05.03.2013 - 07:25 Uhr
Profumo
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Profumo
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42
Grüner geht fast nicht
Es ist schon seltsam mit den Moden: heute riechen dem weiblichen Geschlecht gewidmete Düfte gerne mal nach gebrannten Mandeln, nach Marshmellows und Zuckerwatte, nach hellen Blüten und süßen Beeren, bzw. wahlweise nach ‚fruit-chouli’ oder ‚gourmand-chouli’.
Vor vierzig Jahren aber wäre das undenkbar gewesen: Düfte wie Chanels „Cristalle“ und „No 19“, Diors „Diorella“ und „Dioressence“, oder aber auch Lauders „Azurée“ und „Alliage“ waren meilenweit von den lieblich-süßen Leckereien unserer Tage entfernt.
Es ist, als habe sich seit dieser Zeit das gesamte Duftspektrum – Damen- wie Herrendüfte – ein gehöriges Stück Richtung süßlich-feminin verschoben, nachdem es sich in ebenjenen 70er Jahren eindeutig auf die maskuline Seite neigte.
Was damals als Damendüfte auf den Markt kam, würde heute vermutlich mit einem ‚pour Homme’-Label versehen, während die Herrendüfte jener Jahre – man denke nur an ‚Yatagan’ – heutzutage für viele untragbare Machodüfte sind.
Umgekehrt dürfte ‚Dior Homme’ anno 72 vermutlich als Damenduft lanciert worden sein und ‚Angel’ bestenfalls als Parfum für kleine Mädchen.
Aber gut, Zeiten ändern sich und der Duftgeschmack mit ihnen.
‚Alliage’ gehört nun zu den Düften die heute ganz gewiss nicht mehr lanciert würden, es sei denn als Herrenduft. Aber auch als solcher würde er kaum mehr das Licht der Welt erblicken, sind es doch gerade zwei seiner wichtigsten Eigenschaften, die ihn 40 Jahre nach der Entstehung in seiner Existenz gefährden: zum einen seine unverkennbare Chypre-Struktur und andererseits seine tiefe animalische Durchdringung.
Ist letzteres heute schlicht und ergreifend völlig ‚out’, existiert ersteres seit einiger Zeit im Grunde gar nicht mehr. Versuche das Genre zu retten gibt es viele, doch mit bislang zweifelhaftem Erfolg. Alle großen, alten Chypres sind heute nur noch Schatten ihrer selbst, mitunter allerdings recht schöne Schatten.
So auch ‚Alliage’.
Dem Duft mangelt ein bisschen die Tiefe und Aura vergangener Tage, er wirkt eindimensionaler und weniger komplex. Noch immer aber ist er unverkennbar ‚Alliage’: ein üppiger, grüner Chypre-Duft mit pudrigen und animalischen Nuancen.
Im Gegensatz zu seinen Mitstreiterinnen der frühen 70er Jahre, ‚Diorella’, ‚Cristalle’ oder dem noch etwas älteren ‚Y’, hatte ‚Alliage’ nie deren zierlichen, feingliedrigen Körperbau. Es war immer schon von kräftigerer Struktur, besaß Muskeln und eine unbändige Kraft, ja wirkte beinahe rustikal.
Vielleicht erklärt diese Wesensart viel eher den Untertitel ‚Sport Spray’, als die vermeintlich beabsichtigte Aufforderung, man – bzw. frau – möge den Duft nach dem Sport auftragen. Nein, vielmehr hat dieser Duft selbst Sport getrieben, war in der Mucki-Bude und hat viel Ausdauertraining hinter sich, denn mit einem hat ‚Alliage’ so gar nichts gemein: mit den Sportwässerchen unserer Tage.
‚Alliage’ trägt man nicht nach dem Sport, oder um einen heutigeren Begriff zu gebrauchen: nach dem Workout (da trägt man am besten sowieso keinen Duft - die ganzen Shampoos und Duschgels sind ohnehin parfümiert genug). ‚Alliage’ trägt man bestenfalls, nicht aber notwendigerweise, wenn man ein sportlicher Mensch an sich ist. Dann passt das Grüne, das Pudrige, Herbe und Bittere ganz wunderbar, zumal dem Duft eine gewisse natürliche Robustheit innewohnt, die in direkter Verwandtschaft zu seinem maskulinen Pendant ‚Devin’ steht.
‚Devin’ selbst trägt bekanntlich den Untertitel „Country Cologne“, der sich hauptsächlich auf die Verwendung kräftiger Pinien-Noten bezieht. Diese finden sich ebenso in ‚Alliage’, allerdings weniger exponiert. Vielmehr werden sie dort begleitet von leichten floralen und würzigen Akzenten, die aber immer im Rahmen eines grünen Chypre-Konzeptes verbleiben. ‚Devin’ hingegen sprengt dieses Konzept ein wenig, oder besser gesagt: der Duft erweitert es – beginnend mit einem frischen-zitrischen Auftakt, über ein würzig-grünes Herz, bis zu einem ledrigen, fast schon orientalischem Ausklang. ‚Alliage’ aber bleibt, wie gesagt, in allen Phasen ein durch und durch grünes Chypre, mit schon beschriebenem, kräftigen Körperbau, viel trockenem Puder und einer Crèmigkeit die es vollends von Mitstreiterinnen wie „Cristalle“ oder „Diorella“ unterscheidet, die eher leicht, flirrend und elegant einher schweben, wo ‚Alliage’ schon mit beiden Beinen naturverbunden auf der Erde steht.
Mit ‚Alliage’ hat Bernard Chant, wie Jahre zuvor seine Kollegin Germaine Cellier mit ‚Vent Vert’, einen beinahe archetypischen grünen Duft geschaffen – grüner geht fast nicht mehr.
Jahre später hat Serge Kalouguine für Diptyque einen Duft namens ‚Virgilio’ geschaffen (leider eingestellt), der ebenso grün, ebenso trocken und ebenso animalisch war, nur leider, leider weit weg von der Raffinesse des ‚Alliage/Devin’-Duos. Dennoch hatte der Diptyque-Duft etwas, er war nämlich noch robuster und mit geradezu unverschämt tierischen Ausdünstungen durchdampf - was ihn allerdings nicht tragbarer machte.
‚Alliage’ bleibt dagegen jederzeit tragbar, es sei denn, der leiseste animalische Hauch ist schon einer zuviel.
Wer aber nichts gegen ein bisschen ‚skank’ im Parfum hat – und ich gehöre zu jenen, die ein bisschen Gemüffel in einem guten Duft für unerlässlich halten – wird mit ‚Alliage’ kein Problem haben.
Noch immer, selbst in reformulierter Fassung, ein ganz großer Duft!
Vor vierzig Jahren aber wäre das undenkbar gewesen: Düfte wie Chanels „Cristalle“ und „No 19“, Diors „Diorella“ und „Dioressence“, oder aber auch Lauders „Azurée“ und „Alliage“ waren meilenweit von den lieblich-süßen Leckereien unserer Tage entfernt.
Es ist, als habe sich seit dieser Zeit das gesamte Duftspektrum – Damen- wie Herrendüfte – ein gehöriges Stück Richtung süßlich-feminin verschoben, nachdem es sich in ebenjenen 70er Jahren eindeutig auf die maskuline Seite neigte.
Was damals als Damendüfte auf den Markt kam, würde heute vermutlich mit einem ‚pour Homme’-Label versehen, während die Herrendüfte jener Jahre – man denke nur an ‚Yatagan’ – heutzutage für viele untragbare Machodüfte sind.
Umgekehrt dürfte ‚Dior Homme’ anno 72 vermutlich als Damenduft lanciert worden sein und ‚Angel’ bestenfalls als Parfum für kleine Mädchen.
Aber gut, Zeiten ändern sich und der Duftgeschmack mit ihnen.
‚Alliage’ gehört nun zu den Düften die heute ganz gewiss nicht mehr lanciert würden, es sei denn als Herrenduft. Aber auch als solcher würde er kaum mehr das Licht der Welt erblicken, sind es doch gerade zwei seiner wichtigsten Eigenschaften, die ihn 40 Jahre nach der Entstehung in seiner Existenz gefährden: zum einen seine unverkennbare Chypre-Struktur und andererseits seine tiefe animalische Durchdringung.
Ist letzteres heute schlicht und ergreifend völlig ‚out’, existiert ersteres seit einiger Zeit im Grunde gar nicht mehr. Versuche das Genre zu retten gibt es viele, doch mit bislang zweifelhaftem Erfolg. Alle großen, alten Chypres sind heute nur noch Schatten ihrer selbst, mitunter allerdings recht schöne Schatten.
So auch ‚Alliage’.
Dem Duft mangelt ein bisschen die Tiefe und Aura vergangener Tage, er wirkt eindimensionaler und weniger komplex. Noch immer aber ist er unverkennbar ‚Alliage’: ein üppiger, grüner Chypre-Duft mit pudrigen und animalischen Nuancen.
Im Gegensatz zu seinen Mitstreiterinnen der frühen 70er Jahre, ‚Diorella’, ‚Cristalle’ oder dem noch etwas älteren ‚Y’, hatte ‚Alliage’ nie deren zierlichen, feingliedrigen Körperbau. Es war immer schon von kräftigerer Struktur, besaß Muskeln und eine unbändige Kraft, ja wirkte beinahe rustikal.
Vielleicht erklärt diese Wesensart viel eher den Untertitel ‚Sport Spray’, als die vermeintlich beabsichtigte Aufforderung, man – bzw. frau – möge den Duft nach dem Sport auftragen. Nein, vielmehr hat dieser Duft selbst Sport getrieben, war in der Mucki-Bude und hat viel Ausdauertraining hinter sich, denn mit einem hat ‚Alliage’ so gar nichts gemein: mit den Sportwässerchen unserer Tage.
‚Alliage’ trägt man nicht nach dem Sport, oder um einen heutigeren Begriff zu gebrauchen: nach dem Workout (da trägt man am besten sowieso keinen Duft - die ganzen Shampoos und Duschgels sind ohnehin parfümiert genug). ‚Alliage’ trägt man bestenfalls, nicht aber notwendigerweise, wenn man ein sportlicher Mensch an sich ist. Dann passt das Grüne, das Pudrige, Herbe und Bittere ganz wunderbar, zumal dem Duft eine gewisse natürliche Robustheit innewohnt, die in direkter Verwandtschaft zu seinem maskulinen Pendant ‚Devin’ steht.
‚Devin’ selbst trägt bekanntlich den Untertitel „Country Cologne“, der sich hauptsächlich auf die Verwendung kräftiger Pinien-Noten bezieht. Diese finden sich ebenso in ‚Alliage’, allerdings weniger exponiert. Vielmehr werden sie dort begleitet von leichten floralen und würzigen Akzenten, die aber immer im Rahmen eines grünen Chypre-Konzeptes verbleiben. ‚Devin’ hingegen sprengt dieses Konzept ein wenig, oder besser gesagt: der Duft erweitert es – beginnend mit einem frischen-zitrischen Auftakt, über ein würzig-grünes Herz, bis zu einem ledrigen, fast schon orientalischem Ausklang. ‚Alliage’ aber bleibt, wie gesagt, in allen Phasen ein durch und durch grünes Chypre, mit schon beschriebenem, kräftigen Körperbau, viel trockenem Puder und einer Crèmigkeit die es vollends von Mitstreiterinnen wie „Cristalle“ oder „Diorella“ unterscheidet, die eher leicht, flirrend und elegant einher schweben, wo ‚Alliage’ schon mit beiden Beinen naturverbunden auf der Erde steht.
Mit ‚Alliage’ hat Bernard Chant, wie Jahre zuvor seine Kollegin Germaine Cellier mit ‚Vent Vert’, einen beinahe archetypischen grünen Duft geschaffen – grüner geht fast nicht mehr.
Jahre später hat Serge Kalouguine für Diptyque einen Duft namens ‚Virgilio’ geschaffen (leider eingestellt), der ebenso grün, ebenso trocken und ebenso animalisch war, nur leider, leider weit weg von der Raffinesse des ‚Alliage/Devin’-Duos. Dennoch hatte der Diptyque-Duft etwas, er war nämlich noch robuster und mit geradezu unverschämt tierischen Ausdünstungen durchdampf - was ihn allerdings nicht tragbarer machte.
‚Alliage’ bleibt dagegen jederzeit tragbar, es sei denn, der leiseste animalische Hauch ist schon einer zuviel.
Wer aber nichts gegen ein bisschen ‚skank’ im Parfum hat – und ich gehöre zu jenen, die ein bisschen Gemüffel in einem guten Duft für unerlässlich halten – wird mit ‚Alliage’ kein Problem haben.
Noch immer, selbst in reformulierter Fassung, ein ganz großer Duft!
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