Harow

Harow

Rezensionen
Harow vor 7 Jahren 7 4
7
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8.5
Duft
Verführung
Nur zwei Kommentare waren es. Die haben aber völlig ausgereicht, mich zu einem Blindkauf zu verführen. Zugegeben war das finanzielle Risiko gering. In diesem Falle aber erwies sich der Blindkauf sogar als ausgesprochenes Glück. Denn hätte ich den Onofri vorab auf Papierstreifen testen können, hätte ich ihn als wenig überzeugend stehen gelassen. Da nun aber die Flasche schon gekauft war, kam der Inhalt auch auf die Haut und konnte seine Qualitäten offenbaren. Denn dieser Duft braucht Wärme, sonst bleibt er stumpf und völlig ohne seinen bezaubernden Glanz.

Nach kräftig kräuterigem Auftakt beginnen bald die ersten Blüten zu erscheinen. Morgenfrisch strahlen sie vor hellem Grün, über das Sonnenstrahlen tanzen. Jasmin und Rose sagt die Duftpyramide. Mag sein, aber sie sind aller Schwere und Schwüle entrückt. Keinen Moment wirken sie süß oder betäubend. Da hat man gut gezaubert. Dazwischen weht weiter ein leichter Hauch scharf würziger Kräuter. Auch die vom frühen Vormittag. Alles noch frisch und kein bisschen trocken.
Dieser Moment im Duftverlauf ist großartig, und ich vermute sehr, es ist der Moment, in dem die Katze den Baldrian fand ;)
Im weiteren Verlauf wird das Grün ein wenig dunkler. Die Blumen treten zurück, Moos und erdigere Töne werden deutlicher. Immer aber bleibt ein gewisser Glanz bestehen, ein bisschen frische Feuchtigkeit die den Eindruck leicht und heiter hält.
Onofris Femme bleibt ohnehin in jedem Moment eine filigrane Erscheinung. Nicht dünn oder schwächlich, aber eben auch ganz und gar nicht und laut oder aufdringlich, sondern luftig und elegant gebaut. Der Duft ist ein freundlicher Begleiter, der sich nicht in den Vordergrund drängen muss um sich zu beweisen, dabei komplex genug um trotzdem nicht beiläufig und beliebig zu werden.
Damit hat er das Zeug ein Liebling im Alltag zu werden. Allerdings erst, wenn es wieder wärmer wird. Denn Wärme braucht er.
4 Antworten
Harow vor 7 Jahren 41 20
10
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Vom Glück zu altern
Der Sonntagmorgen beginnt etwa halb acht. Den Wecker braucht man dafür nicht mehr. Die Zeiten in denen man bis in den Nachmittag schlief sind irgendwann vorbei gegangen. Und irgendwie fühlt es sich gut an, den Tag noch vor sich zu haben.
Bis das Wasser kocht, ist der Kater gefüttert. Dann tropft der Kaffee aus dem Melittafilter. Kein Kaffeevollautomat durchbricht röhrend die Stille des Morgens. Weniger ist manchmal mehr. Auch das hat man mittlerweile gelernt.

Bald führt der Weg ins Bad und unter die Dusche. Da hängt eine hölzerne Badebürste mit langem Stil. So was fand sich früher auch im Bad meiner Oma. Ich hätte nie gedacht, so etwas einmal selbst zu besitzen. Aber man kann sich damit so schön den Rücken schrubben. Ein Stück Tabac Original Seife dazu - braun und von kräftig würzigem Geruch. Wenig später verschwindet die Welt hinter Wasserdampf und die Zeit beginnt im Seifenschaum sich aufzulösen. Es könnte nun auch 1958 sein. Oder 1978. Immer wird es genau so gerochen haben. Bei mir muss es nun auch nicht mehr neu und anders riechen. Es ist schon gut so, war es schließlich auch 1958.

Die Tabac Original Rasierseife ist in einem hellen Beige gehalten. Auch der Duft ist ein wenig heller. Grad so, als solle es im Gesicht doch ein wenig sanfter zugehen. Mit dem Pinsel rühre ich den nächsten Seifenschaum an, in dem die Zeit auf‘s neue sich auflöst. 1967 oder 2017? Vollbart ist im Trend? Sei‘s drum. Der Trend wird vorübergehen. Ich muss nicht mehr trendy sein.

Das Tabac Original After-Shave holt mich von der Zeitreise zurück. Du meine Güte, das Zeug brennt. Das kann man heute vielleicht doch angenehmer haben. Aber dann fehlt dieser Hauch frischer Blumigkeit, dieser Moment üppiger Fülle der schon nach wenigen Atemzügen in holzige Wärme sich verwandelt, ergänzt von kraftvoll rauen Noten die nur leise von ein wenig Vanille umspielt sind.

Man könnte es dabei bewenden lassen, aber da steht ja noch ein zweiter Flakon. So greife ich nach dem Ankleiden erneut zu. Das Tabac Original Eau de Cologne lässt sich in seiner Entwicklung ein wenig mehr Zeit. Die Kopfnote bringt nochmals eine kräftige Frische, ist aber gleichzeitig auch der nostalgischste Moment der ganzen Tabac-Orgie. Man meint fast 4711 Echt Kölnisch Wasser zu riechen. Und damit einen Geruch der untrennbar mit „früher“ verbunden ist. Das Herz spannt einen wunderbaren Bogen von Blumen zu Holz, darin auch eine dezente Süße. Der Ausklang dann, gewärmt von Ambra und Vanille, ist Wohlfühlduft pur.

Jetzt rieche ich also wie ein alter Mann? Nicht schlimm. Mir geht‘s nämlich gerade richtig gut damit, das Alte nicht nur zuzulassen, sondern es zu mögen. Mir doch egal, was gerade hip und angesagt ist. Mit den neuesten Modetrends sähe ich ohnedies nur mehr verkleidet aus.

Zum Mittagessen gibt‘s übrigens Roulade bürgerlich. Das Eau de Cologne hat sich bis dahin so weit zurückgezogen, dass es diese gourmande (Duft-)orgie nicht mehr stört.
20 Antworten