Cristalle

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11 - 15 von 43
Cristalle vor 12 Jahren 8 4
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
10
Duft
Tausend-und-eine-Nacht
Als ausgesprochene Liebhaberin von Vintage-Düften ist bislang der Oud-Boom völlig an mir vorbeigerauscht, nicht nur weil mir Modeerscheinungen relativ schnuppe sind, sondern auch weil ich Oud eher bei männlichen Düften ansiedelte – medizinisch, nadelig, holzig - nichts davon gehört zu meinen Vorlieben. Doch bekanntlich soll man nie nie sagen und schließlich bin ich ein neugieriger Mensch, und dieses „Wunderholz“ mit seinen vielen Nuancen ist ja doch ein spannendes Stöffchen. Und was für eins!!!

1001 Nacht ist gleichzeitig Märchen und Rahmenerzählung, wie wohl die meisten von uns wissen. Die Rahmenerzählung berichtet von dem Schachzug einer sehr klugen und schönen Frau, Sheherazade, die das Verhängnis abwendet, dass jede Nacht eine junge Frau sterben muss, nachdem sie dem Scheich zu Willen gewesen ist, nur weil seine Lieblingsfrau ihm untreu gewesen war. Nacht um Nacht wirkt Sheherazade den Faden eines orientalischen Märchenteppichs, den sie bei Anbruch des Morgens an der spannendsten Stelle unterbricht. So gelingt es ihr, selbst dem drohenden Tod zu entgehen und den Tod vieler anderer Frauen zu verhindern, weil der Scheich seine Neugier nicht bezähmen kann. Er will unbedingt den Rest der Geschichte hören. Nicht ganz so bekannt ist den meisten, dass Sheherazade dem Scheich nach Ablauf von 1001 Nächten 3 Kinder geboren hat, und dass die Ursache hierfür sicher nicht allein ihre Erzählkunst war… Lasst Euch in den Orient entführen, zu 1001 Nacht - die Vorbereitungen für die Nacht beginnen:

Wie jede Frau, die des abends gerufen wird, dem Scheich Gesellschaft zu leisten, nimmt Sheherazade ein ausgiebiges Bad. Entspannt, die Haut weich und samtig von exquisiten Badezusätzen, entsteigt sie dem Zuber und nimmt sich viel Zeit, jedes Haar am Körper sorgfältig zu entfernen. Sie schmückt sich mithilfe anderer Haremsdamen mit den schönsten Henna-Ornamenten. Zum Schluss tupft sie am Hals, am Busen, am Bauchnabel und auf dem Schamhügel ein paar Tropfen von Madinis Oud auf, das sie nun mit einer verführerischen Aura aus hellen Blumen und edlem Adlerholz umgibt und ihr das sichere Gefühl gibt, dass kein Mann, auch nicht der von Hass und Rache erfüllte Scheich, ihrer erotischen Ausstrahlung widerstehen kann. Jeden Abend erwartet sie der Scheich ungeduldig und sie zieht ihn in ihren Bann, räkelt sich verführerisch, rückt nah an ihn heran… Des Scheichs Libido erwacht, und Sherazade weiß, was zu tun ist. Sie erzählt nicht nur spannende, sondern auch erotische Geschichten, die die Fantasie des Scheichs beflügeln. Er will in diesen Geschichten versinken, mit ihr, die so göttlich duftet, warm, weich, nach tausend Blüten und edelstem Adlerholz, und unendlich verlockend. Seine Lenden pochen, sein Herz klopft laut. Die Spannung, die sich über eine lange Nacht hinweg aufgebaut hat, wird unerträglich, schreit nach ausgedehntem Liebesspiel und endlich, endlich nach Erlösung….

Madinis Oud ist ein Parfumöl, das eine größere Sillage aufweist als andere Parfumöle, die ich bislang getestet habe, allerdings bleibt es doch relativ körpernah und ist gut haltbar. Es ist ein so erotisches Elixier wie mir bislang keines unter die Nase gekommen ist, es ist für mich die Verkörperung von sinnlich weiblicher Ausstrahlung und so märchenhaft wie 1001 Nacht – so müssen Harems duften. Testen, Leute, es lohnt sich.

Nachtrag: Ich war so hingerissen vom Duft, dass ich völlig vergessen habe zu erwähnen, dass dieses Oud weder medizinisch noch sehr nadelig sondern sehr rund holzig riecht und dass ich von den Gewürzen nicht viel mitbekomme. Außerdem gibt es kaum einen Duftverlauf, abgesehen davon, dass es eine Verschiebung gibt: So wie die Blumen langsam in den Hintergrund treten, wird das Holz deutlicher, aber eine bezaubernde, leichte Blumigkeit bleibt bis zum Schluss erhalten.
4 Antworten
Cristalle vor 12 Jahren 9 7
7.5
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
8
Duft
Ein Wiedersehen mit Nonna Antonia
Es ist doch wirklich erstaunlich, welche Assoziationen sich bei manchen Düften einstellen. Entre Naranjos lässt Nonna (= Oma auf Italienisch) Antonia auferstehen, eine ganz einfache Frau, die nie in ihrem 80jährigen Leben ein Parfum benutzt hat. Sie war nach unseren Vorstellungen arm , aber gleichzeitig viel, viel reicher als mancher, der vor Geld kaum laufen kann. Sie war an Großzügigkeit, und Herzenswärme nicht zu überbieten, hatte ein so ansteckendes, fast kindliches Lachen und keines ihrer einfachen aber bombastisch leckeren Menüs, die mit so viel Liebe zubereitet waren, kam ohne frisches Obst als Abschluss aus – u. a. saftige Apfelsinen di campagna, also vom eigenen Stückchen Land auf Sizilien, frisch gepflückt – in diesen Apfelsinen war noch die heiße Sonne zu schmecken – gar nicht zu vergleichen mit den hochgezüchteten, gespritzten und oft unreif geernteten Exemplaren aus dem Supermarkt von nebenan.

Wenn ich Entre Naranjos aufsprühe, höre ich Nonna Antonia lachen, sehe ihre verschmitzten, fast schwarzen Augen direkt vor mir, die mich mit dem charmantesten, faltigen Lächeln auf dieser Welt auffordern zuzugreifen – Hier, nimm ein Stück saftige Apfelsine, das ich gerade aus der Schale gepuhlt habe – das herbe Aroma der Schale erfüllt den Raum gemischt mit dem saftigen Geruch der frischen Frucht und dem grünen Duft von ein paar Zweigen des Orangenbaums, aus denen verstohlen ein paar Blüten hervor lugen. Um uns herum tobt das übliche süditalienische Bordello (=Chaos), einer versucht den anderen zu übertönen, keiner hört keinem zu oder jeder allen, aber Nonna Antonia und ich verstehen uns ganz ohne Worte. Ihre Herzlichkeit wärmt mich, so wie mich der Amber in Entre Naranjos wärmt (den ich in der Basis deutlich wahrnehme) und Nonna Antonias Verbundenheit mit ihrem kleinen, sonnenverbrannten Stückchen Land springt mir erdig und würzig-warm entgegen und bleibt sehr lange bei mir.

Vielen Dank, Ramon Monegal, für diese Reise in den Himmel und das Wiedersehen mit Nonna Antonia, die ich sehr vermisse.
7 Antworten
Cristalle vor 12 Jahren 13 11
5
Flakon
2.5
Sillage
2.5
Haltbarkeit
9
Duft
Ô meine grüne Geheimwaffe
Ô de Lancôme Vintage - das ist so kühl, dass es mich selbst nach einer warmen Dusche bei 40° im Schatten fröstelt. Dabei entwickelt es einen solchen Hallo-Wach-Effekt, dass ich mir den Morgenkaffee fast sparen kann. Ô, was für eine wunderschöne, grüne Geheimwaffe gegen Hitze.

Die Zitrusfrüchte der Kopfnote wirken sehr natürlich, frisch, hell und kühl, sie bekommen aber durch Petigrain ein herbes, leicht bitteres Geschmäckle und bieten damit einen klaren Kontrast zum Früchtemenü so vieler aktueller Düfte. Gekonnt gleitet die herb-zitrische Kopfnote ins krautige und sehr grüne Herz über, in dem die Blumen keine herausragende Rolle spielen, sondern nur dafür sorgen, dass die grüne Herbheit aufgefangen und abgemildert wird. An diesem Punkt erinnert mich Ô de Lancôme an Eau Fraîche von Dior (da kenne ich nur die aktuelle Version), das aber insgesamt milder und weicher ist. In der Basis muss ich zwischen den beiden Versionen, die ich habe, unterscheiden – bei dem älteren mit der roten Banderole tun sich Eichenmoos und Vetiver mit rau-herber Kratzigkeit hervor, bei dem jüngeren mit der grünen Banderole sind es Amber und Moschus. Die Sillage ist nur am Anfang groß und zieht sich dann sehr schnell auf die Haut zurück. Die Haltbarkeit vom roten Ô ist deutlich besser als vom grünen, aber dennoch nicht überragend.

Die Persönlichkeit des roten Ôs ist auf Krawall gebürstet und sagt klar und deutlich: Mir kann keiner was!, während die des grünen eher leichtfüßig elegant daher kommt und auf kühle Distanz geht. Medusa schrieb etwas von Chypresofty – das mag für neuere Versionen zutreffen, für die ganz alte aber keinesfalls. Die Ôs, die ich kenne, sind Chypres par Excellence, nicht soft sondern sehr, sehr selbstbewusst.

Nachtrag: Ich habe gestern zum Vergleich noch einmal das neue Ô getestet und wurde leider wieder einmal desillusioniert - es gibt zwar den Frischekick für heiße Tage, hat aber schwer an Charakter eingebüßt. Ich glaube, ich bin ein hoffnungsloser Fall in Bezug auf modernisierte Düfte. Das neue Ô werde ich sicher nicht kaufen und das alte wahrscheinlich auch nicht mehr bei den Mondpreisen, die dafür geboten werden.
11 Antworten
Cristalle vor 12 Jahren 7 6
5
Flakon
2.5
Sillage
2.5
Haltbarkeit
7
Duft
Aaaaahhhh - SO saftig!
Aus keinem Duft ist mir bisher eine so saftige, natürliche Mandarine entgegen gehüpft wie aus diesem. Nie hüpfe ich so beschwingt aus dem Haus, wie nach einer ordentlichen Portion Mandarine Basilic, meinem Li-La-Laune-Duft an heißen Tagen. Allerdings viel mehr tut sich bei mir nicht – es zeigen sich noch ein paar Blättchen Kraut und ein Ticken Sandelholz, nicht süß nur trocken und Ende der Vorstellung. Am liebsten wäre mir sowieso eine Art Dauerberegnung wegen der saftigen Mandarine in der Kopfnote, aber da wird wohl nix draus – wie ich hier gelesen habe verlässt uns die herrliche Mandarine in diesem Jahr. Nun, es gibt ja noch Pamplelune, damit kann ich leben.

Fast hätte ich es vergessen: Um etwas länger zum Anbeißen zu riechen, dusche ich gern vorher mit dem Mandarinen-Duschgel von Claire Fisher, das funktioniert ganz gut.
6 Antworten
Cristalle vor 12 Jahren 14 6
7.5
Flakon
2.5
Sillage
0
Haltbarkeit
7
Duft
Hadrian Präcox
Hadrian war politisch ein starker Mann, der seinem Volk eine lange Zeit des Friedens brachte, seiner Frau allerdings keine Kinder und so seinem Reich keine Nachfahren. Ob dies nun auf seine homoerotischen Neigungen oder auf Impotenz oder sonstiges zurückzuführen ist, darüber können wir nur spekulieren. Aber dies muss Frau Goutal im Sinn gehabt haben, als sie ihm und seinen Nächten dieses laue Lüftchen widmete.

Zwar finde ich die ganze Komposition eigentlich, aber eben nur eigentlich, gelungen: Herrliches Vorspiel im Orangen- und Zitronenhain, gefolgt von der Entführung in einen silbrig vom Vollmond erhellten Kräutergarten, in dem Wachholdersträucher und Zypressen Schatten auf die Wege werfen. Dem Garten wohnt ein Zauber inne, die Grillen zirpen die Glühwürmchen schwärmen aus. Gerade will der Kaiser zur Höchstform auflaufen - mit sanftem Drängen und leidenschaftlichen Küssen setzt er an, seine glutäugige Begleiterin zu erobern. Er atmet schwer… so schwer … die Hitze der Nacht umfängt die schattenhaften Gestalten, das Kräuterbett ist bereit, weich und duftig. Doch plötzlich sackt der Kaiser in sich zusammen und die Nacht endet, bevor sie begonnen hat…

Das, was ich mir von Hadrians Nächten erträume, erfüllt der Duft einfach nicht. Er gefällt mir zwar wirklich gut, aber der Präcox-Effekt ist dann doch zu enttäuschend, leider. Meine 30 ml waren schwupps-wupps weg, weil ich schon nach 1,5 Stunden nachlegen musste, um die Illusion mediterraner Nächte am Leben zu erhalten. Sehen wir es positiv: So wird ein Flakon auch mal leer. Getestet habe ich das EdT
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