Alan

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16 - 20 von 21
Alan vor 10 Jahren 19 3
7.5
Flakon
7.5
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10
Haltbarkeit
10
Duft
Irene Adler, eine Rose und ein Glas Rotwein
Ich gestehe zu, ich sah Irene Adler nie als Trägerin eines Rosenduftes. In meiner Vorstellung würde sie in der ursprünglichen Fassung vielmehr ein maskulineres Parfum wählen und die Blüten scheuen, und die unzähligen femme fatale-Adaptionen dieser Figur tragen zweifelsohne Orientalen, wie das offenbar nun einmal so die Sitte unter den femmes fatales dieser Welt ist. Dennoch neige ich dazu, von "Une Rose" zu sprechen, wie es Sherlock Holmes über Irene Adler zu tun pflegt: So wie sie für Holmes stets DIE Frau ist, die alle anderen ihres Geschlechtes in den Schatten stellt, so ist für mich "Une Rose" die eine Rose, die sich über alle anderen erhebt und sie im Vergleich verblassen lässt.

Sie beginnt harsch und ein wenig seifig, diese Rose, begleitet von einem alkoholischen Schwall Rotwein und mit grünem Zierrat versehen. Da sind andere Eindrücke, Hölzer, eine dunkle Fruchtigkeit wie von Pflaumen, eine Spur von Würzigkeit, doch mehr als Ahnung, als würde man sie als Bouquet des Weines wahrnehmen und nicht als eigenständige Noten. Dieser Wein bleibt uns bis zum Ende erhalten, er reift berauschend auf der Haut, wird runder und voller, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Die Hölzer werden wahrnehmbarer und komplimentieren eine Erdigkeit, die sich entfaltet, doch wir sprechen hier nicht von der ungeschönten, puren Erdnote, wie man sie beispielsweise aus "Wild Hunt" kennt. Die Duftpyramide spricht von einem Trüffelakkord, und obwohl es keineswegs wortwörtlich nach Trüffeln riecht, wirkt die Erde schwarz und satt und zugleich ein wenig süß, fleischig und animalisch, ein Aroma, das mir mit dem Geruchseindruck der legendären Pilze tatsächlich verwandt scheint. Der erdige Eindruck dominiert, geht man mit der Nase dicht heran, und wird mit der Entfernung schwächer, verliert sich jedoch nie ganz. Und dann ist da natürlich die Rose. Sie hat das Grün ihrer Blätter behalten, doch ihre Seifigkeit verloren, und ist zu einer Blume erblüht, wie die Natur sie nicht kennt. Das ist keine bescheidene Gartenrose, dies ist nicht einmal eine langstielige Valentinsrose, vielmehr ist es die perfekte Rose, die es in der Realität nicht geben kann. Sie duftet, wie die samtigen, dunkelroten Rosen von idealisierten Fantasiebildern duften sollten, würde man sie von jeder Kitschigkeit befreien - schmerzhaft schön und unerreichbar.

Es ist eine herb-elegante, dunkle Rose, Puder und kandierte Süße vermisst man hier. Erst zum Ende mischen sich einige Tropfen Akazienhonig hinzu, als der Wein nur noch als blasse Erinnerung auf meiner Haut verweilt und diese erdig-dornige Rose mit ihrem feuchten Grün sich auf dem Rückzug befindet. Und wenn sie das tut, dann fühle ich immer ein klein bisschen Herzschmerz, obwohl ich stets gesagt habe, dass ich kein Rosenliebhaber bin. Und vermutlich bin ich das auch nicht, so wenig wie Sherlock Holmes als Verehrer des schönen Geschlechts zu bezeichnen ist - yet there was but one woman to him, and that woman was the late Irene Adler.
3 Antworten
Alan vor 10 Jahren 14 4
10
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10
Haltbarkeit
6
Duft
Honig!!!11einseinself
Duftpyramiden kommen üblicherweise in einer von zwei Varianten: Die schwülstig-ausführende, in der von zerdrückten Blütenblättern, dekadenter Kokosnuss und zerstoßenen Herzen (zum Glück nur von der Tiger-Orchidee) die Rede ist, oder aber die sachlich-schlichte, in der es bei einem knappen "Rose", "Jasmin" oder "Honig" bleibt. Nun fühle ich mich keineswegs zum Rosenexperten berufen, aber ich habe eine gewisse Vorliebe für Honige und möchte hiermit festhalten, dass Honig nicht einfach Honig ist. Der milde Akazienhonig dürfte den meisten vertraut sein, doch daneben gibt es noch den fruchtigen Himbeerhonig, den aromatischen Rosmarinhonig, den malzig-dicken Buchweizenhonig, den kräftigen Leatherwoodhonig - dies und mehr unter einem einzigen schnöden "Honig" zu verbuchen, werte Werbefachkräfte, ist nicht sonderlich hilfreich, um eine Vorstellung zum Duft zu entwickeln.

Um also dieses Rätsel zu lösen: Der Honig in "Mamluk" ist auf meiner Haut dunkel und kräftig, mit einer medizinischen, sogar vage tabakähnlichen Note, was die Erinnerung an Manukahonig wachruft. Doch "Mamluk" schlichtweg als Manukahonig in Duftform zu bezeichnen, würde den falschen Eindruck beim Leser erwecken. Nicht etwa, weil man damit der Komplexität dieses Parfums unrecht tun wurde, sondern weil es sich bei "Mamluk" um einen Manukahonig-Verwandten in großen Lettern handelt, mit Ausrufezeichen versehen und potenziert. Nur so kann man sich die braungoldene Welle vorstellen, die nach einem halben Spritzer "Mamluk" losbricht und winkelfüllend die Räumlichkeiten füllt, ungemilderte Süße im Übermaß mit der Dominanz eines brünftigen Hirsches und der Hartnäckigkeit eines Terriers.

Die raumgreifende und alles verdrängende Wirkung von "Mamluk" zu vermitteln, stellt mich vor größere sprachliche Schwierigkeiten, als die Entwicklung zu beschreiben, denn diese lässt sich folgerndermaßen zusammenfassen: Honig, Honig, Honig, Honig, Honig, Honig, mehr Honig, noch mehr Honig, endlich ein wenig Holz und eine leicht animalische Note, die sich nach einigen Stunden unter den endlich gezügelten süßen Massen hervorwagen. Mit der Basis schließlich kann ich mich anfreunden, der Dreiklang aus dunkler Süße, hellen Hölzern und einer entfernt pferdeartigen Note (Fell, nicht Stall) funktioniert überraschend gut. Aber bis man zu dieser warmen, anheimelnden Basis gelangt, hat man einen langen und klebrigen Weg vor sich, weswegen "Mamluk" es am Ende bei mir dann doch nur in den leicht überdurchschnittlichen Bereich schafft.

Fazit: Für Leute, die Honig gerne pur löffeln.
4 Antworten
Alan vor 10 Jahren 16 5
5
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5
Haltbarkeit
8
Duft
Gehobene Mundwinkel zum Aufsprühen
Zugegeben, Zitrusdüfte erfahren oftmals weniger Beachtung, als die opulenten Orientalen, die kantigen Chypres oder auch die femininen Floralen. Dennoch bin ich der Ansicht, dass nur wenige Aromen gibt, die so universell als angenehm empfunden werden, wie der Duft von Zitrusfrüchten, ein simpler und optimistischer Geruch, der die Mundwinkel ganz automatisch hochgehen lässt.

Genau diesen Effekt erzielt "Orange Sanguine" bei mir, ein spontaner Stimmungsaufheller, als sich kurz nach dem Aufsprühen auf meiner Haut auch schon das köstliche Aroma einer gerade geschälten Orange entwickelt. Da ist die Bitterkeit der weißen Fetzen, die an den Orangenspalten kleben, da ist der süße, zugleich säuerliche Saft, der einen beim Aufbrechen bereits über die Finger läuft. Eine Orange, nicht mehr und nicht weniger, vielleicht auch eine Blutorange, pur und unverfälscht, erfrischend und natürlich. Würde "Orange Sanguine" hier Halt machen und nichts liefern als diese Orange in Reinform, würde ich vermutlich sogar die ganze Punktzahl vergeben, denn diesen frischen Eindruck so lebensecht in einem Parfum zu fangen, ist ein kleines Meisterstück für sich.

Aber dieser Dufteindruck bleibt nicht von Dauer. Die Orange wird etwas süßer und zugleich ein wenig alkoholisch, der Gedanke an Tequila Sunrise kommt mir, dekoriert mit ein paar vereinzelten Jasminblüten. Doch die blumige Süße bleibt dezent im Hintergrund und gewinnt glücklicherweise nicht die Oberhand. Nach einigen Stunden machen sich eine mild-grüne und eine sanft holzige Note bemerkbar, doch "Orange Sanguine" kreist immer noch um die namensgebende Frucht, wenngleich diesmal mit mehr Schale und nicht mehr so erfrischend natürlich, wie es der Auftakt vermochte. Doch auch wenn ich diesem spritzigen Auftakt nachtrauere, will ich die Basis doch nicht ungerecht beurteilen: Es bleibt ein ausbalancierter Orangenduft, ein unkomplizierter Wohlgeruch für jene Tage, an denen die üblichen Verdächtigen zu schwer, zu kapriziös, zu überladen wirken.
5 Antworten
Alan vor 10 Jahren 18 3
7.5
Flakon
10
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10
Haltbarkeit
10
Duft
Von großen Erwartungen und grollenden Raubkatzen
Wenn man den Daten von fragrantica Glauben schenkt, ist "Musc Ravageur" der mit Abstand beliebteste Duft der Linie von Frédéric Malle. Es ist zweifelsohne jener, um den am meisten Hype betrieben wird, und wenn man so manchem Reviewer glauben will, sollten die Höschen nur so von den Frauenbeinen schnellen, sobald man sich mit "Musc Ravageur" einsprüht, und die Männer sollten der Duftwolke in Scharen folgen, ähnlich der äußerst unglücklichen Rattenpopulation von Hameln. Bei diesem Ruf und einem solchen Namen erwartete ich etwas zutiefst Animalisches, das olfaktorische Äquivalent zu einem grollenden Raubtier, ein gefährliches Biest, das sich ohne Umschweife auf die unteren Regionen stürzen will.

"Musc Ravageur" beginnt jedoch mit süßer, zitrischer Frische und Lavendel, nicht etwa der Duft eines blühenden Lavendelfeldes, sondern der aromatische Geruch der getrockneten Blüten. Sehr schnell vertrocknet die Zitrusnote und gesellt dem Lavendel den Geruch eines Räucherstäbchens hinzu, welches gerade entzündet wurdet und dessen Rauch man nahe an der Glut tief einatmet. Kein anderes Parfum vermag mir so deutlich den Eindruck von trockener Hitze zu vermitteln, wie es "Musc Ravageur" gelingt, und die Gewürze, die sich nun entfalten, unterstreichen diesen Eindruck nur. Medizinisch angehauchte Gewürznelke und wärmender Zimt, während man darunter bereits die versprochene animalische Note erahnen kann. Doch es ist kein Raubtierkäfig, den wir hier betreten, stattdessen vergraben wir die Nase in weiches Katzenfell am atmenden Tier. Es ist keine olfaktorische Kopie, vielmehr die Idee davon, welche in einen Duft umgesetzt wurde, gekleidet in Moschus und Wärme. Zu diesem Zeitpunkt zeigt sich "Musc Ravageur" kratzig, herb und widerspenstig, und erst als Lavendel und Räucherstäbchen zu einem Flüstern werden und schließlich ganz verstummen, legt dieses Parfum die Nackenhaare an und zeigt sich gefälliger.

Vanille nimmt nun die dominante Position ein, süß, dunkel, ölig und zugleich auch ein wenig salzig. Eine balsamische Note wie von Benzoin und die milchige Süße von Sandelholz nehmen dem Parfum etwas von seinem staubtrockenen Eindruck und wandeln ihn von aromatisch-kratzig zu weich und ambriert. Es ist diese beinahe schnurrende Basis aus Gewürzen, balsamischen Noten und warmen Fell, die mich "Musc Ravageur" lieben lässt und mit dem harschen Auftakt versöhnt. Dabei handelt es sich hier nicht um einen Hautduft, "Musc Ravageur" ist raumgreifend und umhüllt den Träger mit einer warmen Aura.

Es sind nicht Bilder von verschwitzten postkoitalen Körpern, die vor meinen inneren Auge entstehen, noch sehe ich eine gefährliche Raubkatze auf der Pirsch. Wenn "Musc Ravageur" eine Szene wäre, dann wäre es für mich eine Bengalkatze, die sich träge vor dem Kamin ausgestreckt hat und sich schnurrend die trockene Hitze auf den Pelz brennen lässt. Verdient "Musc Ravageur" seinen Ruf als Ladykiller? Nein, das denke ich nicht. Ist "Musc Ravageur" overhyped? Zweifelsohne. Und dennoch ist "Musc Ravageur" in meinen Augen ein großartiger Duft, ein großzügiger, beinahe primitiv anmutender Amber mit animalischen Anklängen, der ein wohliges Gefühl von Wärme verbreitet. Ich erwartete eine fauchende Raubkatze und bekam ein schnurrendes Kätzchen, und Maurice Roucel sei dafür gedankt.
3 Antworten
Alan vor 10 Jahren 19 5
7.5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
10
Duft
Der Kaschmirpullover unter den Düften
Es gibt eine seltsame Zeit im Jahr, eine Zeit, zu der die Menschen das eigenartige Bedürfnis entwickeln, bei Eiseskälte in Rudeln durch den zertretenen Schnee zu stapfen, um ihre Runden um zugige kleine Holzhütten zu drehen, wo sie Glühwein aus Tassen von fragwürdiger Sauberkeit trinken und sich an Kitschigkeiten erfreuen, die ihnen den Rest des Jahres über geschmacklos erscheinen würden. Dort und nirgendwo anders muss die Geburtsstätte dieses Duftes gewesen sein.

Nicht etwa, weil er sich durch besondere Kitschigkeit auszeichnet, ganz im Gegenteil. Vielmehr ist er von jedem überflüssigen Schnörkel befreit und so glatt und anschmiegsam wie ein hölzerner Handschmeichler. Nein, der Grund, warum ich die Heimat dieses Duftes in den Weihnachtsmärkten dieser Welt verorte, liegt vielmehr darin, dass er das leicht karamellisierte Aroma warmer Waffeln mit sich trägt. Belgische Waffeln, um genau zu sein, außen rau und knusprig, innen weich und flaumig, nur mit etwas Vanillezucker und einer Prise Zimt bestäubt, die ein wenig trockene. staubige Wärme einbringt.

Wer nun jedoch einen astreinen Gourmandduft erwartet, der irrt. Denn ein Schelm hat in die Leckerei jede Menge Sandelholzschnipsel eingebacken. Der rustikale Geruch nach warmen, fast geröstetem Holz drängt sich anfangs harsch in die Nase, ehe er zurücktritt und den Weg für das olfaktorische Äquivalent eines Vexierbildes freimacht. Ein Atemzug und man bekommt eine frische Waffel gereicht, mit hölzernen Anklängen, aber doch fast essbar, ehe der Eindruck kippt und süßes Holz dominiert, das nur mit den essbaren Aspekten kokettiert. Dieser wechselhafte Effekt flacht nach einigen Stunden ab, das Sandelholz wird weicher, süßer und milchiger, dabei beinahe den Eindruck von zugemengten Kokosraspeln gewinnend. Auf meiner Haut überschreitet "Dries Van Noten par Frédéric Malle" nie komplett die Grenze zum Gourmandduft, aber am Ende des Tages kommt er dem Übertritt deutlich nahe.

Mit seiner Dualität von Sandelholz und Gebäck handelt es sich hier um einen Komfortduft, der Wärme und Behaglichkeit verspricht. Doch das Holz kommt niemals kratzig herüber, sondern so sanft und geschmeidig, als hätte man es mit feinem Schleifpapier bearbeitet, und die Gourmandnoten halten sich stets in ihrer Süße zurück. Damit legt "Dries Van Noten par Frédéric Malle" neben seinem Wohlführfaktor auch eine gewisse legere Eleganz an den Tag, eben der Kaschmirpullover unter den Düften.
5 Antworten
16 - 20 von 21