Floyd

Floyd

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6 - 10 von 450
Floyd vor 1 Monat 46 42
7
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
Es ist ein Augenblick geblieben
Jemand ist hier gewesen, noch eben. Es ist ein Augenblick geblieben. Ein Tisch in der kargen Küche am Morgen. Ein Stillleben in kühlen Schlieren. Du musst Dich noch an die Ruhe gewöhnen, mit dem Staub im Licht darüber schweben, mit den silbernen Dampffähnchen aus Chai-Teearomen, Muskatnüssen und Kardamom, die aus den Resten in den Tassen, zimtbraunen Rückständen wie von Harzen, über die Spuren aus vergangenen Tagen, Bitterkräuter und Lorbeerblätter auf der alten Holzplatte hallen. Die Pfeffermühle ist umgefallen. Nicht jetzt, aber irgendwann. Da ist der welke Geruch von Jasmin, übersät Deine Haut mit Falten. Du verharrst im Bernstein am Grund der Tassen. Ein Moment scheint darin eingeschlossen. Etwas Zeit hat den Raum nur verlassen.
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Kevin Peterson von Sfumato aus Detroit, Michigan, verwendet ausschließlich pflanzliche Rohstoffe für seine Artisan-Duftkreationen. Er ist der Überzeugung, dass die Menschen im Laufe der Evolution eine Art kollektives olfaktorisches Gedächtnis angelegt haben, wodurch natürliche Duftstoffe in der Lage seien, subtile Reizreaktionen über Jahrtausende zu entwickeln und zu transportieren. Natürliche Düfte seien somit Zeitkapseln.
"Gravitas deepens, and deepens with thought" schreibt Peterson auf seiner Homepage, und tatsächlich schlägt der Duft auf seine sehr dezente Art viele assoziative Saiten an. Da ist zunächst kühle Schärfe (schwarzer Pfeffer), die unter herben Zitrusspuren (Mandarine) bittergrüne, gewürznelkenähnliche Bay-Noten und etwas Koriander freigibt, bevor Kardamom, Muskat und das zimtige Perubalsam im Herzen an Chai-Tee erinnern. Bei Kaffee und Kardamom in der Pyramide hatte ich eigentlich eher mit Berber-Kaffee-Aroma gerechnet. Benzoe trägt den Duft in der Basis dann weiter ins medizinisch Balsamische. Dezent idolischer Jasmin lässt darin immer mal wieder weit entfernt den Gedanken an alte Haut aufkommen, leicht muffig, seltsamerweise aber nicht unangenehm. Eine abendfüllende, bitter-herbe Zeitkapsel, die sich über warm-würzige Aromen in Bernstein verschließt.
https://www.youtube.com/watch?v=EOkpzHZb-b4&t=5s
42 Antworten
Floyd vor 1 Monat 48 42
8
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8.5
Duft
Madagascar Medicine
Du erwachst aus dem Alltag wie aus einem Traum in einem gleißenden Aufgang eisblauer Augen. Eukalyptischer Atem ätherischer Öllampen. Der kalte Hauch von Kampfer und Thymian. Da ist ein Schatten, ein Medizinmann. Er fächelt mit Strohbüscheln durch den Raum um Deinen Geist zu reinigen. Er murmelt dabei Madagaskar. Allmählich schließt Du Deine Lider. Betrachtest sie von innen nun wieder, die scharfen Schemen aus salzigen Nebeln, den lehmfarbenen Rauch auf undeutlichen Gräsern, die Kiefernharze geflochten in Bildern von Wegen aus zimtbraunem Bernstein. Du verweilst in verschwommenen Schleiern.
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Dass Mark Sage mit den Kreationen seiner Clandestine Laboratories bewusst immer wieder bislang unbeschrittene Wege findet, wird auch an "Silver" deutlich. Hier steht zunächst die Cinnamosma fragrans im Zentrum, eine Pflanze aus Madagaskar, die hierzulande unter dem Namen Saro besser bekannt ist und aus deren Blättern, Zweigen und Rinden ein antibakterielles, antivirales und klärendes ätherisches Öl gewonnen wird, deren Geruch an Eukalyptus und Kampfer erinnert. Unterstützt von kühler Minze, würzigem Thymian, krautigem Lavendel und grünem Pfeffer reinigt sie zunächst fast medizinisch für eine ganze Weile die Atemwege, ehe die trockene Strohblume sie über erdig-rauchige Nuancen (Vetiver, Patchouli) sowie würzige Kiefernharze und Flechten in einen Akkord aus salzig-rauchiger Ambra und dezent zimtig-balsamischem Styrax überleitet. Eine Medizin von moderater Projektion und abendfüllender Wirkung.

(Mit Dank an Bloodxclat)
42 Antworten
Floyd vor 2 Monaten 48 43
6
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
8
Duft
Jedem Anfang wohnt ein Ende inne
So lange schon war das Ende nah, dann war es endlich da. Sind weiße Schatten der Nadelwälder. Sie atmen Raureif auf die Felder in hellgrün kühlen Nebeln. Sind Harze wie Tränen an Fäden gefroren, schillern nun im Morgenlicht tauend wie Märchenkristalle für einen Moment. Über fröstelnde Flechten fallend. Sterbend in klammen Böden darunter. Ein neues Jahr. Januar.
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Bravanaritz mit Sitz in Spanien hat sich ganz und gar natürlichen Düften verschrieben. Das Ziel ist es, Orte durch Aromen einzufangen und sie durch die dort angesiedelten Pflanzen sprechen zu lassen.
Die ursprünglich als Raumduft konzipierte Serie um "Gener", dem Januar, bildet mit den weiteren Monaten "Maig", "Agost" und "Octubre" zudem noch Düfte der vier Jahreszeiten ab. Dieser ursprünglichen Ausrichtung wohl geschuldet ist im Fall von Gener dann auch die geringe Projektion und Haltbarkeit.
Eindrucksvoll ist dagegen das gemalte Duftbild des Winters. Da sind zu Beginn tatsächlich authentisch wirkende, frostig-kühle Nadelwälder. Die eher grün-würzigen Mastixharze erzeugen diesen Eindruck durch den zitrischen Anstrich der Bergamotte und die erdig-rindenholzigen Noten des Eichenmooses, welche im schon viel zu früh einsetzenden Drydown zunehmend dominieren. Nach zwei bis drei Stunden verblasst das Bild dann vollends zu einer dezent zitrisch-seifigen Resterinnerung.

(Mit Dank an Genoveva)
43 Antworten
Floyd vor 2 Monaten 44 39
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
7.5
Duft
Kartographie der Tonka Bay
Logbuch der Schaluppen. Bevorstehender Landgang. Paar Spritzer Limetten gegen Tropenmücken. Einen letzten Schluck vom bitteren Bay Rum, verlorene Tropfen noch hinter die Ohren. Riecht nach Schmerzen betäuben wegen der Nelken. Nach Rauchwölkchen über Feuersteinen. Vermutlich putzen sie unter Deck die Läufe der Pfefferflinten, schleifen die balsamhölzernen Schäfte mit scharfen Muskatblüten.
Man kann schon die weißen Strände sehen. Im warmen Wind tanzen Tonkakörnchen, beginnen bald in der Sonne zu flirren, werden winzige süße Tausendperlen auf Treibholz aus dunklen Vanilleschoten. Ihr Duft fließt über die rauen Böden, kremt die Planken der alten Kajüten. Ich werde der Bucht einen Namen geben und dann werden wir weiter ziehen. My Bonnie is over the Ocean.
**
Es hat einige Jahre gedauert, bis Stephen Dirkes mit "Bay Rum" ein weiteres Kapitel seiner Marke Euphorium Brooklyn aufschlug, wobei das Haus für diesen Duft sogar den Namen Euphorium West Indies auf dem Label trägt und somit seinen Sitz auf dem Papier (!) mal eben in die Karibik verlegt hat.
So eröffnet der Duft dann auch mit einigen Spritzern herb-frischer Zitrusnoten (Limette, Petitgrain) auf einem würzigen Akkord aus Bay-Rum, Muskatblüte und Piment, der entsprechend leicht bitter-scharfe Aromen von Gewürznelken und Pfeffer sowie warm-rauchige Noten zu Tage fördert. Balsamisches Amyrisholz, das an sich ja schon etwas nach cremigem Sandelholz, Vanille und Benzoe duftet, bildet dann die Gelenkstelle zur Basis aus eher dunkler Vanille und lieblich mandelvanilliger Tonkabohne, welche die bitter-würzigen Noten zunächst austariert, im zunehmenden Verlauf dann aber leider verschluckt, was mir den Duft auf Dauer etwas zu cremig-süß werden lässt. Eher nichts für olfaktorische Freibeuter. Für den Winter kann dieser moderate abendfüllende Ausflug in die Karibik aber eine angenehme Alternative sein.
39 Antworten
Floyd vor 2 Monaten 51 43
9
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8.5
Duft
Der Geruch der höheren Register
Hellgrau fließt der Tag durch die Bleiglasfenster auf hohe Pfeifen der Zungenregister, wie schmale Lichtbalken einer scharfen Schraffur. Ihr kühler Klang verwirbelt die Wogen aus Weihrauch über den Mündungen. Ihre Körper aus Zinn lassen Noten erstrahlen, die tieferen Labdanumtasten werden Wellen aus hellen Obertönen, die in klammen Gewürzen und Hesperiden durch die alten Gemäuer wehen, um an Lichtflecken auf den Kirchenbänken aus Zeder zu kondensieren. Die Notenköpfchen sind Harztopfen mit Fähnchen aus Pfefferschleiern. Deine Augen verschließen sich über den Fingern, um den Duft ihrer Klänge zu atmen.
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Dass das Multitalent Filippo Sorcinelli über seine Ausbildung in sakraler Musik und dem Schneidern von Gewändern für Papst Franziskus und Papst Benedikt XVI. in die Welt der Düfte kam, wird nicht zuletzt durch seine Unum-Reihe, welche ursprünglich zur Beduftung der Kirchengewänder konzipiert war, sowie seine Extrait de Musique-Reihe, welche sich den verschiedenen Orgelregistern zuwendet, deutlich.
"Trompette 8" widmet sich einem der ältesten Register. Dieses Register hat durch die Zinnlegierung seiner hohen Pfeifen (siehe auch das von mir hochgeladene Bild dazu) einen besonders klaren und markanten Klang und soll, wie der Name schon sagt, eine Trompete imitieren. Tatsächlich liest sich die Pyramide so, als würde man die Tasten von links nach rechts spielen wollen, beginnend mit den tieferen Noten, scharf und klar gerändert durch die Gewürze gleitet man mit den Fingern zu den höheren Tönen.
So beginnt die Tonleiter hier mit scharfwürzig hellem Grau aus schwarzem Pfeffer, in dessen klammem Flirren deutliche Chilinoten wahrnehmbar sind, welche das darunter liegende Labdanum eher wie eine bräunliche Färbung alter Bleiglasfenster erscheinen lässt, die Süße gekonnt ausbalanciert. Hell und kühl wirkt auch der Weihrauch, der von Beginn bis Ende, nicht zuletzt durch das Elemi zitrisch geprägt dominiert. Auch die Bergamotte hat daran zunehmenden Anteil. Die Zeder ist dezent, wirkt blau und kühl und wird in der Basis neben dem etwas würzigeren rosa Pfeffer wahrnehmbar.
Das wirkt durchweg harmonisch, kühl-hesperidisch-harzig, würzig und nur dezent rauchig. Die Durchschlagskraft eines Trompetenregisters hat er allerdings nicht, bleibt der Duft bei mir doch eher moderat bis hautnah und auch nur für wenige Stunden, was ich ja sehr schätze.
https://www.youtube.com/watch?app=desktop&v=IdoaLxK2-M4
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