
Der Duft der Bücher
Ich gestehe, ich bin ein Bücherfetischist. Ich sammle und lese Bücher. Sachbücher, Belletristik fast jeder Art, am liebsten Kriminalromane und Thriller. Und seit einer Weile schreibe ich auch selbst welche; Thriller, die im abtauenden Eis der Arktis spielen. Aber das ist eine andere Geschichte, zu der ich mich gern hier auslasse…
Als bekennender Bücherfetischist und Liebhaber gelungener Duftkompositionen stelle ich mir vor, wie beide Welten wohl miteinander zu verbinden wären. Nein, nicht in Form eines Buches, das Düfte zum Thema hat. Eher umgekehrt. Mir schwebt da ein völlig neues Berufsbild vor. Ein Berufsbild, das die literarische und die olfaktorische Welt nahtlos ineinander aufgehen lässt.
Bücherparfümeure – Männer oder Frauen, die sich in ein Buch vertiefen und dann einen Duft zu genau diesem Buch entwickeln. Einen Duft, der den Kern der Geschichte wiedergibt; umgesetzt, transformiert in ein olfaktorisches Gesamtkunstwerk.
Wie würden wohl die Klassiker riechen? Der Zauberberg von Thomas Mann, Die Verwandlung von Franz Kafka, Unter dem Vulkan von Malcolm Lowry, Vom Winde verweht von Margaret Mitchell oder Slaughterhouse-Five von Kurt Vonnegut? Welcher Duft würde zu Das Parfum von Patrick Süskind passen? Nein, streichen bitte! Das wäre zu naheliegend und zu unmenschlich …
Welcher Duft hingegen könnte einem Climate Fiction Thriller wie Blue Skies von T.C. Boyle gerecht werden oder einem Cinematographie-Roman wie Lichtspiel von Daniel Kehlmann? Was wäre die olfaktorische Entsprechung zu einem auf Hawaii und zu Weltkriegszeiten in Japan spielenden Kriminalroman wie Fünf Winter von James Kestrel? Oder zu Salman Rushdies Mitternachtskinder, Percival Everetts abgründigen Südstaaten-Thriller Die Bäume oder Haruki Murakamis flirrend phantastischem Die Stadt und ihre ungewisse Mauer?
Wäre es möglich, die Komplexität, die Atmosphäre, die Vibes eines großen Romans in einen Duft zu fassen? Schließlich sind Parfums per se recht komplex in ihrer Konstruktion. Es sollte also durchaus lösbar sein, Komplexität mit Komplexität darzustellen. Um so mehr, als auch – wie der Spannungsboden eines Romans – eine Duftkomposition einen Verlauf nimmt, sich verändert, bis sie zum ENDE kommt.
So wie ich jetzt.
In diesem Sinne literarisch-olfaktorische Grüße aus dem Taunus
Euer Duesenduft
Tatsächlich find ich es spannend, wenn Düfte literarisch erwähnt werden. Ich möchte sie dann auch immer gleich testen.
Vom Winde verweht wäre für mich Chanel No 5. Und die Lungenkranken im Zauberberg haben sich die fieberheisse Stirn wahrscheinlich mit Kölnisch Wasser abgetupft 😊
Wennschon Bücherparfümeur, dann sollte unser neues Berufsbild analog zu Duftkalendern das nämliche Buch bereits vor Drucklegung beduften (könnte bei E-Books allerdings schwierig werden), so ergäbe das für mich mehr Sinn. Ein Buch nicht nur lesen, sondern es auch riechen!
Anmerkung am Rande: Percival Everetts Meisterwerk "Erschütterung" würde ich vor "Die Bäume" nennen. 😉