Amnesie

"Logbucheintrag 203/2089: Kurz draußen gewesen, ein Sonnensegel war verkeilt. War zum Glück schnell behoben und wir konnten zügig wieder zurück in die Raumstation. In der Schleuse das übliche, lästige Prozedere und dann raus aus dem Raumanzug. In der Luft hängt noch dieser Geruch, den wir draußen nie wahrnehmen würden, weil draußen, das ist das Vakuum der Unendlichkeit. Aber hier, in erdähnlicher Atmosphäre reichen die eingeschleusten Moleküle um uns einen Eindruck dieses Geruchs zu vermitteln: der Geruch nach explodierenden, implodierenden Gesteinsmassen, nach Gas, nach endloser Weite, der Geruch des Weltraums. Logbuch Ende."
"Bowman, hast du das gerochen? Gibt es Kühe im Weltraum?"
"Kühe? Nicht dass ich wüsste, ich erinnere mich an Schweine. Schweine im Weltall."
"Dann bin ich beruhigt, weil, es riecht da nach Bacon. Und Pattex. Und neuen Turnschuhen."

Es (das All) rieche, so Alexander Gerst, respekteinflößend.
Ich weiß nicht, ob dieser Duft tatsächlich dazu konzipiert ist, tragbar zu sein.
Ich denke eher, er ist ein Experiment. Er soll Astronauten darauf vorbereiten, was sie möglicherweise riechen könnten, wenn sie da draußen waren. Echte Astronauten haben bei der Entwicklung ihre Erfahrungen eingebracht. Das ist kein Konzeptduft, keine Idee, wie das da oben riechen KÖNNTE -
das ist eine Nachbildung dessen, was Astronauten tatsächlich so wahrgenommen haben, wenn man dem Startup Glauben schenkt.
Und vielleicht ist das, was wir hier riechen tatsächlich das, was in so einer Schleuse zurück bleibt, wenn man im Weltall spaziert ist - nachprüfen kann das sicher niemand von uns. Jemals.
Und irgendwie macht es das spannend.
Auch wenn man so im Alltag nicht riechen will.
Seien Sie also auch nächstes Mal wieder dabei, wenn Miss Piggy sagt:
"Und beim nächsten Urknall mischen wir ein bisschen Shalimar unter, es kann nur besser werden!"

Als ich vor 2 (oder sogar schon 3) Jahren im Breuninger einen Duftkauf tätigte gab es eine Probe von Sunshine dazu. Der irgendwann mal auf dem Handgelenk landete und nur so mittelgut überzeugen konnte: Dünne Mandelplörre mit irgendwie seichtem Blümchengedöns und so.
Kann so ein öder, flacher Duft so viel kosten?!
Das ja'n Ding!
Aber irgendwas hielt mich davon ab, die Probe zu entsorgen, denn irgendwann im Verlauf dachte ich, hm, aber da ist doch was, irgendwas, das spannend sein könnte...keine Ahnung was, aber den stell ich mal beiseite für irgendwann später, zu den "du wackelst, du musst nächstes Mal ALLES geben wenn du ein Foto willst"-Kandidaten.
Da stand er dann. Lange. Seeeehr lange. Und konnte mal über alles nach- und seine Peformance überdenken.
Und gestern ist er mir aus lauter Lockdown-Langeweile wieder übers Handgelenk gestolpert.
Ich will gar nicht lange rumquatschen - er hat mich langen Wegs umgehauen!
Wow. Was war denn da los, vor 2 (oder sogar schon 3) Jahren?!
Kann sich der Geschmack/Geruchssinn so ändern?
Oder ist der Duft einfach erst gereift, war der damals zu frisch?
Musste der sich erst mal wohnlich einrichten in seinem kleinen Glasphiölchen?
Keine Ahnung. Aber: so was Schönes!!!
Sonnenstrahlen im Flakon, warm-vanillig, likörig, ganz leichter Tabac in Lady-liker Ausprägung und ganz viele Schichten "keine Ahnung was es ist aber es duftet toll", für mich perfekt ausbalanciert ohne süß oder schwer zu werden, und, janz wichtig: Es nervt nix!
Es riecht einfach nur unheimlich schön nach Sommer, Sonne, Ichhabeinfotofürdich.
Da kann man schonmal klatschen.
Ich will den.
Ende.