Derailroaded

In einer Frauenzeitung fand ich eine Probe Blu di Roma und war nach dem Aufreißen spontan verdrossen. Da kam mir doch wieder diese vermaledeite saubere und langweilige Mischung aus Apfel und Rose entgegen: Pomarose von Givaudan, dass es sich nur so gewaschen hat.

Aber halt! Auf meiner Haut entwickelt das Parfum eine Lippenstiftnote, die ich von ganz früher kenne. Ja, da schau her! Nachdem sich meiner eine tiefe kindliche Freude bemächtigt hat, entwickle ich umgehend ernste Kaufabsichten.

Das Parfum steckt in einem himmelblauen Karton, auf dem Buchstaben und Einrahmung in Gold prangen. Vom Lippenstift meiner Mutter und dem Karton ist es in der Erinnerung nicht weit zur weißen Kerze mit der großen seitlichen Einkerbung, die sie mir öfter kaufte. Die Kerbe stellte ein blaues Himmelszelt mit goldenen Sternen dar, unter dem ein wächsernes Jesuskind lag.

Ich behaupte, um dieses Parfum wunderschön zu finden, bedarf es einer großen Portion beglückender Kindheitserinnerungen. Als zusätzlich hilfreich empfinde ich die Begeisterung für den Schauspieler Roberto Benigni als kreischenden Holzkasper Pinocchio mit seiner (Achtung!) blauen Fee. Für alle anderen wird Blu di Roma leider austauschbar sauber-blumig riechen müssen und sie werden um den romantischen Sommer in der ewigen Stadt geprellt.

Nein, über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten, schon gar nicht bei Pinocchio oder dem Jesulein...

Opium ist ein Synonym für meine Stiefmutter (ein furchtbarer Mensch), die sich morgens damit solchermaßen besprühte, bis die Hütte rauchte und der zum Abschied geherzte Yorkshireterrier Nicki laut zur Haustür hinausstöhnte. Der Hund wurde nicht alt und wir sind früh von zu Hause ausgezogen.

Jahre später wurde ich durch eine liebe Freundin neu konditioniert und weiß seitdem Opium ein wenig zu schätzen. Das ist von Vorteil, denn Red riecht erstaunlicherweise nach Opium. Ich kenne ja nur die alte Version, die sehr würzig, herb, fast streng und durchdringend roch. Red ist wärmer und klingt weich und beinahe cremig aus. Während Opium also wie Aristoteles Onassis (auch kein Goldifuchs) daherkommt, hat Red schon die Hornbrille und Taftfrisur abgelegt. Es hält, setzt eine tüchtige Duftmarke ins Zimmer und passt in die kühlere Jahreszeit.

Red hat übrigens die Kopfnote am Baum hängen lassen, die Herznote verblieb im Garten, ich rieche weder Obst noch Blümelein. Also Fenster auf und rausjaulen!

Vor vielen Jahren beschloss ich, nicht dem Kollegiumsausflug beizuwohnen, sondern stattdessen die Parfümerie in der Fußgängerzone aufzusuchen. Es war um den 20. Dezember 1996 herum und ich war sehr verliebt in Angelo.

Bisher hatte ich den "albernen Sternflakon" geflissentlich übersehen, durch Angelos Auftauchen in meinem Leben war es nunmehr zu meiner heiligen Pflicht geworden, den Duft mit dem herrlichen Namen auszuprobieren.

Ich war davon hingerissen!

Alles das, was ich als Kind auf dem Weihnachtsmarkt in Wien so liebte, war in der blauen Flüssigkeit eingefangen. Die vielen Lichter, die Kälte, die Tannenbäume, die kleinen Glasvögel, die ich mir heftig erbettelte (und zu Hause zuverlässig zerbrach)und besonders die roten Liebesäpfel, deren zuckrige Süße ich immer so köstlich fand. Angel musste mit. Nicht zuletzt konnte ich Angelo ein Parfum mit seinem Namen präsentieren, das ungeheuer nach rotem Zuckerglück roch.

Kurz nach Weihnachten verließ ich Angelo in aller Stille, weil ich mich stürmisch in einen alten Freund verliebt hatte. Schön war das nicht.
Aber Angel ließ ich mehrfach nachfüllen und blieb ihm noch ein paar köstliche Winter lang treu. Bis ich fand, dass so viele Leute danach rochen und es mir verdrießlicherweise so vorkam, als würden die Darling-Düfte von Kylie Minogue auch klebrig in die Liebesapfelrichtung marschieren. Nach diesem schweren Vorwurf wurde sich ebenfalls in aller Stille getrennt.