Axiomatic

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1 - 5 von 102
Axiomatic vor 4 Tagen 26 36
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Duft
Die Kunst der Polyphonie
Ein edles Vetiver wird hier nach molekularer, polyphoner Kunst des Geza Schön offeriert.
Verspielte grün violette Schattierungen kleiden es mondän aus.
Eine Komposition mit Raumgefühl, venezianischer Raumklang in der Flasche.
Und dort wo kühle Brisen wehen, ein warmer Umhang behagt.

Der sonderbare Löwe im Wappen lächelt mir zu.
Ob er die Ketten bricht und adlig das Schwert schwingt auf dem Markusplatz?

Zisch!

Ein fotorealistischer Kardamom betritt die Bühne und offenbart zugleich jegliche Facetten seines Grüns. Süßlich hell, derb gediegen menschelnd.
So präsent habe ich dieses Gewürz selten gerochen.

Noch während der Eröffnung tönt sehr sachte aus der zweiten Reihe das Hauptmotiv des gereiften Vetivers als warme Untermalung. Doch es wäre zu früh und schade, dieses Präludium zu überspringen.

Denn eine zart pudrige Bergamotte, die strengen Bewegungsvorgaben des Barock einhaltend, erhebt ihre fragile Stimme.

Keine Minute später konterkarieren frisch scharfe Töne ihr Flehen. Und zwar nicht überstülpend, nein, von einer weiteren Bühnenreihe aus. Adrett kämpferisch der Ingwer mit warmem Pfeffer.
Welch ein mannigfaltiger Reigen in der Kopfnote!
Wäre es der Hauptakkord, gäbe es keine Einwände, ganz im Gegenteil.

Und plötzlich ist man inmitten des Hauptteils.
Zart floral und erdig trocken das Rhizom der Iris mit diesen sehr sanften violetten Sprenkeln des Veilchens.
Wird hier die exquisite Blüte der Schwertlilie nachempfunden?
Wenn, dann ragt sie aus einer Rabatte von Maiglöckchen heraus.
Zumindest wird der Jasmin eher frühlingshaft bleiben und verhindert so das zu pudrige und schwere Eigenleben der Wappenlilie. Sehr grünes, herbes Vetiver umrahmt gekonnt das Bild und kaschiert das Blumige, drängt es leicht ab.

Geza kleidet das herbe Gras sehr ausgeklügelt aus.
Er lässt es in alten Barrique-Fässern reifen, auf dass es die Essenz von qualitativem Weinbrand aufnimmt, eventuell Armagnac. Doch nur die verhalten raffinierte Dosis davon, welche zwischen Licht und Schatten vermittelt.
Was für ein Relais!
Das Gras wirkt dadurch erwachsen, gediegen und bedächtig.
Für den passenden Rahmen sorgt der wohlige Zimt mit den Hölzern, wunderschöner Kontrapunkt zu den hell zitrisch blumigen Noten.

Ein Genuss ist auch die Interpretation des Mooses in der Basis.
Hier beherrscht Geza Feingefühl, denn er bettet diese grandiose Komposition nicht auf eine herkömmliche Fougère-Basis.
Sein Moos federt nicht seifig ab, nein, die Flechte passt sich den Weißblühern an. Etwas trocken, grün und eine Idee säuerlich, wie sie auf Ästen gedeiht.

Erstaunlich, dass die Vanille dunkel, herb und fast wie Lasur gehalten wird.
Eine Wohltat, nur wenig davon für das Abrunden der Hölzer verwendet zu haben.
So bleibt das Augenmerk auf das Vetiver gerichtet, welches nicht edler sein könnte.

Und da stehen sie nun all die Figuren dieser Opera seria auf der Bühne, ihre Dufteindrücke nach strenger Einteilung zur gegebenen Zeit immer wieder aufblühend. Denn je weiter im Duftverlauf, desto kolorierter das Gesamtbild.
Exquisite Polyphonie!

Chapeau, werter Geza!
Dass ein komplexer Duft dieser Größe nicht ohne molekularer Hilfe möglich wäre, ist verständlich.
Du als Meister im Umgang mit besagter technischer Unterstützung schaffst Großartiges!
Gezielt eingesetzt nach qualitativ strengen Kriterien zaubert das Zusammenspiel natürlicher und synthetischer Komponenten in Deiner Schöpfung ein wahres Kunstwerk.
Ein Lob auch für die schon fast schweizerische Präzision der zeitlichen Übergänge der Noten und die bühnenreife Räumlichkeit.
Verbeugung meinerseits!

Ich habe den Duft schon ein paar mal zu Antonio Vivaldis Oper „Farnace“ genossen.
In deren Handlung scheint die Lage ausweglos.. Farnace, König von Pontus am Schwarzen Meer, sieht keinen Ausweg aus der feindlichen Belagerung als den Tod seiner Familie. Eine hasserfüllte Schwiegermutter intrigiert gar, um auch die eigene Tochter zu beseitigen.
Doch die kluge und liebende Schwester des Königs, Selinda, wird das Schicksal zum Guten wenden.

Gerade Vivaldis Raumklang passt als Allegorie zum Duftverlauf.

Recht lieben Dank an Kokusai für die großzügige Abfüllung. So konnte ich einen vertrauten Umgang zum Duft finden.
"X for Men | Clive Christian" lässt sich wunderbar tragen und genießen.
36 Antworten
Axiomatic vor 7 Tagen 31 59
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8.5
Duft
Die andere Seite von Aspen
Dihydromyrcenol oder 2,6-Dimethyl-7-octen-2-ol.
Dieses Wundermolekül der 1980er soll frisch, bitter, sauber, nach Lavendel, Koriandersamen und Zitrusfrüchten riechen und den vorliegenden Duft prägen.

Junge, hat dieses Teilchen in der Duftwelt seit damals eingeschlagen.

Aber mal ganz im Ernst, wer wird sich denn gerne eine knochentrockene Chemiestunde durchlesen, um die Polymerisation des Moleküls - Viskositätstendenz, abnehmender Geruch und deren Vermeidung durch geeignete Inhibitoren - besser verstehen zu können?
Dafür, liebe Nasen, gibt es im Netz mehr als genügend kostenlose Information.

Und sind nicht schräge Zeilen manchmal leichter zu verdauen?

Ich meine, wenn ich mir die OVP vom vorliegenden Wässerchen durchlese, werden meine inneren Klaviersaiten mit einem Hammer gleich eines Gruselfilms geschlagen.

Es liest wie folgt:
„Crisp mountain air and wide open spaces captured in a distinctive fragrance for men.
Aspen cologne for men - live it in Aspen.“

Noch nicht einmal ein Ausrufezeichen als symbolischer Imperativ wird verwendet.
Klingt das inspiriert und packend.
Gähn…
Dabei könnte der Duft recht spaßig sein, es kommt auf den gewissen Kick an.
Gut, dann folge ich mal der Aufforderung des Herstellers auf meine Weise!

Zisch!

Ui, es wird kurz minzig frisch, etwas zitrisch auch.
Doch das Wundermolekül lässt nicht lange auf sich warten und färbt die Kopfnote surreal grün.
Schwer zu beschreiben, vielleicht verständlicher in der Herznote.

Denn hier offenbart sich die geballte Kraft der „Unterstützung“.
Ich komme nicht umher, einen kleinen Hauch Calone beim Vetiver auszumachen. Dieses Gras riecht grünlich „fruchtig“.
Dieser fruchtige Eindruck verlängert übrigens auch die Lebensdauer der Zitrone, weniger die von der Bergamotte.

Der Lavendel aber wird in eine andere Dimension verfrachtet.

Das Kraut bekommt etliche Schattierungen auf einmal:
frisch, grünkrautig, zitrisch, hell sauber.

Als stünde man vor einer chitinartigen Überpflanze, so klar und real, dass man sie wie in einem 3D-Film sieht, aber nicht fassen kann.

Markant das Eichenmoos, welches hier etwas trocken geraten ist und leicht salzig vom Ambra gewürzt wird.

Der Haupteindruck wird über Stunden daher waldig frisch, neo-lavendelig, leicht zitrisch und moosig salzig bleiben und auch so enden.

Der Flakon ist für den Preis schon sehr gut gelungen vom Design her.
Waldgrünes Glas, kupferfarbener Deckel passend zum metallischem Verschluss des Zerstäubers mit grüner Düse.
Günstig soll nicht unbedingt einfallslos bedeuten.

Das Stadtwappen von Aspen mit der namensgebenden Espe ziert auch die Vorderseite der achteckigen Pulle.

Wie passt nun ein Fougère von 1989 nach Aspen, dem bekannten Skiort in den Rocky Mountains von Colorado?

Sollte es die Fichte im Duft sein, dann frage ich mich, warum alles so surreal gehalten wird.
Gut, im Kielwasser von "Drakkar Noir (Eau de Toilette) | Guy Laroche" , "Green Irish Tweed | Creed" und "Cool Water (Eau de Toilette) | Davidoff" musste eine günstige Ausgabe fürs Völkchen geschaffen werden mit dem Wundermolekül. Wie ein Groschenroman mit Country Music for real Men mit markantem Schnauzer.

Moment, Schnauzer, Skigebiet, 1980er.
Hmm…
Ich hab’s!
Alles Zutaten für einen zünftigen Slasher der 1980er!

Die expendable characters, die zweidimensionalen Charaktere, deren Abmurksen nur die verwerflich dunkle Seite des Schlitzers hervorheben soll, sind schnell ausgemacht.

Minze-Jeff, Bergamotten-Chad, Vetiver-Dick, Eichenmoos-Casey und Lavendel-Al.

Unser Schlächter des Duftverlaufs trägt Skimaske und ein verwegenes Sweatshirt mit der Aufschrift „Dihydromyrcenol“.

Ach ja, Soundtrack aus dem Jahr 1989: The Jesus and Mary Chain - Head On.

Todespiste, ich komme!

Erneuter Zisch!

Minze-Jeff und Bergamotten-Chad haben noch Probleme am Skilift.
Auf wackligen Beinen versuchen sie den richtigen Schwung vom ausspuckenden Liftsessel zu bekommen.
Ihr Atem recht grün zitrisch frisch.

Doch noch bevor sie die Skipiste erreichen können…

Schlitz!

Oh nein, oh weh, ihre Körper in surrealer grüner Schattierung gefärbt, kein Zappeln mehr!
Und das am helllichten Tag!

Eine fiese Gestallt versteckt sich derweil hinter den Fichten…

Vetiver-Dick schäkert währenddessen auf der Piste und möchte einen dieser säuerlichen Salti auf der Rampe hinlegen.
Lavendel-Al ist nicht nur etwas kühl nüchterner, er riecht das surreale letzte Lebenszeichen seiner verschwundenen Freunde.
Hier stimmt doch was nicht, denkt er…

Das alles läßt Vetiver-Dick kalt, er ist hier in Aspen um Spaß zu haben.
Nicht nur Lavendel-Al, auch Eichenmoos-Casey sind mittlerweile ziemlich sicher, dass hier was aus dem Ruder läuft.
Ihre Warnrufe prallen an Vetiver-Dick ab.

Er nimmt Anlauf, hält die Rampe im Visier, beschleunigt und hebt mit beiden Skiern ab!

Wow, was für ein Sprung!

Doch lieber Dicky, da wartet eine komische Skimaske zwischen den Fichten auf Deine Landung…

Schlitz!

Sein Schnauzer wedelt noch ein bisschen beim Aushauchen seines letzen vitalen Atems. Und wieder surreal grün gefärbt…

Zu diesem Zeitpunkt geraten Eichenmoos-Casey und Lavendel-Al in Panik, sie konnten den Mörder beim Verschwinden im Fichtenhain noch erhaschen.

Eichenmoos-Casey mal wieder blass wie Kreide und unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen.
Lavendel-Al versucht ihm Mut zu machen, sie würden es wie immer zusammen schaffen, hier seifig lebendig raus zu kommen.

Doch Eichenmoos-Casey ist vom surrealen Geruch seiner toten Kumpels völlig durch den Wind, dass er bei der rasenden Skiabfahrt zum Tal falsch abbiegt und den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht.
Ein surrealer mit Moosflechten bewachsener Ast wird auch das Letzte sein, was er auf Erden erblicken darf.

Schlitz!

Last man standing Lavendel-Al muss sich dem Mörder stellen, welcher auch nicht lange auf sich warten lässt.
Auf einer Lichtung stehen sich beide gegenüber.

Und dann fällt die Skimaske!

Was?
Der kleine Bruder von Lavendel-Al?
Der, den man in eine Anstalt steckte, um seine grünliche Entstellung vor anderen zu verbergen?

Er fängt mit der üblichen Slasher-Aufklärung der 1980er auch für ganz Verschnarchte an.

„Du warst immer der Liebling von Papa, mich wollte und liebte niemand.
Ständig hast Du mit guten Noten geglänzt, hast Edelmut bewiesen und Aufrichtigkeit.
Und ich?
Mein dunkler Groll hat mich grün gefärbt und ich musste weggegeben werden wie eine defektes Auto!
Aber lass Dir sagen, dass die Saat des Bösen in der Familie liegt.
Es braucht nur den richtigen Moment, um einen zu verwandeln.
Dachtest Du, unser Vater wäre über allem erhaben?
Er, der "Paco Rabanne pour Homme (Eau de Toilette) | Paco Rabanne" , dieser Schuft, hatte das keimende Molekül im Herzen, nur verbarg er es gekonnt!
Doch mich schickte er nach Irland in eine Klinik, als er meine Veränderung erkannte.
Dafür habe ich Dich noch mehr gehasst, weil Du Freunde und Spaß haben durftest!
Und nun habe ich sie Dir genommen, Du bist ein Nichts ohne sie!“

Es kommt zu Rauferei, das unvermeidliche Entsorgen des Fieslings mit dem zufällig vorbeifahrenden Schneepflug.
Leider kriegt unser Lavendel Held etwas vom grünlichen Schnee ab.

Und in der Ferne wartet der Greyhound Bus nach Kalifornien mit einem Werbeschild von "New West for Him (Skinscent) | Aramis" .

Der Blick von Lavendel-Al wird finster…
59 Antworten
Axiomatic vor 14 Tagen 44 71
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3
Duft
Aventus deklinieren: Aventeuse
Sechs Jahre hat es lediglich gebraucht, bis Creed sich zum weiblichen Gegenpart von Aventus hat überreden lassen.
Aventus, der Duft einer Generation völlig losgelöst von einschränkenden Unterhosen.
Befreiender konnte eine Ananas nicht sein.
Was waren schon die bekloppten 68er im Vergleich?
Lächerliche polyamouröse Blumenkinder ohne Buchführung!
Dank Creed wurde 2010 gewinnbringend das Swiping inklusive austauschbarer körperlicher Kernschmelze in Duftform an den Mann gebracht.

Irgendeinem Cleverle im Konzern muss 2016 die offene Marktlücke aufgefallen sein.
Warum nur Lancôme, Guerlain, Dior das Rosa-Rennen überlassen?

Zum Teufel damit!
Unsere englischen Mädels werden Euch das Fürchten lehren!

Zisch!

Vielleicht sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass es ratsam wäre, NICHT auf nüchternem Magen eine sportliche Portion des Wässerchens aufzusprühen.

Stechend alkoholisch und seltsam frisch dringt die Plörre in die Nase ein.
Das Freundlichste wären hier der Pfeffer mit der Bergamotte, recht scharfer Schmackes.

Aber der Apfel…

Genauer DER Apfel, welcher über Jahre bei Schauma/Schwarzkopf die Haare hat säuerlich fruchtig duften lassen.

Alsbald folgt die Haarspülung, cremig blumig mit einer pfeffrigen Ananas.
Spätesten hier sollte sich die Trägerin überlegen, ob Ersatzperücken eine Alternative für sie wären.

Nun, für eine kleine Verschnaufpause sorgen tatsächlich Flieder und warmer Ylang.
Aber wer Jaws (1975 - Der weiße Hai) in Erinnerung behalten hat, weiß, dass bei der ersten Schwimmerin unser hungriges Tierchen zunächst ein wenig vorgeknabbert hatte.
Chrissie war eine Verschnaufpause an einer Boje gegönnt, bis sie dann zum Hauptgang serviert wurde.
Nun, hier verhält es sich ähnlich.

Nachdem man Hoffnung an Flieder und Ylang hegte, wurde man jäh in die Tiefe gerissen!

Und dieser Abgrund ist säuerlich!

Die Ananas wird recht schnell von der Johannisbeere bei pH 3 gehalten, um den grandiosen Auftritt der Rose und ihrer Gefolgschaft zu überlassen.
Der Akkord unserer Zeit hat die Höllenpforte überschritten!

Klug werden hier die Ingredienzen verschwiegen, aber machen wir uns doch nichts vor. Wer nicht gerade nasenblind durchs Forum riecht, weiß, dass hier Jasmin und Orangenblüte verarbeitet sind.
Dazu noch eine mächtige Potenzierung mit Synthetik, um ja aufzufallen. Vermutlich Freundchen Ambroxan mit einer leicht salzigen Note, um „Ambra“ günstig nachzuahmen.

Genau hier liegt auch das Unterscheidungsmerkmal zu den anderen Vertretern oben genannter Marken.
Leicht aquatisch frisch gleitet die Basis mit weißem Moschus ins Saubere ab.

Für den kleinen Hunger wurde das Sandelholz gut cremig serviert mithilfe vom Ylang und Pfirsich als Geschmacksträger. So wie diese Fruchtjoghurts mit „besonders natürlichen Fruchtstückchen“.

Aber im Grunde riecht hier alles säuerlich und süß.

Je weiter im Duftverlauf, umso stechend synthetischer wird es, leicht metallisch.
Und alles beherrschend der Akkord an Rose, Orangenblüte und Jasmin, der so weit verbreitet ist.

Der Listenpreis ist angenehm konto-belastend, das Roulette-Spielchen um den jeweiligen Batch dürfte für gute Laune und regen Austausch im Forum sorgen.
So eine Art Quartett:
Mein Batch 2016 schlägt Deinen 2018er in Performance. Aber halt, der 2020er hat noch mehr „Ambra“.

Einsatzmöglichkeiten?

Nun, ich würde mit geographischen Orten beginnen.

Sagen wir mal, dass Ortschaften mit Potential und Ambitionen prädestiniert wären.

So ein Slough in der Grafschaft Berkshire westlich von London zum Beispiel.
Eine der beliebten Touristenattraktionen wäre der ehemalige Busbahnhof Brunel Bus Station, feinste Architektur.
Wie keck doch der Hauptakkord die Wartehalle füllen würde!

Das schweizerische Schlieren nordwestlich von Zürich mit dem schicken Briefzentrum Müllingen sorgt für genügend frische Luft entlang der Bahnstrecke für den Duft, Flanieren inklusive.

Kosmopolitisch elegant das hessische Heusenstamm östlich von Frankfurt am Main.
Beim regen Flugverkehr kann sich der Duft wie von selbst über die gesamte Gemeinde ausbreiten und in alle Welt fliegen.

Bekleidung:

Der LVMH-Konzern dürfte sich freuen, wenn die holde Maid das NFC hygienisch korrekt beim Bezahlen bimmeln lässt. Den richtigen Klingelton im Smartphone rechtzeitig einstellen.
Für einen kecken Sound sorgen French Nails beim Tippen auf der Tastatur.

Bitte das Preisschild absichtlich dran hängen lassen, so ist man auch ganz sicher, dass der städtische Sportanzug mit Kapuze (Dior, Givenchy, LV, was auch immer) tatsächlich vierstellig über den Ladentisch ging.

Very British darf hier kein rosa-beige Schal von Burberry fehlen, sonniges Wetter hin oder her. Kann natürlich auch als Stola getragen werden.
Schließlich geht es hier um Creed, for heaven’s sake!

Bequeme Schleicher von Ellesse in Pastellrosa mit Mauve-Untermalung verstehen sich von selbst.

Der Beischlafübernachtungskoffer (BUK) sollte genügend Platz für den Aventeuse-Flakon haben (am besten die OVP aufheben, da die Kappe manchmal locker sitzt).
Außerdem sollte das Täschle die collectible Boxershorts der Aventus-Bubis verstauen können. Je mehr, desto höher der Score!
Das Logo besagter Umhängetüte sollte inklusionskonform auch für Sehbehinderte lesbar sein.

Schminke:

Mädel, bleib sportlich!
Drei verschiedene Foundations sollten den natürlichen Teint lediglich unterstreichen.
Konturen locker lassen, nimm ruhig mahagonibraun und pervyred.
Die Lippen sollten aber das Gold des Flakons wiedergeben.

Und nun bist Du für den wilden Westen gewappnet, meine Teuerste.

High Noon!

Ihr steht Euch gegenüber.

Er, Schweißperlen an den gezupften Augenbrauen.

Du, Hautzellen um Luft schnappend.

Er, Aventus selbst am Allerwertesten.

Du, Aventeuse als Blutersatz.

Jeder von Euch zuckt am Gummibund seiner Schambedeckung.

Und Ihr starrt Euch an.

Die Spannung steigt…

Filmmusik: Texas - I Don‘t Want A Lover


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Axiomatic vor 18 Tagen 35 58
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Duft
Trügerisches Wasser
Das vorliegende Wasser ist wie eine Gratwanderung entlang der weiblichen und männlichen Geruchsgewohnheiten vergangener Jahrzehnte.
Trügerisch in der Aussage, was dieses Chypre sein möchte, bis es sich angeblich endgültig wandelt.
Und hier liegt auch die Gefahr des Duftes.
Denn nichts ist so wie es scheint.

Zisch!

Was soll ich sagen?
1980 konnte Caron grandios die Tradition des Hauses bewahren und mit herrlichen Hesperiden begrüßen.
Und diese sind zahlreich auszumachen, hier stimmt die Angabe der Duftpyramide.
Als da wären:
Sehr konzentrierte Bergamotte, helle Zitrone und eine wunderbar fruchtige Mandarine.
Sie alle werden nach Art des Hauses mit spielerischen Aldehyden in die Lüfte gehoben, während sie Schatten auf die ziemlich herben grünen Kräuter werfen.

Der Basilikum erinnert mich an so manch schöne Herrenerfrischung und wird durch den Muskatellersalbei noch markanter.

Leise pocht die süßlich harzige Basis wie ein stilles Herz, welches auf die Entwicklung hinweisen möchte.
Doch niemand hört auf die Warnung.
Typisch, man lässt sich von der Dramatik Pariser Eleganz blenden.
Ah, der Laufsteg der Schönen!

Eine blumige Gaze an Blüten, gleich dem Musselin bei den Vorentwürfen eines Kleids in der Haute Couture, drapiert die anfänglichen Kräutern, ohne viel verändern zu wollen.
Als wären die Blumen noch in der Stufe der Ideen verhaftet.

Und genau an dieser Stelle macht sich ein Akkord bemerkbar, welcher 1980 bei Dior für Furore sorgen sollte:
Gartennelke, Jasmin und Zeder zusammen mit dem Basilikum.
Jules stolziert selbstsicher durchs Bild, der eitle Gockel.
Hier allerdings muss der Lude aber etwas von seinem Getöse einbüßen und sich durch sanftere Blüten bändigen lassen.
Doch noch bezirzt er verführerisch gaunerhaft mit einem sehr mediterranen Thymian, Killergrinsen inklusive.
Die Wärme an dieser Stelle des Duftverlaufs ist kongenial, hier pocht die reine Fleischeslust!
Man möchte geradezu flehen: Augenblick, so verweile doch!
Der kleine Tod halt…
Pardon, ich drifte ab.
Unverbesserlich!

Leider hat aber unser Julchen die Rechnung ohne die Blüten gemacht.
Und so überdecken sie immer mehr den Macker. Er erfährt von den Schneiderinnen des hohen Hauses edler Schnitte einen Crash Kurs in Drapage à la Toile.
Monsieur übt sich in Manierismen.

Dass manche Orchideen riechen, machte sich Gerard Lefort zu Nutze.
Rosig vanillig duftet diese seltene Blüte in ihrer Beschaffenheit und er überlässt ihr nachsichtig das Steuer im Duftverlauf.
Es geht in Richtung ledrige Harze.

Und ehe wir uns versehen, haben wir das Marais-Viertel in Paris verlassen und sind nun in irgendeiner der feinen Boutiquen der Avenue Montaigne.

Die edle Basis des Duftes duftet exquisit bien comme il faut.
Ein paar Pinselstriche Eichenmoos, eine Schattierung vanilliger Harze hier, ein Hauch kosmopolitisches Patchouli da.
Dazu noch hochwertiges Leder, sanft und geschmeidig.
Die Ambra schafft hier die „je ne sais quoi Geste“ und rundet entzückend betörend ab.
Die feine Dame kann sich sehen lassen, Kostüm, Canotier und Kellytasche sitzen wie angegossen.
Jetzt auf zum obligatorischen Sehen und Gesehen Werden im Café Flore auf der anderen Seite der Seine. Husch husch!

Aber, aber, die Gefahr des Duftes macht sich erst jetzt bemerkbar.

Denn so eindeutig ist die Basis nicht, genau so wenig wie der vorherige Verlauf.
Da schwingt doch etwas herb Burschikoses mit bei den lieblichen Harzen.

Gut, ganz so deftig ist es nicht.
Etwas vom Thymian wird Madame dennoch in den Kopf steigen und sie resoluter stimmen.

Wer aber hier unsere genervte, am Taxistand der Avenue Montaigne stehende Schönheit im melodramatischen Kontrollverlust erwarten würde, wird leider enttäuscht werden.
Also, ich meine, sie wird sich nicht gerade deftig räuspern und auf die Straße spucken, weil kein Taxi in Sicht ist.
Und sollte ihr jemand das Fortbewegungsmittel vor der Nase weg schnappen, wird sie mit Sicherheit nicht den inneren Bauarbeiter raushängen lassen.
Sätze wie:
„Va te faire BIEB! Sale fils de BIEB!“
werden ihr nicht leicht über die adrett geschminkten Lippen gehen.

So ein:
„Espèce d´imbécile!“
wäre allerdings schon drin.
Ich meine, es ist menschlich.
Passiert jedem und kommt auch in den besten Familien vor.

Tja, wie sähe es denn beim Julchen aus?
Hier wird es dank der Blumen und Harze brenzliger, geradezu gefährlich.

Er, der König des Trou d´Enfer in der dunkelsten und berüchtigtsten Gasse des Marais, wäre nach ein paar Sprüher vielleicht versucht, sich im Kreise seiner Macker folgenden Fauxpas zu leisten.

„Écoute mon vieux, pas des clopes ce soir!
Ich bestelle mir heute eine dieser reizenden Religieuses zum Café Crème. Oder doch lieber die vortrefflichen Macarons à la double Framboise Virginie?“

Gut, gut, Julchen wird sich da noch etwas erklären müssen bei seinen Halbseidigen, wenn er wieder hochgepäppelt und aus der Narkose geweckt wird.
Ich meine, in der Notaufnahme werden sicherlich die Herzen jener Halunken erweichen, wenn sie ihr Oeuvre im grellen Lichte näher betrachten, die Prellwunden ihres Anführers an herrlich sanften Harzen.

Und wer weiß?
Vielleicht wirkt ja dieses Wässerchen von Caron zivilisierend?

Wie heißt es so schön, Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.
Auch in der Stadt der Liebe.
58 Antworten
Axiomatic vor 19 Tagen 30 53
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Der Wüstenprinz
Da haben wir es!
Wieder einer dieser mysteriösen Düfte, welche zunächst mit einer gehörigen Ohrfeige abschrecken, um im Nachhinein eine edle Komposition preiszugeben.

Einfach macht es mir dieser Wüstenprinz nicht, seine Welt erscheint mir fremd und verschlossen zunächst.

Nicht, dass ich mich mit dieser Art der Animalik geschlagen geben sollte.
Nein, ganz im Gegenteil, hier beweist das Haus wieder einmal beste Qualität.
Es ist diese unglaublich trockene und verstaubte Atmosphäre, welche mich anfangs verzweifeln ließ.

Hier nun der erneute Versuch.

Zisch!

Was für eine sonderbare Eröffnung!
Erdiges Patchouli legt die Koordinaten fest, die staubige Wüste heißt willkommen.
Und sogleich werden naturnahe Papyrusrollen ausgebreitet, um eine Geschichte aus den Emiraten zu erzählen. Eine, die die rasante bauliche Entwicklung und teure Motorisierung schildert trotz des Festhaltens an Traditionen.

Der Duft wird immer trockener, ich kann den Wüstensand förmlich riechen.

Leise und flehend macht sich eine Zitrone bemerkbar. Oder ist es eine Zitronatzitrone?
Diese zitrische Frucht wirkt wie gefangen, eingeengt von erdigen und holzigen Noten.
Die Unbarmherzigkeit des Serails.

Langsam nährt sich mir der Wüstenprinz in seinem tadellosen, weißen Gewandt.
Olivgrün seine Augen, streng sein Blick, so wie diese Olivennote inmitten der Hölzer.
Vielleicht bezwingt er meisterlich einen Falken auf seinem mit Leder geschützten Vorderarm.

Und der Prinz riecht recht männlich unter der grellen Sonne, dafür sorgen Kreuzkümmel und Safran.
Aber er wäre kein Adliger, würde der Jasmin nicht diese blumig virile Eleganz verströmen.
Er beherrscht also die auf der arabischen Halbinsel geforderte reinliche Haltung.

Seine Heimat erfuhr eine kolossale Veränderung.
Bauten des sich Übertreffens an Höhe mithilfe des technisch Möglichen, wortwörtlich auf Sand gebaut.
Und das spüre ich im Duftverlauf.
Der staubige Sand lässt Platz für eine leicht metallische Note, säuerlich unterwandert vom Vetiver.
Das Stahlgerüst der Wolkenkratzer.
Die Inneneinrichtung jener modernen Paläste der Lüfte ist gediegen holzig, streng und puristisch. Etliche Holzarten wurden von Meisterhand gezimmert.

Hier wird auch die freiheitsliebende Zitrusfrucht gefangen gehalten. Ihr Wimmern hallt dank Elemi in den teuren Alkoven nach, sie sucht vergeblich ein Entkommen.

Betäubt wird sie mit rauchigem Haschisch. Nicht ausladend, nein, wohldosiert gekonnt, auf dass hier niemand unanständig abdriftet.
Der dezente Rausch als Ersatz für die Einsicht.
So versucht er sein Gewissen zu beruhigen, denn nachgeben wäre ein Zeichen der Schwäche.

Ich überstrapaziere seine Gastfreundschaft nicht und möchte mich verabschieden.
Das Bild der zitrischen Gefangenschaft beschäftigt mich doch zu sehr.

Wohlerzogen fährt er mich zum internationalen Flughafen der Sonderklasse in seinem maßgeschneiderten zwölfzylindrischen Gefährt aus Maranello.
Eine ölige Note verrät mir in der Basis die Ingenieurleistung aus Italien, der Motor seines weißen Sportwagens läßt keine Wünsche offen.

Und so verabschieden wir uns.
Er würzig trocken mit eleganter Holzhaltung und dressierenden olivgrünen Augen.
Ich von den Kontrasten sandiger, zugebauter Oasen und dem Schmerz der zitrischen Frucht aufgewühlt.

Salam, werter Prinz!

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