khan-Bildes sein. Vielen dicken Dank, Asphaltblume, dass Du mich daran erinnert hast!!!
vor 12 Jahren
Liebe Louce, danke für den spannenden Thread!

Ich denke, die Intertextualität, wie es sie innerhalb anderer Kunstformen gibt, lässt sich zwangsläufig nicht in vergleichbarer Weise in der Parfümsparte (oder Parfümkunst) finden. Das liegt nicht daran, dass Düfte keine anerkennenswerte Kunstform wären. Meiner Meinung nach können Parfümkreationen zweifellos als Kunstform eingeordnet werden, wobei sicher nicht alle Düfte Kunst sind; genausowenig, wie alle Druckerzeugnisse literarische Kunst sind.

Aber ein großer Unterschied zu Literatur, bildender Kunst und selbst Musik ist doch, dass Düfte objektiv noch viel flüchtiger als sogar Musik sind, und subjektiv noch einer viel größeren Bandbreite unterschiedlicher Wahrnehmung unterliegen, als (wiederum z.B.) Musik. Der Unterschied zu Literatur und bildender Kunst hinsichtlich Flüchtigkeit und Subjektivität der Wahrnehmung ist noch weit größer.

Geschriebenes Wort ist durch Buchstaben und Druck festgelegt (um Feinheiten streiten sich die Editoren, und meistens sind es wirklich nur Feinheiten). Vergleiche zwischen verschiedenen Druckwerken anzustellen, ist im Prinzip einfach; ein Satz aus Roman A kann mit einem Satz aus dem Theaterstück B verglichen werden und beide bleiben wie sie sind, ohne dass sich die gedruckten Wörter verflüchtigen (die Interpretation bleibt freilich offen).

Und Bilder, Skulpturen, Installationen, sind so, wie sie dargeboten werden, wahrnehmbar; auch hier sind Vergleiche im Prinzip einfach, auch wenn die Interpretation noch so schwierig ist. Bei Musikstücken können die Notenschriften oder auch unterschiedliche Aufnahmen hergenommen werden, um Vergleiche anzustellen. Das Auffinden von Übereinstimmungen (ob Zitat oder Plagiat sei dahingestellt) ist bei den genannten Kunstgattungen daher – zumindest von der Methode her - verhältnismäßig einfach.

Aber kein Parfümhaus liefert uns die Partitur zum Duft. Und die von mehr oder weniger glaubhaften, offiziellen oder inoffiziellen Duftpyramiden (Marketingabteilung, Foren …) offenbarte Information über die angeblichen Duftnoten und die Duftentwicklung bietet keinerlei zuverlässige Grundlage für den Nachweis, ob ein Duft einen anderen Duft zitiert.

So bleibt nur die eigene, subjektive Wahrnehmung, die im Einzelfall überzeugend begründbar sein mag, aber von der objektiven Vergleichbarkeit zweier geschriebener/gedruckter Sätze/Absätze dennoch weit entfernt ist.

Hinzu kommt die Schnellebigkeit und konsumbetonte Modebezogenheit der Duftbranche, die es schwer macht, zwischen ehrerbietendem Zitat und erfolgheischender Nachahmung zu unterscheiden. Und dann ist da auch noch die Befürchtung der Dufthäuser, bei einem zu eindeutigem Zitat mit einer Unterlassungsklage des Konkurrenten überzogen zu werden, wegen Plagiatvorwurf.

Insgesamt halte ich es vor diesem Hintergrund für sehr schwer, Intertextualität bei Düften zu erkennen und zu begründen. Ganz abgesehen davon, dass es sehr schwierig sind dürfte, nachzuweisen, dass ein bewusstes Zitat vorliegt (zumal wenn ich mir hier im Forum anschaue, wie konrovers oft diskutiert wird, ob ein Duft "chyprisch" oder "orientalisch" oder "balsamisch" oder was auch immer ist).

Was ich allerdings häufig sehe (und das ist, wie ich finde, ein ähnliches Phänomen) sind Zitate innerhalb von Düften desselben Dufthauses. Guerlain, Tauer, Lutens (z. B.) sind für mein Empfinden Dufthäuser, die sich ständig selbst zitieren und sich dadurch auch selbst immer wieder neu erfinden.
vor 12 Jahren
Deine Bemerkung
Louce:
Wo wird explizit (evtl. auch mit dem Namen) auf ein Original verwiesen?
Wie explizit geht das überhaupt?
sehe ich als dezidierten Fingerzeig auf ein Problem der Zuordnung: Was ist Hommage und was ist Kopie? Wird eben nicht mit einem Wortspiel oder einem Untertitel (Hommage à …) der Bezug hergestellt – erkennen wir es überhaupt? Und wenn ja – hat sich hier jemand schamlos bedient bei den Akkorden eines anderen oder ist es eine Ehrerbietung?
Nicht immer ist dies so leicht zu entscheiden wie bei Ellenas Statement "Déclaration"; ein Parfum, mit dem eine Richtung gewiesen wurde hin zu mehr Transparenz und aufgeräumter Duftpyramide. Wie Profumo schön in seinem Kommentar erläutert hatte, war dies eine Hommage an seinen Lehrer Edmond Roudnitska und dessen "Eau d'Hermès".
Hier ist die Intertextualität leicht erkennbar. Bei anderen Düften tue ich mich schwerer.
vor 12 Jahren
@Antoine: Danke für Deine Worte in diesem Thread. Ja,... es gibt einige "Abers", die einfallen, wenn man Parfumerie als Kunst betrachtet und mit anderen Kunstformen vergleicht. Ich habe zu einigem, was Du erwähnst, in meinem Blog geschrieben. Etwas unelegant, aber inhaltlich sehr sinnig, mag ich Dich mit dreifach unterstrichenem Nachruck einladen, dort etwas zu lesen.
Die "Ungenauigkeit", die Subjektivität, die Besonderheiten des angesprochenen Sinnes oder die interdisziplinäre Anwendung von Stilbegriffen (bzw. deren Möglichkeit), hat mich dort beschäftigt. Ich glaube nicht, dass in den Blogeinträgen fundamental Wichtiges geleistet wird, aber durchaus, dass Wichtiges angepeilt wird; mit meinen Mitteln eben.

@Ronin: Danke für Deine Worte in diesem Thread. Leider kenne ich "Déclaration" und "Eau d´Hermes" zu wenig und gar nicht im Vergleich, um das von Dir aufgezeigte Zitat zu kennen. Das wird schleunigst nachgeholt! Es klingt auf jeden Fall sehr vielversprechend: Schüler-Lehrer-Zitate sind nahe liegend und das, was da stilistisch Thema ist (Transparenz und Klarheit der Struktur) ist relativ deutlich in der Zeichenhaftigkeit des Duftzeichensystems zu formulieren.
vor 12 Jahren
In diesem Zusammenhang interessant ist die Beobachtung, dass die Referenz "Eau d'Hermès" bezüglich dem, was wir heute mit Ellena-Düften verbinden ("Minimalismus", "Transparenz", "Stringenz"), weiter war als "Déclaration". Über die Zwischenstufen The Different Company und "L'Eau d'Hiver" hat Ellena erst mit den Hermèssences die Maximen Edmond Roudnitskas konsequenter umgesetzt als sein Lehrer selbst.
"A taste of Heaven" vs. "Memoir Man" vor 12 Jahren
Schon länger wollte ich eine Parfümbeschreibung zu "Memoir Man" schreiben. Dieser Thread war nun die letzte nötige Aktivierungsenergie. Ich bin mir unsicher, ob es sich um gewollte Intertextualität handelt, so etwas zu behaupten wäre gewagt. Aber frappierend finde ich schon die sehr ähnlichen Duftpyraminden von "A taste of Heaven" und "Memoir Man", das gleiche Thema Absinth, die gleiche Flakonfarbe ... Für Details verweise ich einfach auf die Duftbeschreibung.
vor 12 Jahren
@ Lu, ich lese ständig in Deinem Blog mit! Und die Auffassung, dass die Kreation von Düften Kunst sein kann, teile ich, wie gesagt. Nur unterscheiden sich die Methoden der Wahrnehmung, aber auch der Herstellung - meiner Meinung nach - so deutlich von den anderen Kunstformen, dass sich die Frage nach der Intertextualität von vorneherein nicht so stellt, wie in anderen Kunstformen, sondern höchstens anders.

Das schließt daher keineswegs aus, dass eben diese Frage durch schlaue Nasen trotzdem gestellt wird, und auch nicht, dass sie beantwortet wird (im Sinne eines Aufspürens von Duft-Zitaten).

Düfte werden aber, wie Mode, oft in einem relativ engen zeitlichen Kontext geschaffen, sie sind Konsumgüter, meistens nicht für die Ewigkeit bestimmt, häufig nur der Gewinnmaximierung dienend, nicht selten dennoch gut duftend. Beeinflussung durch vorangegangenes Trendsetting ist in der Regel unvermeidbar, bzw. bewusst gewählt, um auf den Trend aufzuspringen.

Ich bleibe bei meiner Eingangsaussage, dass Duftkreation Kunst sein kann. Mein "Aber" richtet sich nicht gegen diese Prämisse; aber ich sehe hohe Hindernisse, was den Nachweis von Intertextualität betrifft. Dein Musc Nomade/Muscs Koublai Khan-Beispiel klingt für mich trotzdem schlüssig. Bendelirious ist ein anderer Fall. Zu Ronins Beispiel kann ich nichts sagen, weil ich die Düfte nicht kenne; klingt aber auch plausibel für mich.

Ansonsten zermartere ich mir das Hirn, ob und wo mir schon mal echte Duftzitate aufgefallen sein könnten, aber ich fürchte, mir fehlt dafür schlicht die erforderlich Duftkenntnis, und interessante Zufallsfunde in dieser Richtung sind mir auch nicht untergekommen. Aber immerhin hat dieser Thread mein Bewusstsein für die Fragestellung sehr geschärft, will heißen, dass ich künftig auf die Zitatfrage achten werde, wenn ich mit Düften umgehe.
vor 12 Jahren
Liebe Louce, ich wage es mal, einen Beitrag zu Deiner wirklich komplexen, aber interessanten Fragestellung zu geben, auf die Gefahr hin, Überflüssiges, Bereitserwähntes oder an Thema Vorbeigehendes zu sagen.

Ich befürchte, die Realität ist sehr viel profaner, als wir es uns auf den Suche nach künstlerischen Ausdrucksformen und Zusammenhängen der Parfümwelt erhoffen.
Wahrscheinlich liegt Deinem Beispiel der Namensgebung der beiden Muscdüfte gar kein Absicht zugrunde, sondern ich denke, dass hier einfach nur dem Wohlklang der Worte gefolgt wurde, um so die entsprechende Phantasie und Gefühlswelt zu wecken.
„Emotionen verkaufen besser“, dass weiß jede Marktingabteilung. Der Einfluss kommerzieller Interessen darf hier bei aller Euphorie für das Thema nicht unterschätzt werden.

Trotzdem, das Problem bleibt:
Wenn Parfümkunst eine Kunst im modernen Verständnis ist, so braucht sie, bzw der Kunstschaffende, also der Parfumeur den Dialog mit den Rezipienten und eben auch anderen Werken. Sie kann sich nicht abstrakt aus sich selbst heraus erfinden, sondern ist, auch und gerade bei minimalistischen Werken, immer ein Produkt vielfältiger und sich gegenseitig beeinflussender Bezüge. (Wem sag ich das?)
Ich glaube allerdings, dass diese Intertextualität, nach der Du suchst, nicht in Namen und Titelungen zu finden ist, wohl aber innerhalb eines Duftthemas, einer Grundidee, eines Motivs.
Diese Motive können auf der einen Seite auf einen Anlass abzielen oder auf einen Grundstoff, einen bestimmte Duftnote basieren.
Die Bearbeitung einer bestimmten Grundduftnote aber impliziert bereits das Zitat, denn der Kanon der Instrumentarien ist begrenzt. Auch wenn uns die Kombinationsmöglichkeiten zahlreich erscheinen, so ist sie im Vergleich zur Bildenden Kunst, zur Musik oder Literatur doch nur sehr begrenzt und alles weitere sind nur Variationen bereits vorhandenen Motive, z.B. des Rosenmotivs, des Irismotivs, des Motiv der Intimität, der Entspannung, usw.
Die Untersuchung dieser Variationen und Interpretationen als Ausdruck kreativen Schaffens finde ich aber spannend genug.
Direkte Zitate oder Bezüge zu beschreiben, verleitet leider mehr zu Spekulationen denn zu Erkenntnissen, denn die bereits von Antoine erwähnte Problematik der fehlenden objektiven Notation oder Einsicht in die Fixierung der Kompositionen können wir nicht ignorieren.
Es sei denn, die Duftsphinxen selbst erzählen uns etwas von ihren Ideen, treten also in eine Art Kommunikation mit uns, und selbst da können wir nicht sicher sein, inwieweit sie uns als Käufer oder Kunstinteressierte ansehen und beeinflussen.
vor 12 Jahren
@Calliste: Die Einschränkung in Sachen Titel/Namen gilt sicher für einen Großteil der Parfums. Aber, ich denke, dass innerhalb einiger Nischenlabels das Künslterische so betont und in den Mittelpunkt gestellt wird, dass es da auch keine Namensvorgaben durch ein Marketing geben muss, höchstens Beratung. Ein Duft von Annick Goutal (als sie noch lebte) und einer von Serge Lutens, sind ziemlich wahrscheinlich auch als "Werk" betitelt, nicht in erster Linie als Produkt, das sie freilich auch sind. Aber klar... allermeistens entscheidet das nicht ein/e Solokünstler/in.

Hmm... es gibt, zumindest hier in der ersten Thread-Annäherung, ein Zögern gegenüber dem Thema. Das teile ich auch. Einerseits muss da doch irgendwas dran sein, andererseits kann man es nicht klar fest halten und wirklich sicher sein. Es ist nicht wie bei einem schriftlichen Zitat in Anführungsstrichen mit Namensverweis auf den/die Zitierte/n.*g*

Ich wage mal die Prognose, dass das in 20 Jahren leichter fallen wird. Zum einen wird dann die rezipierende Auseinandersetzung mit Duft bedeutend erfahrener sein, zum anderen blüht gerade das Selbstbewusstsein der Künstler/innen als solche immens auf.
Aber 20 Jahre sind noch lange hin und immerhin sind wir hier auf Parfumo . Exclamation
Demnach steht die Frage weiterhin:
Fallen Euch Akkorde, Kompositionen oder sonstige Verweise (mit Namen oder Künstler/innen-Selbstaussage) ein, die ein bewusstes Zitat sein könnten?
vor 12 Jahren
ist vermutlich wieder falsch Smile, aber ich muss es mal vorgeschlagen haben:
Was ist mit Liaisons Dangereuses und Cruel Intentions? Gemeinsame literarische Grundlage ( Briefroman von 1782 von Pierre-A.-F. Choderlos de Laclos) und zwei unterschiedliche filmische Interpretationen, die genauso heißen wie die beiden Düfte (auf deutsch: Gefährliche Liebschaften und grausame Absichten) genauso unterschiedlich wie iich die Filme empfand, empfand ich beide Düfte sehr unterschiedlich (siehe meine Kommis). Dabei konnte man im Duftverlauf von Cruel Intentions die gleiche Katharsis riechen wie bei der Hauptfiguer von grausame Absicheten, während es keine Duftentwicklung bei Liaisons D. gab und er die ganze Zeit eher opplulent/dekadent bleibt ähnlich der adligen Hauptfiguren aus Gefährliche Liebschaften.
vor 12 Jahren
Hihi, Eternity wird zur Spezialistin für das Aufspüren interdisziplinärer Zitate/Verweise. Smile
Danke!
vor 12 Jahren
"Alice in Wonderland" ist ja auch mehrfach Namenspatin für Parfums, zum einen "Naughty Alice" und "Cheeky Alice" von Vivienne Westwood, zum anderen "Alice in Wonderland" von Parfums d'Imperfiction. Das ist eigentlich DAS Label für dein Thema, Louce:
Kreiert hat dieses kleine Kunstwerk ["Alice in Wonderland", d.A.] Konstantin Mihailov Mihov, ein junger Mann aus Bremen mit einem ungewöhnlichen Hobby: Er erzählt olfaktorische Geschichten. Inspiriert von Werken der Weltliteratur begleiten seine Düfte die archetypischen Hauptfiguren auf ihrer Suche nach den Essentials menschlichen Daseins.
So steht es bei "Duftarchiv".

Und ein berühmter Klassiker: "Vol de Nuit" von Guerlain bezieht sich auf den gleichnamigen Roman von Antoine de Saint-Exupéry, in dem er seine Erfahrungen als Postpilot in Südamerika verarbeitet hat. Das Buch hat eine sehr spezielle Atmosphäre, eine Mischung aus dem sehr realen Risiko, der Maschine, und dazu die Einsamkeit des Piloten, weitab von der Welt, das hat schon mystische Qualität.
Überhaupt, Guerlain. "Arsène Lupin" heißt nach dem berühmten Meisterdieb aus der Feder von Maurice Leblanc, "Attrape Coeur" ist der französische Titel von Salingers "Fänger im Roggen" und hieß früher "Guet-apens", der französische Titel des Films "Getaway" mit Steve McQueen, "Coriolan" ist ein Shakespeare-Drama.

Von Alain Delon gibt es ein Parfum namens "Le Temps d'Aimer", das nach einem Film heißt, in dem er mitgespielt hat. Ich kenne leider weder Film noch Parfum.

In diesem Sinne findet man viel Intertextualität, aber Parfumzitate von Parfum sind schwieriger zu identifizieren als sicht- oder hörbare. Duft als künstlerisches Ausdrucksmittel ist sicherlich weit weniger alt als Text, Musik und bildende Kunst. Auch wenn der Einsatz und die Komposition von Duftstoffen gleichfalls sehr alt sind, hatte das doch eher handwerklichen Charakter.
sorry off-topic vor 12 Jahren
Herrje, jetzt weiß ich auch wieso ich nie LK Deutsch wählen wollte, geschweige denn Germanistik studieren- ich wäre kläglich gescheitert!
Aber hey, nach zwei Fehlversuchen, weiß ich nun endlich was du mit Intertextualität meinst. Meine Beiträge erfüllen deshalb ihren Sinn, denn genau das ist nicht gemeint Smile
vor 12 Jahren
Very Happy
Quark, ET... Deine interdisziplinären Beispiele sind toll und es geht ja nicht nur Dir so (s.o.), dass so was einfällt. Ich halte mich unter Zwang zurück.

Außerdem muss es ja einen Sinn geben für die tatsächlichen Germanistinnen. Smile
vor 12 Jahren
Ich finde dieses Thema sehr interessant.
Vielen Dank!
Cool
vor 12 Jahren
LK Deutsch wollte ich auch nicht... da waren die Schwafler drin, die entweder Lehrer, Politiker oder "was mit Medien" werden wollten.
vor 12 Jahren
Asphaltblume, Eternity, danke für die schönen Querbezüge. So was finde ich immer inspirierend ... Aber die "reine, wahre" Intertextualität innerhalb des Kulturproduktes Parfum - da scheinen wir nicht viel zu finden.
Das hängt vermutlich auch damit zusammen, dass die Parfümeure ein fast familiärer Kreis sind, aus dem wenig nach außen dringt. Es scheint fast zum Ehrenkodex zu gehören, nicht zu viel zu verraten über den Prozess der Parfümentstehung. J.-C. Ellena ist sicher deswegen so präsent, weil er es etwas anders macht. Aber auch er wägt sehr genau ab, was er wie preisgibt. Dieses Gildeverhalten macht es uns um so schwerer, Intertextualität zu erkennen: Niemand nimmt uns an die Hand "Schau, dieser Akkord von Polge ist toll (wedel mit Teststreifen X). Findet Roucel auch (wedel mit Teststreifen Y).". Egal ob Maler, Musiker, Köche, Winzer uswusf. - alle währen uns mehr Zugang zu ihrem kreativen Prozess. Diese Teilhabe würde es uns bei Parfums vermutlich leichter machen, Zitate oder eine Hommage zu erkennen.
vor 12 Jahren
YEP! Danke! Richtig! Ronin hat vollkommen Recht, wenn er von einem Gilde-Verhalten spricht!
Die Kommunikation zwischen Künstler/in, bzw. Künstler/innen-Gilde und rezipierender Öffentlichkeit ist bei Parfumerie eine komplett andere, als bei anderen Kunstformen.
Warum?
- Meine erste Vermutung: Weil es ganz wenig vermittelnde Zunft dazwischen gibt. Es gibt Vertrieb, Werbung und Verkauf, aber fast keine Vermittlung von eventuellem Kunstgehalt. Andere Kunstformen haben eigene akademische (!) Wissenschaftsdiziplinen, das Feuilleton in der Zeitschrift, Galerien/Buchhandlungen, die im besten Fall bedeutend mehr sind, als Verkaufsstellen und eine selbstverständliche Beteiligung der Öffentlichkeit (aus Steuern finanzierte Theater, Museen, Parks, etc.).
Das heißt, dass die Arbeit von Luca Turin, Chandler Burr und anderen (z.B. Parfumo Exclamation ) da exakt und genauestens in eine bestehende Lücke passt!

Wenn z.B. die Ausgangsfrage (Nomade + Kublai Khan = Zusammenhang?) nicht nur von mir in einem Forumsthread gestellt würde, sondern (ich fantasiere mal) von Turin in einem Zeitungstext oder einem Brief an die Firma AG gestellt würde... dann wäre sofort eine sinnbringende Antwort da!
*seufz* Stattdessen muss ich die Frage - mit Eurer tollen, dankenswerten Hilfe - mit Vermutungen und Wahrscheinlichkeiten beantworten und sie im kleinen Kreis einer relativen Öffentlichkeit lassen.

Aber das ist der Anfang. Vermittlung, Kommunikation, öffentliches Interesse und auch öffentliche Fragebedürfnisse werden zunehmend, immer mehr etabliert.
Wenn es erstmal eine Parfumwissenschaft als Studienfach gibt (Nicht lachen! Musikgeschichte, Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte und Konsorten gab es auch nicht am ersten Schöpfungstag einfach so!), werden (vermeintlich?) ungenaue, schwammige und schwere Fragen ganz anders begriffen und gehandhabt.

OK... jetzt habe ich etwas vollherzig fantasiert... Embarassed
Zuletzt bearbeitet von Louce am 13.01.2012, 10:07, insgesamt 2-mal bearbeitet
vor 12 Jahren
@Asphaltblume: Auch "Schwafler/innen" haben ihre Aufgaben. Es muss uns geben, ziemlich egal, was andere davon halten. Smile
vor 12 Jahren
Louce:
@Asphaltblume: Auch "Schwafler/innen" haben ihre Aufgaben. Es muss uns geben, ziemlich egal, was andere davon halten. Smile

@Louce: Erstens war das halt an meiner Schule und in meinem Jahrgang so mit den Schwaflern, und zweitens hab ich selbst inzwischen einen wunderschönen Magister in Neuere deutsche Philologie: Ich hoffe doch sehr, dass unseresgleichen seine Aufgaben hat! Wink (Und da man so einen Magister nicht aus Versehen macht, kann man daraus wohl schließen, dass ich hinter der Disziplin stehe!)

Edit: Interessant, was man da so Nützliches erforschen kann: Hundenamen sind schon ein originelles Thema für Magisterarbeiten!
vor 12 Jahren
Wenn ich als Nicht-Geisteswissenschaftler etwas dazu sagen darf: Ich kenne keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Ausbildung und Beruf auf der einen und Schwafelei auf der anderen Seite.
Louce:
- Meine erste Vermutung: Weil es ganz wenig vermittelnde Zunft dazwischen gibt. Es gibt Vertrieb, Werbung und Verkauf, aber fast keine Vermittlung von eventuellem Kunstgehalt. Andere Kunstformen haben eigene akademische (!) Wissenschaftsdisziplinen, das Feuilleton in der Zeitschrift, Galerien/Buchhandlungen, die im besten Fall bedeutend mehr sind, als Verkaufsstellen und eine selbstverständliche Beteiligung der Öffentlichkeit (aus Steuern finanzierte Theater, Museen, Parks, etc.).
Das heißt, dass die Arbeit von Luca Turin, Chandler Burr und anderen (z.B. Parfumo ) da exakt und genauestens in eine bestehende Lücke passt!

OK - ziehe ich mal Parallelen zum Wein. Auch dort gibt es keine akademische Wissenschaftsdisziplin, die zwischen Winzer und uns vermittelt. Aber: Es gibt ungleich mehr Bücher, Zeitschriften, TV-Sendungen, sehr viele einflussreiche Weinkritiker (Johnson, Parker, Robinson, Pigott, Broadbent, Scheuermann usw.) und Unmengen von Foren, Blogs etc.
Was ist der Unterschied? Mir fallen zwei Punkte ein:
1. Es ist im Vergleich zu Parfums viel breiter gesellschaftlich akzeptiert, dass guter (!) Wein ein Kulturgut ist.
2. Wein ist ein Statussymbol. Wer im Restaurant mit gekräuselter Stirn über der Weinkarte sitzt und bestimmt auf einen Tropfen weist, ist sich der Anerkennung des Umfelds sicher. Es zeugt nicht unbedingt von Kennerschaft, einen teuren Wein zu kaufen oder einen gut gefüllten Weinkeller zu besitzen, aber die Korrelation wird gezogen. Wer Amouage-Parfums kauft oder mehr als 10 Düfte besitzt, kann froh sein, wenn dies als sonderbarer Spleen ignoriert wird.

Genug geschwafelt.
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