Cristalle

Schon seit einem Jahr wollte ich Gingembre testen, aber erst vor wenigen Tagen bin ich ihm leibhaftig begegnet – endlich eine Apotheke gefunden, die das gesamte Sortiment vorrätig und zum Testen aufgestellt hatte und dann noch preisreduziert. Ihr könnt Euch leicht ausmalen, wie meine Begegnung ausging – um 2 Düfte reicher verließ ich die Apotheke mit jammerndem Portemonnaie und jubilierender Nase.

Nun zum Duft, der absolut kein Langeweiler ist, dieses Eau kann was. Es startet mit einer herb-frischen Bergamotte, die allmählich von der Ingwernote überlagert wird. Es ist frischer Ingwer – ich habe gerade zum Vergleich eine Ingwerwurzel angeschnitten – leicht zitronig, würzig, scharf riecht sie, genau wie Gingembre. Gelungen, kann ich nur sagen! Das hat Pepp. Die Schärfe nimmt in der Herznote noch zu, kratzt aber nicht in der Nase, weil der Duft gleichzeitig weicher und runder wird, als wäre noch das eine oder andere Blümchen zum Leben erwacht. Jetzt erinnert mich Gingembre an mein Lieblings-Sommergetränk: Zitronensaft mit püriertem Ingwer und Holunderblütensirup, das Ganze mit Wasser gestreckt und auf Eis serviert – ein besseres Erfrischungsgetränk kenne ich nicht. (Rezept auf Anfrage per PN ;-) ) – ich glaube, ich verzieh mich mal kurz auf den Balkon, nehme mir ein Longdrink-Glas und einen Strohhalm, setze mir den Sonnenhut auf, schaukele ein wenig in meiner Hängematte und höre dazu Sunshine Reggae… Nach einem Stündchen des Seele-Baumeln-Lassens hat sich der Ingwer weitgehend verabschiedet und zurück bleibt ein warm-würziger, dezent süßer Akkord auf der Haut, für den ich den Moschus und das Benzoin (so angegeben bei Basenotes) verantwortlich mache. Mit diesem weichen Wohlfühlduft am ganzen Körper möchte ich gern ins Land der Träume segeln. Der würzige Duft auf der Haut hält sich recht lange, aber man nimmt ihn leider nur direkt auf der Haut wahr. Wer mehr Außenwirkung erzielen möchte, muss schon nach 2 Stunden nachlegen und greift am besten gleich zur 200ml Familienpackung.

Es gibt ja inzwischen Legionen von Frische-Wässern, die meisten sind Zitrusbomben, sehr viele davon synthetisch-harsch, manch eines erinnert an WC-Reiniger oder Backaroma und hat damit für mich definitiv einen Igitt-Faktor. Die Düfte von Roger & Gallet heben sich in ihrer feinen Ausgewogenheit und Natürlichkeit wohltuend davon ab. Bislang kannte ich nur deren feine Seifen und bin nun total angetan von der Entdeckung dieser Eaux Fraîches Parfumées, die manch doppelt so teures Wässerchen mit Leichtigkeit in den Schatten stellen.

Eau de Cartier war für mich eine positive Überraschung zu einer Zeit, als ich nach einer schönen Alternative zu meinem geliebten Cristalle suchte und lange, lange Zeit nicht fündig wurde.

Wenn ich morgens, noch halb verschlafen, Eau de Cartier auflege, bekomme ich augenblicklich einen klaren Kopf, mein Blick schweift in die Ferne und ich fühle in mir neue Energie, jede Herausforderung anzunehmen, die der neue Tag bringen mag.

Eau de Cartier empfängt mich mit trockener Frische, in der die Yuzu (naja ob es die nun genau ist, kann ich eigentlich nicht sagen, da ist etwas Zitrisches) nur kurz wahrnehmbar ist. Sofort danach reißen die Veilchenblätter das Regiment an sich. Die staubig grünen Blätter werden von einem Veilchenblütenhauch ein wenig an die Zügel genommen und dann macht sich in der Basis zunehmend das Zedernholz breit, das aber noch lange von den Veilchenblättern und –blüten begleitet wird. Ganz zum Schluss steuert Amber ein minimales Fitzelchen Wärme bei, das aber eigentlich nicht der Rede wert ist.

Ich sprühe mir Eau de Cartier immer auch ins Haar und auf die Kleidung – so hält es bei mir gut vom Aufstehen bis zum Mittag durch und wird von meiner Umgebung positiv bemerkt. Ideal für heiße Sommertage, egal ob bei Sport, Freizeit oder im Büro und an den Tagen, wo mir nach Eau de Cartier ist, kommt kein Verlangen nach einer konzentrierten Variante in mir auf. Eau de Cartier ist ein herrlich frischer, eleganter Duft, der fast ohne Zitrus auskommt. Es stimmt, dass er durchsichtig wirkt, aber das hat für mich nichts Negatives, im Gegenteil. Ich empfinde ihn so klar und rein wie einen Bergkristall, in dem sich das Sonnenlicht bricht und ein glitzerndes Funkeln verbreitet.

Schon der Name verrät es - dieses Parfum richtet sich auch oder möglicherweise sogar vornehmlich an eine westliche Klientel, denn im Gegensatz zu vielen anderen arabischen Parfums ist schon der Name auf die westliche Kundschaft ausgerichtet und lässt sich gut merken, was bei der arabischen Namensgebung für unsereins sonst recht schwierig ist. Auch der Flakon, der ein Hochhaus darstellt, deutet darauf hin, obwohl er vermutlich im Westen keine Begeisterungsstürme hervorrufen wird. Ich selbst finde ihn – nun sagen wir – gewöhnungsbedürftig, eben doch sehr orientalisch.

Die häufig erwähnte medizinische Note von Oud-Parfums tritt hier in nicht allzu strenger Form, aber doch deutlich, zutage und liegt irgendwo zwischen frischen Fichtennadeln und Schniefnasenbekämpfung mit Eukalyptus. Anfangs sind die Koniferennadeln prominent und vermischen sich dann langsam mit dem süßlich-aromatischen Sandelholz. Für ein orientalisches Parfum mutet es leichter an, als ich erwartet hätte (ich hatte allerdings auch gar keine Vorsstellung davon, wie arabische Parfums riechen). Es ist herb-frisch, allerdings gänzlich ohne den uns so vertrauten Zitrus-Frischekick und auch irgendwelche Blümchen, Küchenkräuter, Moose, Farne sucht man vergebens. Auch Gewürze hat’s keine. Nach einer Weile tritt das Sandelholz wieder in den Hintergrund, während der harzige Fichtenwald sich breit macht. Insgesamt dominieren die immergrünen Nadelanteile. Eine große Duftentwicklung ist ebenso wenig vorhanden wie Komplexität, was bei zwei Duftbausteinen natürlich nicht verwundert.

Dies ist ganz gewiss kein Kuschelduft sondern ein eher ruppiger Geselle. Trotzdem kann ich mir Night Dreams an Männern wie an Frauen vorstellen, allerdings sollten letztere sich nicht darum scheren, wenn sie mit diesem herben Waldaroma als etwas widerborstig wahrgenommen werden. Definitiv kein Duft für kokette Mädels! Night Dreams dürfte daher unter Männern deutlich mehr Anhänger finden. Die Haltbarkeit ist nicht überragend aber gut, das Dufterlebnis körpernah. Man nimmt den Duft so etwa über 6 Stunden wahr. Wer waldige, etwas rauh-herbe Parfums mag, könnte hier mal einen Test wagen.

Den Namen Night Dreams halte ich für einigermaßen irreführend, denn eine verführerische Wirkung, wie der Name (mir) suggeriert, hat dieses Raubein nicht, außer vielleicht für Holzfäller, Trapper und Waldschrate. Aber was wissen wir schon, wovon Araber nachts träumen?

PS: Ich sehe gerade, dass offenbar meine Quellen für die Duftnoten als zu inoffiziell betrachtet wurden, oder hab ich vergessen die anzugeben? Offiziell verlässliche Quellen habe ich leider nicht gefunden, aber es werden von einigen Shops immer dieselben 2 Duftnoten angegeben: Dehnal Oud und Sandelholz.

Ich liebe grüne Düfte, die sonnig-warmen genauso wie die gritzegrün-kühlen, jedes zu seiner Zeit. Vetiver pour Elle kommt schon rein optisch ganz grün daher und enttäuscht mich nicht.

Vetiver pour elle ist weder sonnig-warm noch kühl-grün, es ist ein bisschen so, als wäre es noch unentschieden, vielleicht lindgrün, gerade so als würde es die Kräfte für den Sommer sammeln. Für einen Vetiver-Duft ist es sanft mit nur der kleinsten Ahnung von Widerspenstigkeit. Die herbe Bergamotte, die manchmal so brachial auftritt, wird hier von einem Schleier eingehüllt, einem durchbrochenen, leichten, fast durchsichtigen grünen Stoff, der mich mit einem klitzekleinen rauchzarten und würzigen Geheimnis umgibt. Nur ein aufmerksamer Beobachter wird mein Geheimnis entdecken. Ich bin ganz ich selbst, nicht darauf bedacht zu beeindrucken oder auf mich aufmerksam zu machen. Ich genieße die Ruhe des Frühlingsmorgens, sitze ungeschminkt und barfuss auf einer Mauer, über mir zwitschern die Vögel, die Sonnenstrahlen streicheln meine nackten Arme und Beine und mein Gesicht ist der Sonne zugewandt. Noch ist es kühl, nur die wenigsten Knospen haben sich schon geöffnet, ein leiser Duft weht mir entgegen. Und erst nachdem die Sonne ihren Zenit überschritten hat, schickt mir die Tonkabohne mit ihren vanilligen Grüßen eine Vorahnung von der Wärme des kommenden Sommers.

Liebes Vetiver, Du bist freundlich zu Menschen, die Dich kennen lernen wollen, aber doch sehr zurückhaltend. Deine Stimme dürfte für mich etwas lauter sein, denn ich höre nicht mehr ganz so gut. Ich muss Dir immer ganz nahe rücken, um Deine Grüße auch am Nachmittag noch zu verstehen.

Ich gestehe: Ich bin eingeschüchtert von Profumos monumentalem, herausragend guten Kommentar, der keine Frage zu diesem Duft offen lässt und ihn so fantastisch beschreibt, dass sich vermutlich kaum jemand traut, noch Laut zu geben. Ich werde auch keine Duftanalyse ins Rund werfen, denn gegenüber dem Vorkommentar könnte ich mich nur blamieren. Mangels breiter Kenntnis kann ich auch nicht so viele Parallelen herstellen zu anderen Düften, aber mich erinnert Chypre Palatin vom Charakter her ganz stark und völlig unzweideutig an das alte Mitsouko. Es hat eine sehr ähnliche Herbheit und Fruchtigkeit zu Beginn, die dann in würzige Blumigkeit übergeht und in der weichen Basis eine leichte Rauchigkeit aufweist. All das allerdings in herunter gedimmter Form, weit weniger raumgreifend und mit etwas weniger Tier und – zumindest für mich - viel leichter zugänglich, aber genauso elegant und meisterlich. Monsieur Palatin verschreckt vermutlich auch eine ungeübte Nase nicht gleich, wie es beim alten Mitsouko leicht passieren kann.

Ich hätte nicht zu hoffen gewagt, dass ein so begeisterungswürdiger Chypre, also ein richtig echter, ausgewachsener Chypre, noch einmal das Licht der Welt erblicken würde. Aber hier ist er. Wer Chypres liebt, wird Chypre Palatin lieben. Natürlich riecht Chypre Palatin nicht exakt genauso wie Mitsouko, aber es ist eine würdige Alternative. Für manch einen könnte Chypre Palatin sogar das „bessere Mitsouko“ sein, da es insgesamt zurückhaltender auftritt und so eher dem Zeitgeist entspricht.

Ach, was für ein lahmer Kommentar – mir fehlen einfach die Worte, um meiner Begeisterung Ausdruck zu verleihen. Liebe Parfumos und Parfumas, Chypre Palatin ist wirklich einen Versuch wert!