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Caligaris Blog
vor 6 Jahren - 23.02.2018
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Der beschränkte Blick eines Anfängers auf ein Jahr Parfumo.de-Anwesenheit - Teil 04

Es war wohl ein genialer Zufall, dass ich bei einer meiner allerersten Bestellungen an einen Verkäufer geraten war, der meine Hilflosigkeit und Überforderung mit dem Thema sofort erkannte. Schon unmittelbar nach dem Erhalt der ersten Abfüllung wurde ich von Stehliwood gefragt, ob er mir ein Probenpäckchen zusammenstellen soll. Das klang für mich ideal. Angesichts der ersten Erfahrungen mit den Top-Abfüllungen war mir klar, dass die Suche so nicht sehr bald beendet sein wird. Ist es doch alles viel komplexer und keineswegs mit Rankings und der Orientierung am Geschmack von einigen oder vielen zu lösen. Warum also nicht eine unbestimmte Auswahl testen? Vielleicht sind ja Sachen dabei, an die ich noch gar nicht gedacht habe.

Das mit dem Probenpaket war so erfolgreich und spannend, dass wir das noch mehrmals wiederholten. Insgesamt haben so in kurzer Zeit nicht weniger als 43 Proben zu mir gefunden. Bis auf wenige Ausnahmen waren das alles hochwertige Düfte von namhaften Marken. Zudem noch ein hoher Prozentsatz von Nischendüften. Im Nachhinein betrachtet eine unheimlich gute und großzügige Versorgung, was ich damals natürlich überhaupt noch nicht einschätzen konnte.

Es war so ein bunter Mix, wie man sich ihn besser nicht hätte vorstellen können. Vieles war auf Anhieb uninteressant, einiges interessant und wieder andere sehr faszinierend. Von den 43 Düften habe es bis heute fünf Flakons in meine Sammlung geschafft. Manche auf direktem Weg, manche erst über eine Abfüllung, die zur Entscheidungsfindung benötigt wurde. Wie mir geheißen, habe ich täglich zwei Proben, je eine pro Handgelenk, getestet. Um die Übersicht zu behalten, musste eine Excel-Tabelle her. Da ich noch nicht wusste was Kopf-, Herz- und Basisnoten sind, stand da als Spaltenüberschriften: "Anfang", "Mitte", "Ende", was im Nachhinein betrachtet ja auch nicht gelogen ist. Dazu jeweils eine Duftbeschreibung, die sich ausschließlich auf Vokabeln aus dem Alltag speiste: "Grün", "würzig", "Klebstoff", "Keks", "blumig", "Pfeffer", "Seife", "zitronig" und so weiter, Schulnoten von 1 bis 6, die Haltbarkeit mit den Kategorien "schwach", "mittel" und 'stark' und "Anmerkungen". Und da kann man heute noch so Sachen lesen wie: "sehr ungewöhnlich (riskant!)" zu Mortal Skin von Stéphane Humbert Lucas, Anfang/Mitte/Ende jeweils "Pfeffer" zu Full Incense von Montale oder "völlig ungewöhnlich" zu Ambre Loup von Rania J. Bei Letzterem war ich so überfordert, dass ich dem bis heute nicht mal eine Note geben konnte. Ich dachte nicht, dass der noch gut sei, oder dass es sich überhaupt ernsthaft um einen Duft handelt. Erst eine Mitarbeiterin konnte mich mit einem: "DER riecht gut!" beruhigen. Ein Urteil, das sie bei Weitem nicht für jedes Test-Handgelenk übrig hatte. Alleine dieses Erlebnis zeigte die völlige Subjektivität zu der Thematik.

Dass mir bei meiner persönlichen "Duftfindung" keiner helfen konnte, war mir jetzt noch bewusster. Aber es galt ja noch daneben, zig allgemeine und technisch Fragen zu klären. Ich weiß nicht, ob ich mir das alles über das Forum angeeignet/angetan hätte, und war daher heilfroh, dass Strehliwood neben der Hardware auch die Software liefern konnte. Mit unzähligen Nachrichten habe ich den armen Kerl bombardiert. Liest man sich jetzt einige dieser ersten Fragen durch, mutet das teilweise schon recht naiv an. Umso mehr schätze ich die Geduld meines Mentors. Ich fand es zudem sehr wertvoll und vertrauensbildend, dass er stets sachlich und nüchtern erklärt und beschrieb, ohne mich dabei lenken, beeinflussen oder überzeugen zu wollte.

Und so wurde mir eben in Grundzügen erklärt, wie das hier so im Souk läuft, wie die Gefäße heißen, wie da das Flüssige hineinkommt, auf welche Arten und Weisen gesammelt und gekauft wird und was man so alles auf seiner Parfumo-Seite einrichten und einstellen kann. Eine neue Welt, die sich da auftat. Jetzt war ich schon ganz schön weit weg von den früheren Konsumgewohnheiten: 10 Minuten Hinfahrt, 5 Minuten eingekauft, 10 Minuten Rückfahrt, Parfüm in den Schrank gestellt und fertig war der Lack!

So. Und was mach ich jetzt mit den Erkenntnissen aus 43 Tests? "Auswertung!" Richtig! Da hilft nur Struktur. Also wurde bei mir das "Ampel-System" eingeführt. Rot = unmöglich/Warnung, gelb = unentschieden/Wiedervorlage, grün = weiter, weiß = belanglos. Unter den Grünen wurde dann in "Ausscheidungskämpfen" weiter ausgesiebt. Dabei wurden immer ähnliche Düfte miteinander verglichen. Manche Verlierer wurden nach dem zweiten Test zur Kategorie weiß, andere gelb, selten blieben beide grün. Derweil kamen jedoch immer wieder einzelne oder mehrere Proben dazu. Das Ganze wurde unübersichtlicher. Vor allem wenn man das Gefühl hatte, einen ähnlichen Duft erst vor ein paar Tagen getestet zu haben. Aber welcher war es? Soll ich einen eventuell bereits ausgeschiedenen Duft nochmal hervorkramen, oder den Neuen erst gar nicht testen, weil er keine Bereicherung darstellt?

Also wurden Gruppen gebildet und innerhalb dieser, die Vor- und Nachteile gegenübergestellt. Eigentlich hätte es konsequenterweise irgendwie bei genau neun Düften enden müssen. So viele Hauptkategorien stehen bei mir in einer Tabelle mit dem Namen "Endstand". Welch Hohn im Anbetracht des derzeitigen Tachostandes auf meiner "Habe ich"-Uhr. Wie es zu dieser Disziplinlosigkeit kommen konnte und warum nur einer der fünf Flakons, die aus den ersten 43 Proben hervorgegangen und in meiner Sammlung gelandet sind bleiben darf,…

Fortsetzung folgt…

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