Bukett

Sie kennen das. Der nervige Wecker reißt Sie am frühen Morgen, um 14 Uhr, aus dem Schlaf und schon beginnt der Ärger. Kein schmeichelnder Kaffeeduft, der Ihre müde Nase aufweckt, denken Sie, laut vor sich hingrummelnd. Hat das Personal etwa heute frei, kann doch nicht sein. Sie drehen Ihren Kopf in Richtung Nachttisch, auf der Suche nach der Personalklingel, als Sie freundlich von Ihren Dritten angelächelt werden. Das ist doch mal eine schöne Begrüßung, denke ich und hüpfe grazil aus dem Bett, nun ja, es ist mehr ein Plumpsen.
Das Wetter ist trüb und grau, wie Ihr umzingelter Wohnbeton. Aus dem kleinen Fenster erblicken Sie sämtliche Schattierungen von grau, nur nicht ein kleiner Ansatz von Grün. Nein, das ist in diesem Wohngebiet einfach nicht vorgesehen. Die grüne Natur wurde einfach ausgeschlossen, bringt eh nur Ungeziefer, wie Singvögel und andere Kreaturen.
Aber es kann Ihnen eh alles egal sein, denn schließlich haben Sie vergangene Woche überraschend geerbt. Tante Hannelore, die Modedesignerin für Leichenhemden war, hat Ihnen stolze 132,- Euro hinterlassen. Grund genug, Job zu kündigen, Hauspersonal einzustellen und sich heute einen neuen Duft zu gönnen.
Stellen Sie sich bitte folgendes vor: Sie betreten regelmäßig Ihre Stammparfümerie und werden trotzdem auffallend mit einem ,,AUF WIEDERSEHEN" begrüßt. Da muss man schon psychisch sehr stabil sein und selbstbewusst, um damit umgehen zu können. Vielleicht liegt es an meinem missverstandenen Auftreten, inkludierter Gesichtstattoos. Aber wir werden es nie erfahren.
Wie immer, werde ich kritisch von Personal und Ladendetektiv beäugt, als ich vor dem Regal von Clive Christian stehe. Nach gefühlten 20 Minuten der Missgunst, bequemt sich meine Mutter endlich zu mir, um mich professionell zu beraten. Mutti, ich benötige einen frischen - aber auch sehr klassischen - ja, zeitlosen Duft. Einen Duft, der mich eigentlich durch alle Jahreszeiten begleiten kann und nicht als störend von Mitmenschen empfunden wird. Einen, der etwas krautig und herb daherkommt und trotzdem am Ende sehr gefällig wird. Keinen Duft für jüngere Aspiranten, eher für schon vom Leben gezeichnete Gesichter. Einer, der mich glaubwürdig abholt.
Und meine Mutter greift in das Verkaufsregal und reicht mir den gesicherten Tester ,,1872 for Men" von meinem bevorzugten Haus. Ich umfasse, noch etwas schüchtern, dieses leuchtende Grün des schlichten Glasflakons, ziehe die Kronenkappe ab und sprühe keck 3 Mal auf mein Handgelenk. Schon entfaltet sich für mich ein olfaktorisches Nasenspiel, von Frische und grüner, herber Würzigkeit, die zugegeben, natürlich nicht neu ist aber trotzdem hier wunderbar, für mich, umgesetzt wurde und in Zukunft meinen trüben Blick aus dem kleinen Fenster des Wohnsilos erhellen wird.
Ich hoffe, auch Ihr habt alle erhellende Stimmungsauffrischer.
Danke, fürs Lesen.

Ostern war vorbei, die Schokolade war verwertet und das sonst so passende T-Shirt machte mich unästhetisch bauchfrei. Was blieb, war der gut gemeinte Gutschein der Noch-Ehefrau für eine erfrischende Bestattungsvorsorge für Mittfünfziger, beim hiesigen Discount-Bestatter. Ich drückte die knarrzende Tür des Ladengeschäfts auf und wurde von einem glaubwürdigen Herrn mit aschgrauem Pullover lebensbejahend herzlich in Empfang genommen. So wichtig dieser Termin mir auch erschien, ich konnte mich einfach nicht auf das Gespräch konzentrieren. Denn ich hatte ständig diesen Geruch meines Gegenübers in der Nase, es war eindeutig Casafutura. Ich selbst hatte mir einige Zeit vorher eine Probe davon bestellt, da ich der Casamorati Reihe eigentlich sehr offen gegenüber stehe. Eigentlich, denn Casafutura hatte mich leider nicht einfangen können. Zu unharmonisch dieser Mix aus Lavendel, dominanter Rose und der wilden Hatz durch den Kräutergarten, verfolgt vom Hustinettenbär. Casafutura scheint mir ein mutiges Experiment, welches ich nicht verstehe.
Der Bestatter konnte mich olfaktorisch nicht überzeugen, es brannte mir zu stechend in der Nase.

Vorweihnachtszeit im vergangenen Jahr. Ich stehe mit zu viel Puderzucker bestäubten Stollenkonfekt, aus der Bäckerei nebenan, in der hiesigen Parfümerie meines Vertrauens, vor den überfüllten Regalen der sogenannten Nischendüfte. Ja, diese Entwicklung meiner feineren Nase hat in der Tat einige Zeit verstreichen lassen. 1985 vor dem Jugendgericht zu 4 Monaten auf Bewährung verurteilt, da ich mich damals mit AXE-Deo einsprühte und jetzt, mit deutlich über 50, darf ich endlich Nischendüfte kaufen und im Bus hinter dem Fahrer sitzen. Ich stehe also vor den Casamorati-Düften und ergreife diese wunderbare grüne Flasche, als ich diesen Atem einer anderen Person in meinem Nacken wahrnehme, so ein schnauben. Was suchen Sie denn? In diesem Moment drehe ich mich um, im Mund ein riesiges Stück Stollenkonfekt, eigentlich den Fiero, klingt es dank Stollen stark lispelnd und prustend, was zur Folge hat, dass der Puderzucker auf der Brille der Fragenden landet. Das Reiben meinerseits auf der Brille ihrerseits, mit meinem alten Menthol-Taschentuch, brachte nicht den gewünschten Effekt. Auch machte es meine Argumentation nicht besser, einen 50 Prozent Rabatt einzufordern, wenn ich einen Sommerduft im Winter kaufe. Jedenfalls habe ich jetzt Hausverbot und komme zu folgendem Resümee:

Ein unfassbar frischer, zitrischer und krautiger Duft. Für mich, einer der besten Frühlings- und Sommerdüfte. Ich gebe zu, am Anfang könnte die vielschichtige Zitrik einen erschrecken oder überfordern. Wer sich aber darauf einlässt, wird belohnt. Gebt ihm etwas Zeit sich weiter zu entwickeln. Dann wird er bald krautiger und belebt euer Gemüt. Er ist nicht für den Massengeschmack erschaffen worden, was ihn für mich noch hervorhebt. Für Arbeit und Freizeit sehr geeignet, nicht unbedingt am Abend für mich. Wie immer, die Umverpackung, Flasche und Sprühkopf sind hochwertige Xerjoff Qualität.

Geschätzte Gemeinde,
bevor ich gleich die Kollekte rumgehen lasse, ein paar Worte meinerseits. Ihr seid alle positiv mit Schuld belastet, denn euretwegen bin ich in meinem Dufthimmel angelangt und muss gar kostspielige Duftzusammenstellungen kaufen. Aus Frust darüber habe ich schon die Oblaten weggefuttert, das Abendmahl fällt heute also aus. Wie konnte es nur dazu kommen? Jahrelanges PARFUMO studieren hinterlassen halt seine Spuren und zeigen bei mir eine olfaktorische Weiterentwicklung. Gerade jetzt, zur beginnenden kalten Jahreszeit, liebe ich diesen vielschichtigen, würzigen Duft. Mir bleibt dieser Wacholder lange in der Nase. Ein Duft, der bei diesem Preis nicht länger hält oder intensiver strahlt, was man z.B. eher von Xerjoff-Düften kennt. Hier geht es nicht darum von anderen Personen Komplimente zu erheischen. Man trägt diesen Duft, was übrigens für alle Clive Christian Düfte gilt, einfach nur für sich und ist beseelt darüber, sofern er einem gefällt. Die Umverpackungen könnten deutlich wertiger sein und auch die Glasflaschen, aber für mich zählt der Inhalt, ich sehe darüber hinweg und vergebe. Denn hier ist der perfekte Duft für Männer ab 40, die der kalten Jahreszeit individuell wohlriechend entgegentreten wollen und nicht mit der Masse weiterziehen wollen.