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Caligaris Blog
vor 6 Jahren - 01.04.2018
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Der beschränkte Blick eines Anfängers auf ein Jahr Parfumo.de-Anwesenheit - Teil 05

Bei all dieser Vielfalt, die ich durch die Probenpäckchen kennengelernt habe, wurde mir schnell klar, dass ich meine Suche nicht mit nur EINEM Fund beenden werde. Es waren zu viele Richtungen dabei, die ich vorher nicht in Betracht gezogen habe. Nicht jede gute Probe erweckte sofort einen konkreten Kaufanreiz, jedoch boten sie häufig Anlass zum Nachspüren und Vertiefen. Hier spielte natürlich Parfumo mit den Instrumenten "Duftzwilling", "Kommentare", "Statements" und "Beliebt" (was der Hersteller sonst noch zu bieten hat), eine große Rolle. Neben den Interessanten gab es aber auch Düfte, bei denen ich mir sicher war, dass die bei mir unbedingt funktionieren. Entweder durch einen Test am Handgelenk oder die bloßen Lobpreisungen in den Kommentaren. Zurückblickend kann ich jetzt sagen, dass ein Test am Handgelenk für eine höhere Trefferquote sorgt als sich über den Duft zu belesen. Und dennoch ist ein Test am Handgelenk noch keine Garantie für einen Treffer für die Sammlung.

Ohne hier jetzt noch hunderte von Proben und deren Werdegang in Bezug auf meine Sammlung aufzuführen, nur noch zwei exemplarische Beispiele.

"Tuscan Leather". Dieser Name ist mir sehr häufig bei meinen "Recherchen" untergekommen. Durch die markante Flakonform blieb mir auch relativ schnell die Marke Tom Ford im Gedächtnis. Sie schien nicht nur weit verbreitet, sondern auch qualitativ solide. Er war und ist in den Top 100, wo er bis heute der Duft mit den meisten Bewertungen ist! Ledrig-rauchig, Durchschnittsbenotung 8,5 und in den Top 100. Und wenn man sich die Kommentare durchliest: Das ist eine sichere Bank. Aber 100 Euro für einen 30 ml Originalflakon waren mir dann doch zu happig, weswegen ich mich für eine sehr günstige 50 ml Abfüllung entschied.

Das war wirklich eine der bittersten Enttäuschungen. Nicht nur dass die Erwartungen hoch waren. Nein, sie waren ja auch noch begründet. Denn hunderte von Fans, Fachleuten, Parfümverkäufern und womöglich Parfümeuren haben doch ihr fachlich fundiertes Urteil abgegeben. Was war passiert? Der falsche Duft? Jetzt mal ohne Schmäh. Ich hab in meiner Unwissenheit tatsächlich den Verkäufer angeschrieben und ihn ernsthaft gefragt, ob er mir auch wirklich DEN "Tuscan Leather" von Tom Ford geschickt hat, was er natürlich ganz verdutzt bejahte. Denn hier kommt die individuelle Komponente, die persönliche Wahrnehmung ins Spiel. Ich rieche bei "Tuscan Leather" nicht mittelherbes, männliches Leder oder eine archaische Rocker-Lederjacke. Nein, für mich riecht dieser Duft wie meine Ledertaschen aus der Schulzeit. Nicht, dass es bei mir eine überaus traumatische Schulzeit gewesen wäre - es ging alles ohne ärztliche Behandlung, zumindest für mich, ab -, aber dafür brauch ich doch kein Parföng! 100 Euro, damit ich rieche wie (m)eine alte Ledertasche! Habt ihr 'nen Knall! Es war nicht das vermeintlich fehlinvestierte Geld, sondern die in mir hochkommende Verunsicherung. Stufe 1: Was nützen mir denn in Zukunft all diese Angaben und Kommentare bei Parfumo.de, wenn sie auf mich nicht übertragbar sind? Stufe 2: Wie soll ich nun auf welchem Weg zum Ziel kommen? Ein Desaster!

Ein ganz anderes Beispiel lieferte hingegen "Ameer Al Oudh" von Lattafa. Nach meinen bisherigen Erfahrungen habe ich diesen Duft gleich dreimal probiert und kam immer zum gleichen Ergebnis: uneingeschränkt toll! Und dennoch hätte ich mir davon keinen Flakon zugelegt, wenn ich nicht auch mal abseits vom Souk und den Preissuchmaschinen - wo der eh nicht gefunden wird - bei einem großen Internet-Auktionshaus gesucht hätte. Treffer! 14 Euro für 100 ml. Ja spinn ich! Der Tom Ford kann sein Zeug behalten. Selbst auf den 100 ml Flakon für 200 Euro hochgerechnet sind das noch mehr als das 14-fache, was dieser US-Schnösel verlangt. Doch oh Schreck! Die Verkäufer sitzen alle mindestens in Großbritannien, wenn nicht sogar außerhalb Europas, womit entsprechende Versandkosten verbunden sind. Und relativ hohe Versandkosten auf den eigentlichen Produktpreis bezogen kann ich nicht ausstehen. Also habe ich einen Tag lang recherchiert, was ich sonst noch von diesem britischen Verkäufer bestellen könnte, damit sich das Paket auch lohnt. Das war eine Strafarbeit. Warum? Weil zu über 50 % der von ihm angebotenen Düfte hier bei Parfumo.de nicht ein Wort steht. Zu fünf davon gab/gibt es nicht mal einen Eintrag. Da aber offenbar die immer gleichen Düfte orientalischen Ursprungs von verschiedenen Anbietern aus Großbritannien verkauft werden, sind zumindest von einigen bei amazon.de Kundenrezensionen verfügbar. Diese, zusammen mit der Beschreibung der Verkäufer und den hier spärlich vertretenen Infos habe ich dann gelesen und ausgewertet. Übrig geblieben sind exakt 20 Düfte. Leider hat der Verkäufer keine Ahnung davon gehabt, Rabatte bei den Versandkosten auf der Verkaufsplattform des Auktionshauses einzurichten. Ein regulärer Kauf darüber hätte Versandkosten von mehreren Hundert Pfund nach sich gezogen. Folglich musste ich ohne Käuferschutz des Auktionshauses per Paypal zahlen. Und tatsächlich musste ich auch Paypal einschalten, um an die Ware zu kommen. Ich muss dem Verkäufer hier schlechte Absichten unterstellen, da er sich entweder gar nicht gemeldet oder dreiste Ausreden gebraucht hat. Nach drei Wochen Bangen war dann glücklicherweise alles da.

Das Öffnen und Auspacken war wie Weihnachten. Lauter unterschiedlichste, güldene Kartons. Und auch der Inhalt war, oberflächlich betrachtet, ein Bild wie aus 1001 Nacht. Da werden goldene Kettchen umgehängt, bunte Edelsteine aus Kunststoff aufgeklebt oder Etiketten aus echtem Leder verwendet. Bei näherer Inspektion allerdings wurde zumindest schon mal äußerlich klar, wo hier gespart werden musste um solche Preise (grob zwischen 8 und 25 Euro je Flakon mit 10 bis 125 ml) zu ermöglichen. Der Klassiker, in Bezug auf unsere Verhältnisse, sind schief applizierte oder schlecht haftende Aufkleber/Etiketten. Gefolgt von Kunststoffkappen, die mitunter wenig oder gar nicht mehr hielten bzw. schon bei der Ankunft entzweit waren. Aber eins muss man ihnen lassen. Die Sprühköpfe sind fast alle auf gutem bis exzellentem Niveau, was man oft sogar bei 300 Euro Flakons nicht bekommt.

Und auch diese Bestellung war weit mehr als die Summe der einzelnen Düfte. Nein, viel wichtiger waren die Erkenntnisse, die ich daraus gewonnen habe:

  • Qualität muss nicht teuer sein.
  • Selbst sehr ähnlich beschriebene Düfte aus einer Ursprungsregion sind nicht annähernd vergleichbar.
  • Auch "urarabisch" anmutende Düfte riechen manchmal nicht nach Orient.

Zu diesen Aussagen stehe ich noch heute, obwohl ich mich weitestgehend von den im herkömmlichen Sinn orientalisch geprägten Düften verabschiedet habe. Und das bezieht sich nicht nur auf diese "Originale", sondern auch auf die europäischen und amerikanischen Anlehnungen daran, die ich (leider) danach erworben hatte. Aber dazu vielleicht später mehr.

Viele haben mich in den letzten Wochen gefragt, ob das was man da bei mir unter "habe ich" sieht, erst seit meiner Anmeldung bei Parfumo.de dazugekommen ist. Die Vermutung ist tatsächlich richtig. Ich bin hier mit zwei Designerdüften eingezogen. Der Rest wurde im Wesentlichen innerhalb von 12 Monaten zusammengetragen. Das ist einer persönlichen Schwäche geschuldet. Ich mache Sachen entweder ganz, oder gar nicht. Und da ich schon ein Leben lang gesammelt habe, war ich für Parfüm, nach einer gewissen Abtast- und Testphase, ein gefundenes Opfer. Bei meinen Sammlungen habe ich stets folgende Prämissen verfolgt: Nur Originale. Klasse statt Masse. Weitestgehende Vollständigkeit innerhalb eines Genres. Und aus diesen drei Vorgaben bedingt: günstige Bezugspreise anstatt z. B. Kauf bei Erscheinen.

Im Prinzip sind hiermit meine Anfänge bei Parfumo.de in Bezug auf die Duftfindung beschrieben. Sicherlich habe ich die eine oder andere Episode vergesse, die mitunter für mehr Unterhaltung gesorgt hätte. Wie sich nun genau mein Geschmack herausgebildet hat, die ganzen Fort- und Rückschritte, lassen sich ohnehin schwer beschreiben. Zudem habe ich seit meinem letzten Blog (Teil 04) bemerkt, dass ich es wohl durch berufliche Verpflichtungen nicht mehr schaffen werde, hier in einer ordentlichen Qualität Unterhaltsames in der gehabten Form abzuliefern.

Ich möchte daher, falls ich diese Serie überhaupt weiter führe, in den nächsten Folgen eher thematisch und nicht mehr chronologisch vorgehen. Und auch dann handelte es sich nicht um einen allgemeinverbindlichen und universellen Leitfaden, sondern meine persönlichen Erfahrungen mit dem Hobby und der Seite Parfumo.de. Vielleicht würden sie ja dem einen oder anderen Einsteiger helfen den anderen oder einen Fehler zu vermeiden oder nützliche Hinweise und Tipps bereit halten.

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